Desert Child Review | Chillen mit Ramen, Pizza, Bohnen und Hoverbikes

Rennspiele sind von der Struktur immer gleich. Du fängst klein an und arbeitest dich bis zur Elite hoch. Desert Child macht in dem Fall absolut nichts anders und ist trotzdem einzigartig, denn der Durst des Racing-RPGs nach purer Entspannung scheint groß.

Immer diese Hektik. Rein in das Renngefährt. Mit Hochgeschwindigkeit ein paar Runden gedreht, als Erste_r die Zielflagge fokussieren, Prämien und Champagnerdusche entgegennehmen, verdientes Geld in Upgrades und stärkere Fahrzeuge stecken und dann alles wieder von vorne. Doch was fängt der gehetzte rennfahrende Mensch eigentlich mit der Zeit dazwischen an? Wie sieht dein Leben aus, wenn du gerade erst mit dem Rennenfahren anfängst und ständig Startgelder, Teile, Miete, Essen und Reparaturen bezahlen musst?

Bloß runter von der Erde!

In Desert Child bist du ein ziemlich talentierter, aber völlig abgebrannter junger Rennfahrer. Über illegale Hoverbike Rennen versuchst du an Geld zu kommen, um das Ticket für die Reise zum Mars finanzieren zu können. Der Ort an dem das größte Rennen des Universums stattfindet, der Hoverbike Grand Prix. Doch das Flugticket ist teuer und das Startgeld für den Grand Prix nahezu unerreichbar. Ständig ist dein Hoverbike kaputt, braucht neue Teile und Upgrades. Da tritt dein Heißhunger auf Ramen, Nudeln, Pizza und Bohnen nicht gerade positiv in Erscheinung. Um das Geld zusammenzusammeln reichen illegale Rennen irgendwann nicht mehr aus. Zudem ist das Marsleben zwar fetzig aber unglaublich kostspielig. Ständig locken Cafés, Marktstände, Restaurants, Lebenstipps, Tageszeitungen, Personenschutz, fancy Cocktails, Drinks mit zwielichtigen Gestalten und bunte Leuchttafeln in der von Cowboy Beebop, Akira und Redline inspirierten Welt. Deine Bank hast du nur einmal gesehen, um wenigstens ein wenig Geld auf das Sparkonto zu bringen. Seitdem wandern deine verdienten Kröten vom Erhalt nach dem Rennen direkt in das wirre Wirtschaftssystem des Mars. Und deine Plattensammlung musst du ja auch noch vervollständigen.

Da geht es nicht anders, da musst du neben den Hoverbike-Rennen eben noch zusätzliche Jobs annehmen oder ein paar unkonventionelle Umwege in Kauf nehmen. Pizza ausfahren, Sicherheitssysteme und Tresore hacken, gesuchte Verbrecher jagen und selber zum Gangster werden, in dem du einfach mal die benötigten Teile vom rumstehenden Hoverbike abmontierst.

Chillzone

Desert Child klingt bei der Vielzahl an Aktivitäten vielleicht stressig, wird es aber nie. Genau das suggeriert auch die Gamerscore Liste und das Cover-Artwork. Das Spiel durchspielen? Ein Punkt geht auf dein Gamerscore Konto. Eine Stunde auf deinem Hoverbike chillen und die tollen, eigens komponierten Hip Hop und Rap Tracks entspannt genießen? Ganze 100 Punkte werden deinem Konto zugeschrieben. Desert Child ist pure Entspannung. Es ist ein Genuss durch die vielseitige Pixelstadt auf dem Mars zu laufen, die so viele Perspektiven bietet, so großartig gestaltete Szenerien bereithält. Da vergisst du nahezu, dass du ja eigentlich wegen der Rennen gekommen bist.

 

Die Rennen in Desert Child sind ein Mix aus Horizontal-Shoot’em’Up, Stampede für den Atari und Excite Bike. In 2D Optik kannst du mit deinen integrierten Waffen auf Bonusobjekte schießen, Hindernissen ausweichen, Turbos zünden und deinen Gegner abhängen oder rammen. Kurze Rennen über eine knappe Minute, die schnelles Reaktionsvermögen von dir verlangen und eine gewisse Einprägung der Abläufe. Je besser du da durch kommst, desto mehr verdienst du. Oft crashst du auch einfach nur dein Bike, so dass es nachher rauchend in der Stadt steht. Die Nebenjobs laufen ähnlich ab. Mit Pizza auf Passanten werfen, den Verbrecher abschießen oder Windows Zeichen abknallen, um das System zu hacken.

Desert Child ist, ein Spiel zum Verweilen und zum abschalten. In Oscar Brittains vielfältigem Pixelkunstwerk – das stark von seinem Design-Studium inspiriert wurde – geht es nicht um möglichst schnellen Ruhm. Es geht um den Genuss. Deshalb besitzt das Essen auch so eine große Bedeutung im Spiel. Desert Child lädt zum Verweilen ein. Es will dir das Rumhängen schmackhaft machen, dir Entspannung in einer anderen Welt bieten. Desert Child ist eine Ode an die Zeitverschwendung. Vermutlich wirst du niemals auch nur annähernd das Startgeld für den Hoverbike Grand Prix zusammenbekommen. Aber das ist auch absolut okay.

Der Australier Oscar Brittain hat das Spiel nicht designt, um zum Ende zu hetzen. Desert Child startest du nach einem stressigen Tag, um runterzukommen, um dich von der grandiosen Musik beschallen zu lassen, um die großartige Kunst zu betrachten, die großflächigen, detaillierten Pixelflächen und schlauen Kameraperspektiven. Du startest Desert Child, um einen außergewöhnlichen Blick auf die Gestaltung von Rennen zu bekommen, nicht um Rennen zu fahren. Um mal flott ein paar Kröten zusammenzutragen, damit die nächste Nudel-Portion gesichert ist. Desert Child ist kein komplexes Spiel, aber eins mit Style und Seele. Oscar Brittains Desert Child ist zum Abschalten, um dem Genuss zu frönen und ein wenig umherzurasen.

8/10 <3

Diese Review wurde in ihrer Kreativität vom Desert Child Soundtrack gefördert. Zudem gingen 100 Chillpunkte auf das Gamerscore-Konto der Autorin.

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=h_g2ikGNTjM&w=560&h=315]

Developer: Oscar Brittain
Publisher: Akupara Games
Team: Oscar Brittain
Musik: Ocar Brittain, Mega Ran, SIXIXIX, Girlfriend Material, People Like Us,
Veröffentlichung: 11. Dezember 2018 (Steam, Xbox One, PS4, Switch, Game Jolt, Gog, Green Man Gaming)

Autorin: Benja Hiller
Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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