Die Schöne und das Biest (Beauty And The Beast) | Film-Kritik

2017-04-05Eine Jahrhunderte alte Geschichte bekommt eine weitere Neuinszenierung. Doch ist das nötig? Bill Condons Realverfilmung des Zeichentrick-Meisterwerks von Disney behält nicht nur seine Magie, sondern zeigt sich auch Inhaltlich äußerst aktuell. 

Im Frankreich des 18. Jahrhunderts kommt es zu einem Ereignis, welches das Leben der Bewohner eines ganzen Schlosses betrifft. Auf einem Ball bittet eine Obdachlose um Asyl für eine Nacht. Ein Prinz reagiert stark abfällig auf ihre Erscheinung. Daraufhin gibt sie sich als Magierin zu erkennen und spricht einen Fluch über das ganze Haus aus. Dem Prinzen wird sein Äußeres an sein unmenschliches Inneres angepasst. Alle Bewohner_innen des Schlosses werden zu Dingen. Das Schloss selber wird aus der Erinnerung der Dorfbewohner_innen gelöscht. Jahre verbringt das Biest zurückgezogen in seinem Schloss. Nur ein Mensch, der es wahrhaftig liebt und dessen Liebe erwidert wird, kann diesen Fluch brechen. Als der Künstler Maurice einen Unterschlupf für die Nacht sucht und eine Rose pflückt, wird er wegen Diebstahls vom Biest inhaftiert. Daraufhin macht sich seine Tochter Belle auf die Suche nach ihrem Vater und bietet sich im Austausch als Gefangene an. Langsam freunden sich alle Bewohner_innen inklusive des Biest mit der „Schönen“ an. Im Dorf kommt es später zu Anfeindungen dem Biest gegenüber, weswegen Gaston, der um die Hand von Belle anhalten will, es zu töten gedenkt.

Über 25 Jahre nach dem Die Schöne und das Biest Zeichentrick Film – der bis 2010 der einzige animierte Film überhaupt war, der für den Oscar als bester Film nominiert war – nun also eine Realverfilmung. Doch allzu real ist das hier dann doch nicht geworden, denn Disney und Bill Condon haben ordentlich aus der CGI-Animationskiste genascht. Das ist größtenteils tatsächlich hervorragend gelungen. Die so entstandenen Kulissen wirken atemberaubend, wunderbar bunt und zum Teil gigantisch. Die lebendigen verwunschenen Dinge, also die Bewohner_innen des Schlosses, wurden liebevoll und äußerst detailreich dargestellt. Lediglich das Biest wirkt in manchen Szenen etwas steif und hölzern. Vor allem in der Tanz-Szene. Hier hätten durchaus noch ein paar Stunden in die Kleidungsphysik fließen können. So wirkt die noble Robe manches mal wie ein Playmobil-Cape. Jedoch kann die Faszination, die der Film entwickelt, diesen Aspekt kompensieren, so dass du nicht allzu sehr aus deiner Traumwelt rausgesaugt wirst. Kostüme und Szenerien passen sich glaubwürdig an das Gefüge des ganzen Films an. Hier kannst du eintauchen in eine wunderschöne und magische Welt. Das Schauspiel nahezu aller beteiligten Personen ist großartig. Sie bilden allesamt glaubwürdige Charaktere und eine geschlossenes Ensemble, dessen Handlungen du im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachvollziehen kannst. Emma Watson kreiert eine überaus starke und unabhängige Belle. Vor allem ihr großer Intellekt scheint eine ausgeprägte Stellung zu erhalten, der auch dem Biest zu gefallen scheint. Hier finden sie sogar eine Gemeinsamkeit in Form der Literatur. Im Dorf gilt die belesene Belle daher als Außenseiterin. Ebenfalls eine grandiose Leistung kitzelt Ewan McGregor aus sich heraus. Dass er ziemlich gut singen kann weißt du spätestens seit Moulin Rouge. Jedoch verleiht er diesem Kerzenständer Lumière so viel Emotion, dass er nahezu den gesamten Cast an die Wand spielt. Wenn du genau hinsiehst, erkennst du sogar parallelen zwischen den Gesichtszügen des Lumière und McGregor. Manchmal sieht er gar aus, wie die Animationsfigur des Obi Wan Kenobi aus Clone Wars.
Wunderbar arrangiert sind auch die musikalischen Elemente des Films, die sich perfekt in die Story integrieren, die großartigen Stimmen der Schauspieler_innen hervorzaubern und unglaublich gut geschrieben wurden. Jedoch verwundert dieser Fakt wohl kaum, hat doch die Zeichentrickversion 1992 sowohl den Oscar für den besten Song, als auch für die beste Filmmusik ergattert.

Doch legen wir mal all die pompösen Szenenbilder, das Schauspiel und die Songs bei Seite und nähern uns der Aussage der Story. Ist eine Neuverfilmung aus diesem Grund nötig? Ja, denn die Schöne und das Biest beinhaltet einige Aussagen, die auch heute noch funktionieren und mehr als nötig erscheinen, immer und immer wieder erzählt zu werden. Der Film kehrt die inneren Werte eines Menschen nach außen und stellt sie über das Augenscheinliche. Das, was dich auszeichnet ist viel mehr wert als ein dicker Bauch oder eine krumme Nase. In Zeiten vom Nacheifern der Schönheitsideale und Lookismen scheint die Vertiefung auf innere Werte fast romantisch. Erfrischend geradezu, sich mal wieder an die eigentlich wichtigen Dinge zu erinnern und im besten Fall in den Alltag einfließen zu lassen. Zudem thematisiert das Schauspiel eine Verfolgung von Lebewesen, die anders zu sein scheinen. Rassismus aufgrund von Äußerlichkeiten und pauschalisierten Andersartigkeiten ist leider aktueller denn je. In Folge dessen geschehen Diskriminierungen und Angriffe. Die Schöne und das Biest ist ein Appell an die Menschlichkeit, sich nicht von Hass und Wut tragen und anstiften zu lassen. Diese Geschichte kann in der heutigen Zeit gerne auch noch 50 mal am Tag erzählt werden, bis es auch der letzte Mensch verstanden hat.
Eine Romantisierung des Stockholm Syndroms, wie es manche Kritiken verlauten ließen, kann ich hier nicht wirklich nachvollziehen oder erkennen. Belle tauscht sich eigenmächtig als Gefangene aus. Die Stärke des Charakters lässt diesen Ansatz aus meiner Sicht nicht zu. Sie hat die Chance zu flüchten, hilft aber dem Biest in seiner Notlage, als sie zum ersten Mal ein Fünkchen Emotion in ihm erkennt. Das schließt für mich den Angst-Aspekt und die damit einhergehende kooperierende Handlung mit dem „Entführer“ aus. Das Biest ist ja nicht mal ein Entführer in dem Sinne. Auch die mediale Aufmerksamkeit aufgrund des ersten homosexuellen Charakters in einem Disney-Film erscheint völlig übertrieben. Hätten die Medien diesen Fakt nicht so hervorgehoben, wäre der Film in anderen Ländern wahrscheinlich nicht zensiert oder verboten worden, da hier absolut nichts auffälliges passiert oder das Thema gar offensiv benannt wird.

Die aktuelle Version der alten Geschichte – die im originalen „La Belle et la Bête“ heißt – erscheint noch immer erzählenswert. Neue Generationen brauchen neue Versionen, um sich entfernt scheinenden Geschichten zu nähern. Das ist bei allen klassischen Schauspielen der Fall. Hier bekommst du eine zauberhafte Welt mit einem starken weiblichen Charakter, wundervollem Schauspiel, sehr gut in Szene gesetzen Choreografien und tiefgreifender Geschichte. Ein Film, der dem Musical nahesteht, aber seinen Zuschauer durch das hervorragende Storywriting und das lockere Arrangement nicht alleine lässt. Emotionen treffen auf inhaltliche Größe und wundervolle Kulissen. Ein buntes Screenplay, das ein paar Makel besitzt, aber dennoch zu überzeugen weiß und sogar einiges besser macht, als seine Zeichentrickvorlage.

8/10 <3

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  • Besucher: bereits 862.000 zum Start-Wochenende (aktuelle Zahlen folgen)
  • Veröffentlichung: 16. März 2017
  • Regie: Bill Condon
  • Drehbuch: Stephen Chbosky, Evan Spiliotopoulos
  • Musik: Alan Menken
  • Schauspieler: Emma Watson (Belle), Dan Stevens (Biest), Luke Evans (Gaston), Emma Thompson (Madame Pottine), Ewan McGregor (Lumière), Ian McKellen (Von Unruh), Kevin Kline (Maurice), Josh Gad (LeFou), Stanley Tucci (Cadenza), Audra McDonald (Garderobe), Gugu Mbatha-Raw (Babette), Nathan Mack (Tassilo), Adrian Schiller (Monsieur D’Arque), Hattie Morahan (Agathe, die Zauberin)
  • Preise:
  • Anschauen: Kino (Union-Film-Theater zu Bochum z.B.)
*Hier wurde die englische Originalversion bewertet. Zu der Qualität der deutschen Synchronfassung kann hier leider keine Aussage getätigt werden.
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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