Islanders Review | Entspannter Städtebau

Sim City fandest du immer ganz cool. Doch irgendwann nervten quengelige Bewohner_innen, Steuersystem, Abwasseranbindungen und Verkehrschaos. Du wolltest doch einfach nur, dass deine Stadt schön anzusehen war. Zum Glück gibt es jetzt Islanders.

Eine zufällig generierte Insel, ein paar schlichte Gebäude, ganz viel grün, ganz viel blau, makellose rote Dachziegel und mitten drin? Du und dein Drang nach Symmetrie.

Erhabene Erholung

In Islanders baust du kleine schnuckelige Dörfchen, die sich eventuell zu kleinen Städten entwickeln. Völlig simpel eigentlich und genau deshalb auch so unglaublich entspannend. Denn anders als in den angesprochenen Wirtschaftsvorbildern hast du absolut nichts mit dem schnöden Alltagskram zu tun. Du musst deinen Kopf nicht einmal für die finanzielle Seite der Errichtung strapazieren. Islanders ist quasi die Urlaubsversion der Städtbausimulationen. Dabei ist Simulation auch eher unzureichend formuliert. Islanders ist Strategie im Städtebau und ein wenig Puzzle.

Ausgangspunkt ist eine malerische, minimalistische Insel. Jedes platzierte Gebäude bringt dir Punkte. Im besten Fall viele, im schlechtesten – du ahnst es bereits – eher nicht so viele. Gebäude haben Vorlieben in welchen Regionen sie stehen wollen und welche Nachbarn sie bevorzugen. Eine Villa zum Beispiel fühlt sich im Stadtkern sehr wohl, in der Nähe von Juwelieren und Brunnen, will aber mit Steinmetz und Brauerei nicht so viel zu tun haben. Der Schamane mag es einsam inmitten von Wäldern, Blumen und liebäugelt mit einer gewissen Nähe zu antiken Überbleibseln.
Eine gewisse Punktzahl schaltet das nächste Päckchen Gebäude frei. Ein wenig wie dein Taschengeld früher die nächste Packung Panini Bildchen ermöglichte. Baust du weise, ist das nächste Päckchen nah. Genug Punkte ermöglichen die Reise zur nächsten Insel. Hast du zu wenig Punkte, um das nächste Päckchen oder die nächste Insel freizuschalten, ist dein Urlaub vorbei. Überforderung? Fehlanzeige! Aber keine Angst, starte doch einfach einen neuen Ausflug. Das globale Leaderboard sorgt für Langzeitmotivation. Deine Neugier treibt deine strategische Ausrichtung zu immer neuen Glanzpunkten. Mehr Punkte bedeutet mehr Inseln zu bereisen. Mehr von diesen Fjorden, mehr von der gezuckerten Bergspitze, mehr Strand, mehr friedvolles Wohnen und vor allem mehr von der romantisierten Inselidylle.

Wähle weise

Während du also den richtigen Bauplatz für dein nächstes Bauprojekt suchst, zeigt dir Islanders die mögliche Punktezahl an. Über jedem Gebäude, das Einfluss auf deinen Bauplan hat, erscheint eine Summe, die zu deiner eigentlichen Auswahl des Platzes addiert wird. Im Prinzip hast du in Islanders die Freiheit deine Stadt so zu bauen wie du es für richtig hälst. Doch der begrenzte Platz und die gegebenen Vorzüge der Gebäude und Szenerien werden in dem Fall dein Spiel schneller enden lassen, als die Flut die Reise zum Festland.

Du entdeckst deine Vorliebe für Symmetrie und die effektive Ausnutzung der Szenerie. Islanders vom drei Menschen Team GrizzlyGames aus Berlin, Deutschland ist Strategie pur. Denn im Laufe des Spiels erhälst du immer neue Gebäude, die nach diesen einen perfekten Platz verlangen. Kannst du diesen nicht bieten verlierst du wertvolle Punkte. Also plane in deiner Stadtstruktur lieber schon mal einen Tempel und den Markt mit ein.

Islanders ist eine Mischung aus purer Entspannung und leichter Förderung deines strategischen Denkens. Ein Puzzle innerhalb minimalistischer Landschaftsgestaltung. Unglaublich beruhigende Musik begleitet deine behutsamen Aktivitäten auf gedeckter Ozeanatmosphäre. Du hörst ein paar Vögel und das Rauschen des Meeres während du schnuckelige Imitate von kleinen Hütten und Häusern in der Landschaft verteilst. Die Kombination aus Bäumen, Felsen, Windmühlen und Feldern, gepaart mit Parks, Fischern und Brauereien verspricht pure Ästhetik. Ein Spielsystem, in das du zu jeder Zeit flüchten kannst. In das du ohne großen Aufwand zu jeder Zeit eintauchen kannst. Minuten oder Stunden.

Sehnsucht

Eigentlich war dir ziemlich schnell klar, dass dir Islanders ziemlich gut gefällt und trotzdem findest du dich jeden Abend vor einer neuen Insel wieder, baust Stadtzentren, Schamanenhütten, platzierst Parkstücke und knuffige Häuschen. Du wolltest nur noch ein paar weitere Stunden auf den idyllischen Inseln verbringen, den Alltag ein wenig nach hinten verschieben.
Hattest du wieder mal einen stressigen Tag? Islanders! Bist du durch eine Oberleitungsstörung bei der Bahn erst vier Stunden später Zuhause angekommen? Islanders! Beschäftigen deinen Kopf unentwegt Dinge, die auf dein Wohlbefinden drücken? Islanders. Dabei ist der beste Fakt am Städtebau-Spiel, dass es keine nervigen Menschen gibt. Niemand der mit dem Finger boshaft vor dir her wedelt und sagt: Jetzt kümmer dich aber mal um die Straßenschäden. Die Hektik wurde komplett beiseite geräumt. Der fordernde, Stress erzeugende Fakt des akut Nötigen ausgeschlossen. Niemand der dich drängt, hetzt oder irgendetwas von dir will. Nur du und die Insel.

Islanders ist pure Schönheit. Es vermittelt Heimweh im Fernweh. Es vermittelt selbst gestaltete Freiheit in unsichtbaren, festen Strukturen. Islanders ist eine Achtsamkeitsübung, in der du dich nur auf den Moment und nicht auf Vergangenheit oder Zukunft konzentrierst. Islanders ist die minimalistischste Art eines Videospiels, aber Islanders ist auch die effektivste. Es ist die schönste Art Häuschen in einer virtuellen Welt zu verteilen. Grizzly Games Strategie-Städtebau-Spiel bietet die reinste Form der Entspannung bei vollkommener Zugänglichkeit vor enormen Spielwert. Perfektes Gameplay trifft auf unglaublich warmherziges Design. Islanders ist äußerst simpel, aber abnorm effektiv! Es gibt in Islanders nur eine einzige Dringlichkeit. Die der schnellstmöglichen Rückkehr.

9/10 <3

Developer/Publisher: GrizzlyGames
Team: Paul Schnepf, Jonas Tyroller, Friedemann Allmenröder
Veröffentlichung: 4. April 2019 (Steam)

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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