5 Jahre… und dann? | WTLW ordnet sich neu

Wir sind im März 5 Jahre alt geworden – Lust zu feiern hatten wir nicht. Warum und wo es nach einer „Magazin-Neuausrichtung“ hin geht? Benja erzählt.

Wusstest du, dass „Welcome To Last Week“ aus dem Blog „Wenn, dann das hier“ entstanden ist? Anfang 2013 habe ich angefangen, Auszüge aus meinem Schaffen als Redakteurin oder Artikel, die es in kein Magazin geschafft haben, dort abzuladen. Nur ein paar Monate später erschienen bereits exklusive „Werke“. Weil ich Bock drauf hatte. Weil ich etwas erzählen und mich weiterentwickeln wollte. „Wenn, dann das hier“ eben. Ich schrieb aus Leidenschaft über Themen, die ich mochte, die mich umtrieben oder die in manchen Fällen nach breiterer Aufmerksamkeit schrien. Zwischen 2013 und 2014 entstanden vor allem Artikel über Musik, bis ich beruflich dermaßen eingespannt war, dass Schreiben um des Schreibens willen nicht mehr funktionierte.

Erst 2016 kramte ich den Blog wieder hervor. Ziel dieses Mal: die von Depressionen gezeichnete Benja wieder an das heranführen, was sie einst liebte – das Schreiben. Ein wenig Struktur sollte in den Alltag zurückkehren. Der Auslöser: Eine Presse-Einladung zur Quidditch-WM 2016 nach Frankfurt. Es klingt leicht paradox, dass ausgerechnet die Aussicht auf das Verlassen der eigenen vier Wände in der Depression dazu führte, dass ich wieder anfing zu schreiben. Aber wenn mich eines antreibt, dann Neugier, Fahrtwind und Geschichten. Und diese Struktur? Existierte zwar nur ein paar Wochen, erschuf jedoch den Namen „Welcome To Last Week“ als wöchentliche Videospiel-News/Anekdoten Rubrik. All das hielt so lange, bis mich weitere Einschläge ziemlich schnell vergessen ließen, was ich liebte. „Hallo Depression, schön, dass du auch noch da bist!“

Ganz schön viel Content

Nach weiteren Monaten war „Eine Nacht mit frau_lametta“ der Artikel, der zu den Game Awards 2016 den Blog aus dem Tiefschlaf hob. Es war die Abwechslung, die mich kreativ hielt. Ich schrieb über Videospiele, die ich genoss und über Filme, die niemand sah. Dazu Bücher, Musik, Comics und die popkulturelle Szene. Es war derselbe Antrieb, der schon vorher funktionierte. Keep Benja busy! Erneut waren es Themen, die mich berührten – ohne Einschränkung. Aber es überwogen Videospiele, vor allem in Form von Indie Games. Die einstige News-Kategorie wurde zum Leitmotiv. Welcome To Last Week stand seit März 2017 auch namentlich für Zeit nehmen von beiden Seiten: Für die schreibende und die lesende Person. Es stand für den zweiten, intensiveren Blick und für DIY. Schon ein Jahr später ist dieses popkulturelle Sammelsurium zum reinen Indie Game Magazin erwachsen. Ich lernte mit meiner Depression zu leben und zu schreiben. Den Kleinen der Branche wollte ich ins deutschsprachige Spotlight verhelfen.

Indie Games boten thematische und gesellschaftliche Varianz. Der Ansatz des Magazins war nicht der einer Kaufberatung, sondern der einer kulturellen Betrachtung. Weil ich dachte, es ist das, was mich und andere auf lange Zeit interessieren könnte. 700 der 1.127 veröffentlichten Artikeln schrieb ich in fünf Jahren selbst. Das macht knapp drei pro Woche. Wer denkt, denkt auch manchmal falsch. Welcome To Last Week ist immer noch da. Meine Depression ist immer noch da. Weitere Beschäftigungen und Aufträge sind wieder da. Mit aktuell fünf beteiligten Menschen, einem Podcast, einem Twitch-Kanal und einem Adventskalender ist WTLW größer als je zuvor. Die Klickzahlen wachsen jedes Jahr um hohe zweistellige Prozentzahlen. Doch die Leidenschaft ist über die letzten Monate, vor allem bei mir, fast völlig verschwunden. Das einstige Auffangbecken für schlechte Tage, es wurde selbst zur Last. Eine Last, die kreative Energie erdrückt. Der „Wenn, dann das hier“ Gedanke, er hat sich verflüchtigt.

Leidenschaft, die Leiden schafft

Und das liegt vor allem daran, dass WTLW nicht mehr das Ding ist, mit dem ich mich aus meiner Depression schreibe, mich ablenke und Strukturen erschaffe. Es ist innerhalb meiner Krankenauszeiten zu einem Vollzeitprojekt geworden. Ein Magazin mit täglichen Veröffentlichungen, Abhängigkeiten und enormen Verwaltungs- und Redigier-Aufwand. Ich habe das fünf Jahre sehr gerne gemacht, doch schafft die positive Rezeption nicht das, was ein Vollzeitprojekt normalerweise tun sollte – finanzielle Sicherheit. Mit WTLW konnte ich mich und andere auf den Einsatz als (freiberufliche) Journalist_innen vorbereiten. Nicht mehr, nicht weniger. Meine Brötchen verdiene ich weiterhin mit dem Schreiben und journalistischen Tätigkeiten. Jedoch nicht hier, sondern woanders. In manchen Phasen, wie dem Adventskalender, schießt WTLW gar über das Maß des Vollzeitprojekts hinaus. Und das ist ohne breite finanzielle Unterstützung einfach nicht tragbar.

Nicht für mich und nicht für die lieben Menschen, die mich bei diesem Projekt seit 2019 begleiten. Journalismus kostet Zeit und Geld. WTLW ist nicht nur Plattform für die kulturelle und gesellschaftliche Besprechung von Videospielen und Spotlight für Indie Game Entwickler_innen. WTLW ist eine Chance für Menschen und Nachwuchs, sich im Kulturjournalismus ausprobieren und weiterentwickeln zu können. Eine Chance, die es in unserem Bereich selten zu ergreifen gibt. Diverse Versuche, dafür finanzielle Unterstützung zu erlangen, schlugen fehl. Dem Journalismus fehlt schlicht der finanziell geförderte Unterbau. Wir sind der offenen Marktwirtschaft ausgeliefert. Eine Handvoll Unterstützer_innen bei Ko-Fi sind ganz wundervoll, decken jedoch momentan nicht einmal unsere Kosten. Von weiteren Crowdfunding-Projekten nahmen wir daher bisher Abstand. Das Interesse an uns auf der lesenden, hörenden und schauenden Seite wandelte sich nicht in Motivation, uns zu unterstützen. Es ist halt alles freizugänglich bei WTLW.

Alltag tötet Kreativität

Der Verlust des „Wenn, dann das hier“-Gens bei immer größer werdender tagesaktueller Berichterstattung mit News und Reviews tötet die Kreativität. Nicht nur meine, sondern die der gesamten Redaktion. Das Gedränge um Review-Plätze ist groß. Die Rezeption ist es am Ende in geschriebener Form oft nicht. Bei Modellen wie dem GamePass und endlosen Sales probieren Menschen lieber selbst aus. Der heiße Tipp, er wird selten benötigt oder in großen Outlets am Ende des Jahres besprochen. Wir arbeiten uns an zu vielen Spielen ab, zu denen wir gefühlt immer dasselbe zu erzählen haben. Und am Ende geht der Artikel mit ein paar wenigen Klicks im Meer der Internetrezensent_innen unter. Hintergründe, Stories, Kommentare und tief Recherchiertes traten immer weiter in den Hintergrund. Gedanken an ein Ende von Welcome To Last Week wurden 2022 immer präsenter. Ich wollte hinschmeißen, mich endlich um andere Projekte kümmern.

Doch wir glauben nach wie vor, dass unser Ansatz, Videospiele aus kultureller und gesellschaftlicher Sicht zu betrachten, wichtig ist. Viele unserer Artikel und Podcasts haben auch bei anderen Menschen Gedankengänge angestoßen, die uns glücklich machen. Dafür schreiben und casten wir! Um Themen hervorzukramen, die uns umtreiben. Uns machen Dinge wie der Podcast, Twitch und richtig spannende Stories noch immer Spaß. Deshalb haben wir in den letzten vier Monaten wenig geschrieben und viel nachgedacht. Auch, um uns genau darüber klarzuwerden. Welcome To Last Week ist nicht tot!
Unsere Energie keimt langsam wieder auf. Doch müssen wir auf unsere Möglichkeiten und die psychische Gesundheit achten. Deshalb betrachten wir Welcome To Last Week wieder als das, was es von Anfang an war – ein leidenschaftliches Freizeitprojekt. Wir reduzieren ab sofort unser Magazintreiben und ändern die Ausrichtung. Klassische News und Review-Artikel wird es seltener bis gar nicht geben. Dafür lest ihr ganz bald und unregelmäßig wieder tiefergehende Gedanken zu Videospielen und Themen, die uns beschäftigen. Mehr Meinung und weniger Einerlei.

Alles neu macht der… April?

Abseits dessen bündeln wir unsere Kräfte auf unser stärkstes Mitglied der WTLW-Familie, den Indie Game Podcast. Vor allem, um wieder zweiwöchentlich veröffentlichen zu können, mit dem Ausblick auf ein wöchentliches Erscheinen. Unserer neu gewonnenen Leidenschaft – mit den Streams im Indie Game Kanal auf Twitch – verfestigen wir und integrieren den Kanal in die Magazinstruktur. Wöchentliche gemeinsame Talks mit offenen Medienthemen bringen die Abwechslung zurück, die WTLW/WDDH zu Anfang auszeichnete. Wir machen insgesamt weniger, um am Ende mehr Zeit in die Entwicklung des einzelnen Projekts stecken zu können. Wenn dir WTLW wichtig ist, schau bitte auf Ko-Fi vorbei und unterstütze uns mit ein paar monatlichen Euro. Du bist eine der Personen, die Welcome To Last Week in Zukunft auf feste finanzielle Stützen stellen kann. Danke, wenn du das auch bei weniger Content weiter machst. Unterstütze uns auf Instagram, Twitter und Discord, denn soziale Reichweite kreieren ist kostenlos, hilft aber gewaltig.

Fünf Jahre existiert Welcome To Last Week jetzt. Am 13. März 2022 hatten wir nicht einmal mehr Lust, unseren Geburtstag in irgendeiner Form zu adressieren. „Happy Birthday To Us!“ Unsere Reichweite ist in der Rezeption vielleicht nicht auf beiden Seiten gleich schnell gewachsen. Alle Redakteur_innen von Welcome To Last Week gehen anderen Erwerbstätigkeiten nach, um ihr Leben bestreiten zu können. Wir passen unser liebgewonnenes Projekt also vorerst an und justieren neu. Auf dass unsere Kreativität wieder auflebt und spannende, kritische, lustige und lesenswerte Artikel erschafft. Als was auch immer wir hier in ein paar Jahren stehen. Ob als Indie Game oder Indie Game Magazin. Wir brauchen wieder mehr von diesem einstigen „Wenn, dann das hier“-Funken, mehr Geschichtenerzähler_innen-Spirit. Wir sind nicht weg, wir fangen gerade erst an!

Auf die nächsten 5 Jahre Indie (Game) Magazin

Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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