POKÉMON GO vs. DEPRESSION

pokemon_go_logoPokémon Go: Gehypt, gehasst, verspottet, ignoriert und für nervig befunden. Die kleinen Monster standen im Fokus des letzten Monats. Doch selten bis gar nicht wurden positive Ansätze des Spiels in Berichten thematisiert. Unachtsamkeit, Server-Abstürze, schlechte Performance der App, Ruhestörungen, wirre Unfälle, Leichenfunde, Tierquälerei und grenzenloser Hass. Pokémon Go polarisiert nicht nur, dem Spiel schwappte eine riesengroße Welle Unverständnis entgegen. Gute Ansätze fehlten komplett. Als eher störend wurden wachsende Zahlen von Menschen, die auf Handys starren, empfunden. Doch hat Pokémon Go etwas, das dir tatsächlich helfen kann. Auch wenn du in deiner vorherigen Zeit nicht einmal ansatzweise etwas mit den kleinen Monstern anfangen konntest. Das Spiel entwickelt eine gewisse Eigendynamik, die einen kleinen Teil dazu beitragen kann, mit deinen Depressionen und/oder Panikattacken besser klarzukommen.

Wie es Torsten Sträter so schön auf den Punkt bringt, sind Depressionen kein Spaß, sondern eher „wie alle drei Teile Herr der Ringe, unter der Regie von Adam Sandler, mit Jean-Claude van Damme als Gandalf und der Musik von Andrea Berg.“ Unter diesen Umständen musst du deinen Alltag meistern. Einfachste Dinge erscheinen Unmöglich. Einen Spaziergang wagen und eventuell auf Menschen treffen schließt du komplett aus. In der größtmöglichen Ausdehnung dieser, ist für dich absolut nichts möglich. Eine Beschäftigung mit der Depression selber und wie du mit ihr und deiner Gedankenwelt arbeiten kannst, musst du lernen. Da helfen auch Pokémon nicht weiter. Doch wenn du den unglaublich kräftezehrenden Kampf aufgenommen hast und dich mit kleinen Schritten im gewaltigen Schneesturm nach vorne bewegst, kann dir Pokémon Go in Zusammenarbeit mit deinem Lieblingsmenschen eventuell helfen. Denn die App bietet zwei Aspekte, die dir gegenüber der Depression einen kleinen Vorteil verschaffen könnten. Pokémon, Pokéstops und Arenen sind nur draußen zu erreichen. Das Spiel fordert dich dazu auf, draußen herumzulaufen und belohnt dich dafür mit der Entdeckung von neuen Pokémon, dem ausbrüten der Eier und dem Erlangen weiterer Bälle und Items. Im Tief deiner Depression wird dir auch das egal sein. Aber wenn du bereits damit begonnen hast, dich nach vorne zu kämpfen, könnten der Drang deine Sammlung zu komplettieren und der Charme deines Lieblingsmenschen, ihn doch bitte nicht alleine draußen suchen zu lassen, entscheidende Faktoren sein. Ein tatsächlicher Grund wirklich rauszugehen. So, wie dir jeder Arzt einfach das rausgehen empfiehlt, um das glücklich machende Vitamin D zu sammeln, erscheint es verbunden mit Pokémon Go einfacher und tatsächlich einen Grund zu geben, dies zu tun.

 

 

Draußen angekommen, kommt der zweite Vorteil der App zum tragen. Der gebannte Blick auf dein Handy lenkt dich von Stressmomenten und Triggern für Panikattacken ab. Menschen, enge Gassen, Geräusche oder plötzlich auftauchende Situationen reißen dich nicht komplett aus der Bahn, sondern erscheinen erträglicher. Natürlich solltest du weiter auf deine Umgebung achten, aber die Freude über ein noch nicht gesehenes Pokémon, die erhaltenen Items am Pokéstop oder das Übernehmen einer Arena kann den kleinen Moment, der dich aus der Bahn werfen wird, überschatten. Die Fokussierung auf genau eine Tätigkeit, lässt andere Einflüsse schwinden und den Gang durch die Stadt leichter werden.

Depressionsfördernde Begleiterscheinungen der App, wie Bugs, Abstürze oder Server-Ausfälle wurden beseitigt und auch der schwindende Hype macht es dir wieder einfacher, mit Pokémon Go tatsächlich Spaß zu haben. Natürlich ist es nur eine Variante, die dir helfen kann deinen Alltag wieder einfacher zu gestalten. Doch Berichterstattungen sollten alle Aspekte eines Themas beleuchten und nicht bloß stupide auf den Hypetrain aufspringen. Pokémon Go kann helfen, muss aber trotzdem nicht das Richtige für dich sein. Bist du alleine unterwegs, funktionieren die positiven Aspekte vielleicht nicht in ihrer vollen Kraft, wie mit der Unterstützung eines weiteren begeisterten Menschen, aber sie funktionieren dennoch. Auch im Gespräch mit einem Psychologen wurden die Effekte der App durchaus als praktikabel und empfehlenswert eingestuft. Probiere es einfach aus, wenn du dich in der Verfassung fühlst, dies zu tun. Ansonsten sehe es einfach als Anreiz, dein ganz eigenes Pokémon Go zu finden.

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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