Musst du diese Say No! More Review wirklich lesen? – Nein! Solltest du diese Say No! More Review wirklich verpassen?
„Hast du mein Ladegerät eigentlich noch?“
„Nein!“
Moment, hatte das wirklich schon Auswirkungen auf mich? Seit gerade einmal fünf Minuten verfolge ich den Audiokurs, um besser und vor allem öfter Nein sagen zu können und schon kommt es zum ersten bestimmten Nein? Warum denke ich gerade überhaupt über dieses Nein so viel nach? Wieso schmunzle ich seit mehr als zehn Minuten? Mal abgesehen davon, dass es zu dieser Frage eigentlich gar keine andere Antwortmöglichkeit gab. Es war die Wahrheit. Ich hatte das Ladegerät meiner Mitbewohnerin einfach nicht. Doch dieser Moment, genau zu diesem Zeitpunkt eine Frage mit Nein beantworten zu können, einfach zu köstlich. Vielleicht hätte ich ohne diesen Kurs weniger bestimmt Nein gesagt oder noch eine Nettigkeit wie, „ich habe es in die Schublade zurückgelegt“, angehängt. Aber nein, es war ein kurzes, bestimmtes Nein! Und es fühlte sich gut an.
Nein zum flüchtigen Wortwitz
Und plötzlich kommt mir dieser Gedanke einfach weiterhin konsequent Nein zu sagen. Ich stelle mir vor, wie auf der WTLW-Homepage groß der Schriftzug Say No! More Review prangt und kurz dahinter ein einfaches: Nein! –> Wertung –> Infobox –> Ende. Schon wieder muss ich schmunzeln. Ich verbocke hier vermutlich gerade die Review des Jahres, aber was solls. In Say No! More geht es zwar darum mehr Nein! zu sagen, aber das Nein pauschal für alles einzusetzen, ist eigentlich genau nicht die Aussage von Studio Fizbins autodidaktischem Kurs. Es geht darum im richtigen Umfeld, zum richtigen Zeitpunkt Nein zu sagen, dir Dinge nicht ständig aufhalsen zu lassen, die nötige Wahrheit aussprechen zu können, um eventuelle Folgen zu vermeiden. Und genau in diesem gesellschaftlichen Umfeld, in dem wir uns akut befinden, ist es von Nöten, ein bestimmtes Nein! in mehreren Situation überhaupt erst einmal aussprechen zu können.
Also streiche ich die Review des Jahres schnell wieder aus meinem Kopf. Denn in Say No! More wartet der erste Tag meines Praktikums. Und wir alle wissen, Praktikum besteht vor allem aus Kaffee kochen, kopieren und Dinge erledigen, zu denen andere keine Lust haben. Achja und natürlich als Sammelobjekt für deinen Lebenslauf, um dich bei weiteren Jobs bewerben zu können, die du nicht machen willst. Praktikum, eine wundervolle Umschreibung für unbezahlte, ausbeuterische Beschäftigungstherapie. In diesem Großkonzern, in den ich da mit meine_r bunten Protagonist_in hineingeraten bin, ist Nein sagen verpönt. Ohne sich hier für alle Höhergestellten den Buckel krumm zu machen, hast du keine Chance. Doch eine mysteriöse Kassette, die ich hastig in meinen Walkman stecke, verrät mir die geheimnisvollen Kräfte des Neins! Eine gewitzte Intonation, gepaart mit den Möglichkeiten des körperlichen Ausdrucks, verspricht gnadenlosen Erfolg. Schluss mit dem Herumgedruckse, ich probiere es aus!
„Hey Praktikant, mach mir Kaffee“ – „Nööööö“
Während ich meine klangvoll ausgesprochene Variante des Neins in das Gesicht des Mitarbeitenden gleiten lasse, schaut mich dieser völlig entgeistert an. Von meinem grünen Dutt über den Schnurrbart zur Bluse bis hin zu den kurzen Hosen und den knöchelhohen Basketballstiefeln. Plötzlich erkennt er nur noch völlige Ablehnung. Ein zweites hitziges Nein! und er fliegt wirbelnd Richtung Wasserspender. Das tut gut. Vor allem weil dieser aufgesetzt freundliche Teamleiter einfach so meine Pausenbrotbox entführt hat. Das Drucksen weicht der Rage. Die Rage wird gefüllt von einem kräftigen Nein, mit dem ich mich jetzt so richtig durch die Gänge der Firma bis hin zur Chef_innen-Etage beiße. Nicht nur diese Firma hat das Gefühl für ein Nein verloren, wir alle haben es. Wir suchen elendige Ausflüchte oder sagen lieber gleich ja. Selbst in toxischen Umgebungen.
Wenn ich in Say No! More mit meinem Nein eine Schneise der Verwüstung in der Firma hinterlasse, bin ich frei! Keine vorherigen quälenden Nachdenk-Sessions, wie ich meinen Unmut nun am adäquatesten verpacke. Keine ungewollten Folgen, weil ich wieder einmal nicht das sagen konnte, was ich eigentlich sagen wollte. Einfach nur Nein! No! Nej! – oder welche Sprache du auch immer dafür benutzen willst. Nein zu sagen ist verdammt noch mal unglaublich schwer. Ständig achten wir darauf, Freund_innen und Familie eventuell nicht verletzen zu wollen. Wir wägen ab, ob ein Kompromiss nicht doch besser wäre. Menschen verschanzen sich hinter einem: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ und wir denken, „hm… ja… vielleicht hat er da Recht, das wird die Demokratie doch aushalten… ein Nein wäre da schon ziemlich hart.“ Nein, verdammt! Ein Nein ist in manchen Fällen eben die einzige Lösung!
Say No! More – Sage Nein nicht immer, aber immer öfter
Say No! More ist verdammt witzig, quietschbunt, wahnsinnig wohltuend und absolut nötig! Wenn wir es verlernt haben Nein zu sagen, muss eben ein overpowerter, Schnurrbart tragender Motivationstrainer aus den pixeligen 80ern her, um uns das Nein erneut anzutrainieren. Wir müssen toxische Umgebungen und halbgare Entscheidungen für unsere Umwelt nicht einfach so hinnehmen. Unsere Freund_innen, unser Umfeld und unser Planet haben von einem ehrlichen, bestimmten Nein im Zweifel immer mehr, als von einem halbgaren „ja, das geht so schon irgendwie!“
Genau das machen Studio Fizbin in knapp zwei Stunden – bei Benutzung einer einzigen Aktionstaste, innerhalb einer nicht binären, diversen Welt – auf äußerst humorvolle Art mehr als deutlich. Nie wieder ein ungewolltes „Ja, kann ich machen“, „Ich hab eigentlich noch… aber geht schon“ oder „ist nicht optimal, aber besser als nichts.“ Hier fliegen die Neins zu unausgegorenen, toxischen Fragen und nicht gewollten Aktionen ab jetzt in Bud Spencer– und Terence Hill-Manier durch den Raum. You can do it! Gibt es sonst noch etwas zu sagen? „Nein!“
8/10 🙅
Developer: Studio Fizbin
Publisher: Thunderful Publishing
Genre: NO!-Playing-Game (NPG)
Team: Marius Winter (Game Director, Writer), Nocolas Maierhöfer (Art Direction and Lead Game Designer), Kathrin Radtke (Lead Programmer), Tobias Frisch (Executive Producer), Brendon Gibbons (Writer), Alexander Pieper (CEO), Volker Biallowons (Game Designer), Roman Gonzo (Game Artist), Sophie Herrmann (Game Artist)
Musik: Julie Buchanan (+Sound)
Veröffentlichung: 9. April 2021 (Steam, Switch, iOS)
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.