3 out of 10 Review | Unnötige Interaktivität

Eine animierte Sitcom die du spielen kannst? In fünf Episoden will sich 3 out of 10 dem Developeralltag nähern.  

„Hahahaha…!“ Wir kennen dieses eingespielte Lachen vom Band, das mal stärker, mal abgeschwächt die Handlungen und Aussagen der Charaktere unterstützt. Sitcoms besitzen eine feste Abfolge und Struktur, damit ihr Konzept überhaupt funktionieren kann. Zwar werden seit längerer Zeit Handlungsstränge zunehmend auch ernsteren Themen überlassen, doch eine Konstante ist geblieben. Die ständige, schnelle Abfolge von Gags, Pointen und komischen Momenten. Die ist auch bitter nötig, um erstens nicht zündende Lacher fast schon fluchtartig ausgleichen zu können und zweitens das Unterhaltungslevel innerhalb der 20-30 minütigen, abgeschlossenen Episoden so hoch wie möglich zu halten.

Terrible Posture Games haben dieses enge Korsett nun in das Medium Videospiel entführt und erlauben es dir, in die erste animierte Videospiel-Sitcom interaktiv eingreifen zu können. Doch nicht innerhalb der Story, wie du es von narrativen Spielen gewohnt bist. Nein, Minigames sollen die Situationskomik der Handlung in 3 out of 10 witzig und absurd gestalten. Ganz ohne eingespielte Lacher.

Das schlechteste Developer Studio der Welt

Shovelworks haben noch nie ein Spiel gemacht, das in den Kritiken mehr als die mickrigen 3 von 10 Punkten, Sternen oder Herzen herausholen konnte. Nun arbeiten sie an ihrem neuen Titel Surfing with Sharks. Doch auch diese Produktion bleibt nicht ohne die üblichen Begleiterscheinungen einer Spieleentwicklung. Und da sie zur Zeit eine_n Animator in ihrem Team schmerzlich vermissen, passt es doch ganz gut, dass Midge Potter gerade reinspaziert kommt, um sich zu bewerben. Ohne dass sie ihre Bewerbungsunterlagen jemals aus der Tasche geholt, geschweige denn ein Gespräch mit jemanden hatte, wird sie als neuer Lead Animator eingestellt. So kann sie auch gleich die aufgebrachte Menge vor dem Studio beruhigen, die mal wieder gegen abermalige Änderungen im Spiel auf die Barrikaden geht. Immerhin droht mit dem neuerlichen Skandal eine prognostizierte Wertung von 2 von 10. Das wäre selbst für Shovelworks zu viel des gu… äh schlechten.

Terrible Posture Games sammeln für ihre fünfteilige Videospiel-Sitcom sämtliche Thematiken der Games-Branche ein und platzieren sie in ihrer kleinen bunten Welt des schlechtesten Gamestudios der Welt. Toxische Fangemeinden und Arbeitsumgebungen, Überstunden, schlechte Bezahlung, die Ausnutzung von Praktikumsstellen, schlechte Bildungssysteme, starre Hierarchien, Korruption, künstlerische Freiheit und markttechnische Auflagen. Dazu gesellt sich die Situationskomik innerhalb der Bürogemeinschaft. Was mich innerhalb der ersten Minuten noch mit Interesse füllt, wird spätestens, wenn der erste interaktive Part bevorsteht, völlig über Bord geworfen. Denn nach ein paar passiven, nett animierten Einspielerminuten ist es Zeit für Aufgaben oder Minigames. 3 out of 10 produziert wie auf Knopfdruck verschiedenste kurze Spiele, die die vorher gezeigte Situation aufgreifen und zu einem Minigame umfunktionieren. Eine Hommage an die Videospielgeschichte sollte es mit seiner Genrevielfalt werden. Was es wirklich ist, steht dem Schaffen des fiktiven Entwicklers Shovelworks in nichts nach.

3 out of 10? Ganz schön hochgegriffen…

Das Spiel innerhalb einer sehr passiven Erfahrung sollte möglichst einfach zu bewältigen sein, damit es Spielenden zum einen nicht vor den Kopf stößt und zum anderen den Flow der Episode nicht stört. Doch die kurzen Scharmützel sind oftmals zu sperrig, kaum nennenswert, inkonsequent und vor allem mäßig bis schlecht ausgearbeitet. Keine der vielen kleinen Erfahrungen innerhalb der Episoden bleibt mir im Schädel. Wenn, dann nur dadurch, die eigentliche Episode massiv gestört zu haben. Zwar können diese Spiele zu jeder Zeit abgebrochen werden, es stellt sich dann aber erst recht die Frage, wozu sie überhaupt da sind? Zur Handlung, dem besserem Verständnis der Situation oder als tieferes Eintauchen in diese funktionieren sie wirklich nie. Dort wo 3 out of 10 seine Interaktivität als Videospiel feiern könnte, zerrt es massiv an der eigens auferlegten Struktur der Sitcom, die fehlende Kontinuität mit Desinteresse abstraft.

Lediglich die Erledigung von Aufgaben, in denen ich als Midge mit den Mitarbeiter_innen des Studios in Kontakt komme und die detailliert gestaltete Umgebung etwas besser kennenlerne, unterstützt, zumindest in manchen Situationen, das tiefere Eintauchen. Wäre da nicht die wirklich niedrige Bildrate in Kombination mit der 2D Figur innerhalb einer 3D Umgebung, die das Erkunden zum Übelkeitsfaktor erhebt. So agiert die interaktive Ebene in Terrible Posture Games Sitcom ohne stimmige Beziehung innerhalb des sonstigen Geschehens. Absurde, skurrile Momente des Bürolebens, Sonderheiten des Developeralltags oder pointierte Situationskomik vertiefen sich hier nicht nur nicht, sie finden niemals statt. Eine völlig losgelöste Hetzjagd nach dem Highscore, bedingt durch die vorherige Situation, die aber auch einfach beendet werden kann. Bedeutungsloser kann das einzige Spielelement kaum in eine Spielerfahrung eingreifen.

3 0ut of 10 ist eine Kreuzung der Kreuzung wegen

Auch wenn 3 out of 10 versucht viel von den kritschen Themen innerhalb der Developerszene und Umgebung humoristisch aufzugreifen. Es fehlt einfach der Biss und die Zeit, um alle Elemente innerhalb der storytechnisch abgeschlossenen Episoden nennenswert zu platzieren. Einzig der Fokus auf die Game-Design Schule in Episode 2 und der zu Anfang eingeworfene sprunghafte Anpassungsdrang von Studiobossen und die damit einhergehenden Folgen konnten bei mir etwas Nachhaltigkeit generieren. Nie werde ich aber das Gefühl los, dass die Entwickler_innen sich mit dieser Art der Interaktivität keinen großen Gefallen getan haben. Die Videospiel-Sitcom bricht mit dem nötigen Gag-Flow ohne auch nur annähernd etwas Nennenswertes hinzuzufügen. Mit einem Arschtritt wirst du aus der Storyline gekickt, um mal kurz das nächste bedeutungslose Minigame einzuschmeißen. Wirklich immer stellt sich mir genau eine Frage: Für wen soll diese krampfhafte Zusammenführung sein, wenn für niemanden eine der zusammengefügten Seiten oder der Zusammenschluss selbst eine Bereicherung darstellt?

Wenn du die Sitcom genießen willst, nerven die ständigen Minigames. Wenn du spielerische Herausforderung suchst, können sie technisch nicht mithalten. Die sogenannte Symbiose aus Videospiel und Sitcom funktioniert nicht. Zumindest nicht in dieser Form, in der sie immer wieder zwanghaft mit der etablierten Gag-Dichte bricht. Wofür überhaupt krampfhaft anders sein wollen, wenn dadurch wirklich jeglicher Fokus verloren geht? Jegliches Interesse baden geht? Warum unbedingt etwas verbinden wollen, wenn hier eine wirklich großartig animierte Serie schlummert, die durch ihre zentrierte Ausrichtung Themen Zeit und Raum geben könnte? Allein der Kreuzung wegen? Die Interaktivität schränkt ihr Potenzial massiv ein, hält sie gar zurück. Terrible Posture Games, zeigt Mut, verwerft die Interaktivität und entwickelt mit der zweiten Staffel 3 out of 10 eine klassisch animierte Netzserie. Erst dann kann sich eure Idee entfalten. Erst dann wird der bereits angedeutete Biss zuschnappen.

3/10 😒

Developer/Publisher: Terrible Posture Games
Genre: Minigame-Sammlung, interaktive Sitcom
Veröffentlichung: 6. August 2020 bis 3. September 2020 in fünf Episoden, an jeden Donnerstag veröffentlicht (Epic Games Store / kostenlos)

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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