The Wreck | Vom Leben inspiriert

Das BAFTA nominierte Studio The Pixel Hunt bastelt mit der Visual Novel The Wreck an ihrem dritten Spiel.

An der Realität orientieren sich inzwischen glücklicherweise mehrere Spiele. Vor allem Indie Game Studios schaffen es immer wieder, auch sensible Themen aufzugreifen und adäquat umzusetzen. The Pixel Hunt aus Frankreich ist eines von diesen Studios, das mit Geschichten, basierend auf Faktenlagen und realen Erlebnissen, unglaublich emotionale, nachvollziehbare Geschichten schreibt. Für das Drama um Nour, die vor dem Krieg in Syrien flüchtet und ihren daheim verbliebenen Mann hagelte es für das Studio Nominierungen hochrangiger Preise. Durch die natürliche Umgebung des Messenger-Dienstes und der Kommunikation in Echtzeit gelang ein mitreißender Einblick. Ein Einblick in die Umstände, die Menschen auf sich nehmen müssen, nur um in Sicherheit leben zu können. Eine Erfahrung, die einen weiteren an Menschrechten in Europa zweifelnden Brocken in deinem Magen hinterließ.

Das Leben, es endet in The Wreck

Unter der Leitung des ehemaligen Journalisten Florent Maurin und mit der Beteiligung von geflüchteten Menschen, wurde ein authentisches Umfeld kreiert. Nur Aufgrund des unglaublich starken Nominiertenfeldes 2018 mit Hellblade: Senuas Sacrifice, Last Day of June, Life is Strange: Before the Storm, Night in the Woods und Sea Hero Quest VR ist es zu erklären, dass Bury Me, My Love am Ende nicht als „Game Beyond Entertainment“ beim britischen Oscar BAFTA ausgezeichnet wurde. Alles digitale Erfahrungen, die ich ohne Zögern nennen würde, wenn es um Spiele mit herausragend ausgearbeiteten, sensiblen Themen geht. Was für ein unglaubliches Spielejahr! Und jetzt also The Wreck: eine 3D Visual Novel, in der es vordergründig um Schwesternschaft, Mutterschaft, Trauer und abermals das Überleben geht. Ein Spiel, das The Pixel Hunt neben dem mystischen Point-and-Click Adventure Inua – A Story in Ice and Time parallel in der Entwicklung stemmt.

In The Wreck liegt das Leben der 36 jährigen Junon in Scherben. Ihre Karriere als Drehbuchautorin ist gescheitert. Zunehmend spürt sie eine emotionale Taubheit in ihrem Leben. Und genau in diesen Lebensabschnitt prescht die Nachricht über den kritischen Zustand ihrer Mutter, die gerade in die Notaufnahme eingeliefert wurde. Genau hier beginnt die Visual Novel. Es scheint der wichtigste Tag in Junons Leben zu sein und wenn sich an dem nichts ändert, wird es höchstwahrscheinlich ihr letzter sein.

Wir brauchen mehr dieser lebensnahen Spiele

The Pixel Hunt schicken dich auf die Suche nach Ursachen in der Vergangenheit der Protagonistin. Du erlebst Erinnerungen und versuchst ihre Geschichte zusammenzusetzen. Ein tragisches Geheimnis liegt dort irgendwo vergraben. Erinnerungen, die traumatische Auswirkungen erzeugen. Mit dem Verständnis ihrer Vergangenheit kannst du Junons aktuellen Tag eventuell in eine andere Richtung lenken. Jede Entdeckung eröffnet neue Dialogmöglichkeiten oder schafft Erkenntnisse, um in die Brüche gegangene Beziehungen zu heilen. The Pixel Hunt kreieren ein Spiel um ein bekanntes aufbauendes englisches Sprichwort: „When you hit rock bottom, you have nowhere to go but up.“ Nein, wir denken hier jetzt alle nicht an die viel zu vereinfachte Version der Toten Hosen, die den Kern um Kilometer verpasst.

Auch wenn die Anlage des Spiels eine düstere ist, The Pixel Hunt suchen nach Frieden im Leben von Junon. Humor, Hoffnung und Schönheit lassen sich an dunklen Tagen finden. Auch wenn es sehr schwer fällt. Einen Gegenpol bildet das von hellen Farben geprägte Design. Das sieht nicht nur unverschämt gut aus, sondern lässt dich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. The Wreck hat mit seinem Trailer in mir schon sehr viel aufgewühlt. Es wirft vieles auf, mit dem ich mich – im ähnlichen Alter befindlich – in meiner Lebensphase konfrontiert sehe. Wenn Spiele es schaffen, für jede Gruppe von Menschen individuelle Orte geben zu können, die Halt, Verständnis, Nachvollziehbarkeit und Zuspruch ausdrücken, dann sind wir schon sehr weit. The Wreck kann eines von diesen Spielen werden, dass für viele sehr viel bedeuten wird, wenn es irgendwann 2022 auf Steam erscheint.

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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