Ooblets zerlegt sich selbst | Ein Kommentar

Ooblets, eines der meisterwarteten Indie Games wird Epic Games exklusiv erscheinen. Die Ankündigung liest sich jedoch äußerst dubios.

Eigentlich hatten die beiden Hauptverantwortlichen für Ooblets nur etwas völlig menschliches und absolut nachvollziehbares zu vermelden. Das eigenwillige, bunte Projekt hatte sich gerade vertraglich mit Epic Games auf Exklusivität für deren Games Launcher für den PC geeinigt. Zumindest für eine „sehr lange Zeit“, wie sie schreiben.

Seit Start des Epic Games Stores im Dezember 2018 versuchen die Menschen bei Epic Games gute Argumente für ihren neuen Shop zu finden. Neben ständigen kostenlosen Games scheint eines der meisterwarteten Indie Games der letzten Jahre  ne ziemlich gute Sache zu sein. Doch nicht nur für Epic Games. Da sie als Plattform mit weniger Nutzer_innen nicht im Ansatz die selben Verkaufszahlen versprechen können, wie es Valve mit Steam kann, garantiert Epic Games bei Exklusivität des Spiels eine feste Summe, die die kalkulierten Verkaufszahlen auf Steam in etwa wiederspiegeln sollen.

Die festgeschriebene Summe beinhaltet eine Sofortzahlung, die es den Entwickler_innen ermöglicht, zumeist sorgenfrei an ihrem Spiel weiterzuarbeiten. Sie sind damit zumindest vorerst nicht mehr auf alternative Finanzierungswege während der Produktion oder folgende Verkäufe angewiesen. So weit, so gut. So normal, so unnormal. Denn die Epic Games Exklusiviät ist heiß diskutiert und immer wieder ein unkalkulierbares Wagnis der PC Veröffentlichungsstrategie. Das veranlasste die Ooblets Developer zu einer, sagen wir, sehr eigenwilligen Art der Kommunikation, um den Umstand in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wir machen das Spiel, das wir wollen. Egal für wen!

Ooblets verzückt seit Jahren durch seine zuckersüße Optik. Sie selber beschreiben es als ein Spiel über Ackerbau und Lebewesen sammeln. Eine Art Hybrid aus Stardew Valley, Animal Crossing und Pokemon. Vielleicht eine Idee weiter als Viva Pinata. Hast du die kleinen Kreaturen erst einmal schön großgezogen, geht es ans Tanzen. Das Leben kann so einfach sein.

Klar, dass so viel umwerfender Vibe die ganze Gaming Szene verzückt. Seit zwei Jahren verfolgen viele ihr heißerwartetes zauberhaftes Stück heile Gaming Welt. Sie unterstützten die Entwicklerin Rebecca Cordingley, die nahezu alles alleine kreiert, über Patreon bei ihrem Vorhaben (Ganze 1.123 Menschen, die zwischen einem und 100 $ monatlich spenden (Stand August 2019)). Sie erschufen Fanart obwohl sie noch kein Stück des Spiels gespielt hatten. Bis Anfang des Monats August 2019. Zur Bekanntgabe des Deals. Nur um dann vor den Latz geknallt zu bekommen, dass Ooblets ziemlich gut ohne seine Fans auskommt.

Veröffentlicht wurde ein Textstück, das nach zumeist plausibler Erklärung in unnötige Unsachlichkeit abdriftet. Viel schlimmer aber noch, der Ton nimmt Kritiken der Gaming Community gegenüber des Epic Game Stores überhaupt nicht ernst. Herablassend, sarkastisch, verständnislos. Viel mehr werfen @nonplayercat und @perplamps den potenziellen Spieler_innen übersprühende Rage vor, die hauptsächlich darin begründet scheint, einen weiteren Games Launcher zu installieren. Sie würden Exklusivität pauschal ablehnen und den Epic Games Store sowieso. Bisher habe ich in der Debatte aber noch niemanden gefunden, der sich über die fehlende Unterstützung von PS4, Switch oder Mobilen Plattformen aufregt.

Mit dem Geld kommt die Ooblets „mir egal“ Attitüde

„Es gäbe so viel mehr worüber sich Spieler_innen aufregen könnten. Den Klimawandel oder Menschenrechte zum Beispiel“, so die Ooblets Aussage im Blog. Ja, das ist zwar absolut richtig, verfehlt aber das aktuelle Thema um Längen. In dem Zusammenhang könnten wir dann auch die Frage aufwerfen, warum sich die Developer denn dann erdreisten, an einem Spiel zu arbeiten anstatt sich um wichtigere Themen zu kümmern. Um den Klimawandel zum Beispiel oder Menschenrechte?

Die Menschen, die sich über den Ooblets/Epic Games Deal zu Wort melden, nennen als Kritikpunkt zumeist das schlechte Rückgabesystem von Epic Games bei Nichtgefallen. Oder die inakzeptablen Sicherheitsvorkehrungen der Accounts und dessen Bibliothek, die bei Hackerattacken womöglich nicht mehr wiederzubekommen sind. Sie monieren die undurchsichtige Weitergabe der Daten über Tencent (den Unternehmensgiganten zu dem Epic Games gehört) an die chinesische Regierung. Zudem gibt es Funktionen, die auf Publisher Seite die Möglichkeit geben die Reviewfunktion abzuschalten, um so ein durchsichtiges Bewertungssystem zu verhindern. Sie sind sich unsicher, ob sie das Spiel erhalten werden, weil der Shop in ihrem Land nicht verfügbar ist. Und das, obwohl sie Ooblets seit zwei Jahren mit monatlichen Geldbeträgen bei der Produktion unterstützen. Dinge, an denen Epic Games weiterhin arbeiten muss und die zu Recht benannt werden.

Mögliche persönliche Hassnachrichten gegen die Entwickler_innen und das Unternehmen, wie sie Epic Games nennt, sind natürlich eine absolut ekelhafte Reaktion mit der sich schon viele als Folge konfrontiert sahen. Jedoch geht es hier um die online nachvollziehbare Kommunikation, der der Blogpost vorausgegangen ist. Und hier lassen sich eben solche Kommentare eher nicht finden.

Was ist ein Indie Game wert, das in seiner zweijährigen Produktion auf die Unterstützung der Community baut, nur um ihr danach völlig vor den Kopf zu stoßen? Ein Entwicklerteam, das laut geteilter Screenshots und auf Twitter Bedenken mit abwertenden Vorwürfen quittiert, von „Baby Gamer“ und „Toxic Gamer“ spricht? Dass die Leute mal klarkommen sollen, nur weil sie einen kostenlosen Game Launcher nicht mögen und ihn gegebenfalls zusätzlich installieren müssten. „Was für ein Aufwand!“ Und als charmante Kirsche oben drauf werten sie den jahrelangen Support ihrer Fans als völlig unnötig. „Am Ende des Tages ist es jedem selbst überlassen uns auf Patreon zu unterstützen, wir brauchen das Geld dort eh nicht mehr“, soll @perplamps auf dem Ooblets Discord Server geschrieben haben.

„We did the thing! The thing people get angry about!“

Auch ich argumentiere oft sehr freundlich gesonnen gegenüber dem Epic Games Store. Gerade weil das große Fortnite Unternehmen am Ende Entwickler_innen ermöglicht mehr für ihre aufreibende Arbeit in der Tasche zu haben. Von ihrem künstlerischen Schaffen tatsächlich auch leben zu können. Ich bin Exklusivität von Konsolen und TV-Shows gewohnt, wie die Ooblets Developer auch schreiben. Kann es aber dennoch verstehen, wenn Menschen sich kritisch zu wirklich nennenswerten Fakten und Themen im Bezug auf den Launcher äußern. Ich kann eine fehlende Balance zwischen der Ausarbeitung für Develpoment Teams und Publisher auf der einen und Nutzer_innenfreundlichkeit auf der anderen Seite durchaus erkennen. Diese Gabe scheint den beiden von Ooblets aber völlig abhanden gekommen zu sein, wenn sie denn überhaupt jemals da war.

Jeden Menschen, der diese Aussagen trifft, über Twitter und Discord pauschal als Baby, weinerlich oder toxisch zu diffamieren. Ihn anschließend sogar als nicht wichtig für das Spiel abzustempeln und ihn als nicht zur Community gehörig zu nennen ist jedoch äußerst absurd und verletzend. (mirta000 hat hier nur die ersten Reaktionen sehr schön zusammengefasst) Eine verständnisvollere, deeskalierendere Auslage des Schriftstücks zum Epic Deal und konstruktives Eingehen auf wirkliche Bedenken hätten einem Spiel, in dem es um das harmonische Zusammenleben vieler diverse Kreaturen geht, sicher gut gestanden.

Denn bei aller Kritik, die Gründe für diesen Schritt können die meisten durchaus nachvollziehen. Das scheint auch in Aussagen der Community immer wieder durch. Lediglich die abweisende Kommunikationstechnik auf Seiten des Entwicklerteams bricht Ooblets am Ende das Genick. Für wen programmierst du ein Spiel, wenn es dir egal ist, ob es überhaupt jemand kauft? Auch wenn es durch den Geldeinfluss am Ende die bestmögliche Version des Spiels ist? Ob jemand Freude damit hat, ob es prägnante Momente verbreitet und starke Erinnerungen schafft, scheint den Verantwortlichen an diesem Punkt leider absolut egal. Im Vordergrund steht die Wichtigkeit ihrer Arbeit und nicht die Rezeption. Das ist bis zu einem gewissen Grad künstlerisch sicher förderlich, marketingtechnisch jedoch völlig fatal.

Bei all der Aufregung und Aktivität ist es schwierig Zusammenhänge plausibel nachvollziehen zu können und Screenshots zu autorisieren. Gerade weil zwischendurch überall und immer wieder bereinigt und gelöscht wurde, teilweise Stunden zwischen Antworten zu stehen scheinen. Was bleibt ist jedoch ein insgesamt sehr ungelenker Umgang, der einen äußerst fragwürdigen Blogpost vorausschiebt, auch durch Frustration nicht zu erklären ist und einen bereits konfrontativen Ton im Ausgang anschlägt. Bei weitem aber nicht als Diskussionsbasis für ein bisher Community finanziertes Projekt herhalten kann. Und genau das ist der Fakt, der die beteiligten Menschen enttäuscht. Auch wenn sie den Schritt nachvollziehen können.

Mit den erklärenden Passagen des Textes, die nicht die erwartete Reaktion des puren Hasses ängstlich und abwehrend vor sich hertragen, und einem verständnisvolleren Umgang in der Folge, wären Glumberland vermutlich wesentlich authentischer unterwegs gewesen. Und hätten sie jede Diskussion, jedes Fragezeichen im Keim ersticken wollen, wäre ein so langer Blogpost nicht einmal nötig gewesen. Ein „Ooblets ist jetzt Epic Games Store exklusiv“ hätte in diesem Fall gereicht.

Ooblets sollte Menschen ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. Durch den abwertenden Austausch erreicht es das genaue Gegenteil. Das liebenswerte, meisterwartete Indie Game bleibt nun schon vor der Veröffentlichung, die noch immer nicht bekannt ist, in äußerst unangenehmer Erinnerung. Als Meilenstein für die unfähigste Epic Games Store Exklusivität Ankündigung aller Zeiten. Dabei hätte es dafür eigentlich gar keinen Grund gegeben.

Autorin: Benja Hiller
Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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