Deponia Doomsday Review | Im Raum der Zeit falsch abgebogen

Ein völlig vermüllter Planet. Welch Potential allein in diesem Szenario steckt. Doch Daedalic weiß nichts damit anzufangen, verliert sich in Raum und Zeit und lässt den im Flüchten oder wahlweise Retten begriffenen „Anti-Helden“ Rufus einen endlosen Herrenwitz zelebrieren… zum vierten Mal!

Es ist erstaunlich in welcher kurzen Zeitspanne ein Gehirn manche Informationen als wenig relevant aus dem Gedächtnis streicht und andere als durchaus brauchbar bewertet. So ereignete es sich, dass mein Deponia Spielerlebnis des ersten Teils vom Ende des Jahres 2016 unter durchaus ganz nett angesiedelt war. Und vielleicht war es das sogar. In meinen grauen Zellen wurde das zumeist liebevolle Art-Design und die kleinen visuellen Details hervorgehoben, während andere Informationen vage formuliert oder komplett gestrichen wurden. Mit dem positiv bereinigten soliden Bild eines Point-and-Click Adventures im Kopf, machte sich meine Konsumlust auf den Weg, weitere Teile der Reihe in die Sammlung zu stellen. Natürlich sagte es auch nicht Nein, als die PR-Agentur Daedalics ein Rezensionsexemplar des letzten Teils, Deponia Doomsday, anbot. Gut, dachte ich mir, wollte ich ja eh noch alle spielen. Dann wird es jetzt aber auch Zeit.

Und so machte ich mich auf eine zusammengepresste Kompaktreise durch die wirre Deponia Welt, in der ich innerhalb weniger Tage alle fehlenden drei Teile durchspielte. Zusammengerechnet über 30 Stunden Spielzeit, wobei ich Chaos auf Deponia und Goodbye Deponia mal eben an einem Wochenende runterratterte. Zu viel für meinen Kopf, zu viel für mein Wohlbefinden. Deponia vernebelte meine Gedanken, verscheuchte die Motivation und schloss die Kreativität in einem Rätsel aus klebrigen Wachs, gepaart mit Autoreifen, Antennen und Strohmumkehrern ein. Erschöpft fiel ich mit Kopfschmerzen ins Bett und konnte doch nicht schlafen. Immer wieder wachte ich schweißgebadet auf, wenn ich gerade mal wieder ein Schnabeltier mit Nougatcreme bestrich, damit es von einem Fisch gefressen werden kann, der dann an meinem integrierten Rohrwuppicher festhing, damit ich ihn zum örtlichen Vollpfosten tragen konnte, nur um diesen dazu zu überreden, dem deformierten Bürgermeister von Schwappelwapp eine zynische Ode an die Erdnussbutter singen zu lassen. Mein Kopf war überfüttert mit Nonsens, Zoten, wirren Rätseln und Aneinanderkettungen von Täuschen. Aber von vorn.

Ganz schön viel Müll

Deponia ist ein Planet, der im Schrott versinkt. Irgendwann waren den Menschen die Lebensumstände zu unangenehm und sie erschafften das Raumschiff Elysium, um nach Utopia zu fliehen. Die Reise fand nie statt. Die Jahre verstrichen bis Elysium selbst zur Stadt im Himmel wurde und niemand mehr wusste, ob Deponia überhaupt noch bewohnt war. Doch auf dem Berg aus Müll haben es sich viele Individuen in ihrem Lebensalltag eingerichtet.

Einer von ihnen ist der tollpatschige, eigensinnige Rufus, der ebenfalls von Deponia verschwinden will, um in Elysium ein besseres Leben zu beginnen. Doch wie das Schicksal immer so spielt, fällt einem eine Frau namens Goal (Ja, die heißt wirklich so als wäre sie Teil eines übergeordneten Ziels und eine Art Beute) vor die Füße und schon findest du dich in einem wilden Abenteuer um die Rettung von Deponia wieder. Und das inzwischen im vierten Teil.

Bei so vielen Teilen hatte ich mich auf reichlich Geschichte eingerichtet, die eventuell auch etwas zum Müllproblem in sozialkritischer Form beizutragen hatte. Mit dem geradegerückten Bild vom ersten Teil im Kopf, startete ich Chaos auf Deponia – ein Spiel, das zu seinem ersten Erscheinen auf dem PC im Oktober 2012 einen Schwung Preise einstreichen konnte. Vor allem aus deutschen Landen kamen die Auszeichnungen zum besten Adventure, zum besten Jugendspiel und zum besten Familienspiel beim Deutschen Entwicklerpreis 2012. Zudem gab es die Auszeichnung als bestes deutsches Spiel auf dem Deutschen Computerspielpreis 2013.

Einmal Mehr bitte!

Die Welt von Deponia war noch immer liebevoll gestaltet, doch schnell drängten pochende Erinnerungen zurück. Protagonist Rufus ist nicht nur tollpatschig und eigensinnig, sondern auch äußerst skrupellos, penetrant und rücksichtslos. Immer wieder sind Beleidigungen und Verletzungen Teil seiner Konversationen. All seine Handlungen enden zumeist im Desaster der Gegenseite während sein Weg oft ungehindert weiterverfolgt werden kann oder sich eine andere Eventualität eröffnet.

Die eigentliche Geschichte rückt zugunsten von wirren Gegestandskombinationen und Rätseln ohne Fokus in den Hintergrund. In der Deponia Reihe steht nicht die Story im Mittelpunkt, sondern die endlose Aneinanderreihung möglichst absurder Verknüpfungen skruriller Gegenstände, weshalb ich aus zielstrebigen Gründen direkt mit kompletten Walkthrough weiterspiele, um dem puren Frust zu entkommen. Diese Vorgehensweise offenbart natürlich noch viel klarer die fehlenden narrativen Elemente, die sich auf wenigen Stützen befinden, nur durch absurde Rätsel in die Länge gezogen werden und durch eingestreute Hussa-Gesänge irgendwie zusammengehalten werden.

Genau dieser Umstand zieht sich durch die ganze Reihe. Daedalic aus Hamburg schreiben es sogar jedes mal auf die Rückseite der Verpackung. Mehr Chaos, mehr Zerstörung, mehr Rufus, alles kurioser und abgedrehter. Vielleicht war das am Anfang tatsächlich noch nicht so schlimm. Ich weiß es nicht mehr. Immer mehr von allem und am liebsten noch skurriler. Aufblasen was es aufzublasen gibt. Als wäre das vermittelte durchweg sexistische Frauenbild nicht schon genug. Wenn denn überhaupt mal Frauen auftauchen, sind sie zu zumeist von Klischees überhäuft, sexualisiert, wenig gebildet und nicht Eigenständig. In Chaos auf Deponia mündet das in einer dreigeteilten Goal, die aus Baby Goal, Lady Goal und Krawall-Goal besteht. Eine weibliche Person kann also ganz einfach in drei schlichte Varianten der Persönlichkeit aufgeteilt werden. Die eine will verführt werden, die andere ist total naiv und die dritte nur auf Stunk aus.

Gut, dass dieses Spiel als bestes Jugend und Familienspiel ausgezeichnet wurde. Bleiben diese sexistischen Gesellschaftsauswüchse und Machtstrukturen wenigstens Standard. Achso Deponia, das war Ironie. Du weißt ja nicht so genau, wie du das verdeutlichst. Da passt es doch, dass die ganze Deponia Reihe in Deutschland ab sechs Jahren verfügbar ist. Im Rest von Europa aber erst ab 12. Die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Medien hat hier wohl ganz genau hingesehen… äh? Meine Lust auf Deponia schwand, aber ich dachte, vielleicht geht dieses Verhalten mit der Zeit, wenn Daedalic mit der Zeit geht.

Angestaubt

Doch es wurde nicht besser. Das „Mehr“ auf der Verpackung steht vor allem dafür mehr anzuecken, den sogenannten speziellen Humor zu strapazieren und zu bedienen, die Zote und den Herrenwitz. Danach können die Handlungen schön auf den Protagonisten Rufus abgewälzt werden, denn der ist ja nun mal so wie er eben ist.

Der dritte Teil Goodbye Deponia zeigt dann wieder einmal ziemlich schnell, warum er existiert. Nicht, um etwas sinnvolles zur Story beizutragen, sondern um Rufus möglichst abartig agieren zu lassen. Waren seine tollpatschigen Slapstick Einlagen noch irgendwo ganz witzig, verliert er sich nun völlig in Diskriminierungen jeglicher Art. Nahezu jeder Witz wurde auf das Herausstellen nicht normgerechter Körper ausgelegt. Frauen haben  laut Deponia offensichtlich gerade ihre Periode, wenn sie auf Charaktere „seltsam“ wirken. Diesen Satz haut nicht mal Rufus raus. Zum Ende hin verkauft Rufus eine schwarze Frau an einen Leiherkastenspieler, der sie wiederum als tanzendes „Äffchen“ einsetzt, bis sie sich freikaufen kann. Übrigens nahezu die einzige Integration von schwarzen Menschen innerhalb Deponias.

Deponia_Affe

Zusätzlich wird über phsychische Krankheiten hergezogen und wenn sich die Möglichkeit offenbart, dass Rufus drei kleine Kinder in die Hütte eines offensichtlichen Pädophilen schicken kann, wird die natürlich wahrgenommen. Nur damit Rufus höchstpersönlich später einen Penisabdruck des Pädophilen machen und diesen als Tattoo Vorschlag einer Frau mit transsexuellem Hintergrund unterbreiten kann.

Bei der Häufung an offensichtlichen Diskriminierungen ist meine Lust auf den vierten Teil zügig in den Zug gestiegen und ausgewandert. Ich startete Recherchen und suchte nach Artikeln, die auf diese Szenen hinweisen. Ich fand… nichts! Bis auf einen einzigen Artikel von unseren britischen Kolleg_innen bei Rock Paper Shotgun, der ebenfalls auf die diskriminierende, sexistische und rassistische Art des Spiels aufmerksam macht, die manche der folgenden Kommentator_innen auf die Englische Übersetzung schieben. Nein, die ist es offensichtlich nicht! Es machte mich wütend, wie stark verbreitet und verankert Diskriminierung, struktureller Rassismus und Alltagssexismus in unserer Gesellschaft sind, wenn nur einem Magazin aus England dieser Umstand auffällt. Aus Deutschland gab es zumeist… Applaus und Höchstnoten mit kleinen Kritikpunkten, die auf Rätsellogik und den Humor, der nicht für jedermann zu sein scheint, hinweisen. Wieder einmal konnte ich nicht schlafen.

Der ist halt so!

Ja, Rufus ist in seiner Persönlichkeit absolut ekelhaft angelegt, seine Aktionen vielleicht vor dem Hintergrund dieser, mit viel Wohlwollen, nachvollziehbar. Aber seine Aktionen sind vor allem eines: völlig unkommentiert, wenig ironisch zu lesen und niemals kritisiert. Du kannst solch Charaktere in Medien integrieren, wenn sie zum einen Kritik erfahren oder die schrecklichen Auswirkungen ihrer Taten sichtbar werden. Doch Rufus hat all das nicht zu fürchten. Genau wie all seine anderen fröhlich diskriminierenden Kollegen innerhalb der Spielwelt Deponias, denn dieses Problem ist nicht alleine Rufus‘. Das Ziel der Integration dieser ist allein der „Witz“, der auch mal „unter die Gürtellinie“ gehen soll. Eine Figur wie Stromberg funktioniert auch deshalb, weil die Auswirkungen seiner Handlungen immer sichtbar sind und er die Konsequenzen zu tragen hat. Dafür reicht die Einblendung der Mimik einer am Rande beteiligten Person. Rufus aber erfährt keine Konsequenzen. Seine unkommentierte und niemals kritisierte Erscheinung – der schroffe „Anti-Held“ – wird trotz alledem zumeist liebevoll, fröhlich und positiv dargestellt, weswegen eine Distanzierung seiner Taten nicht funktioniert und die Konsequenzen seiner Handlungen stets den Sinn als witziges Beiwerk der Geschichte oder Szenerie erfüllen. Egal in welcher Form sie erscheinen. Lediglich seltene Reaktionen auf sein egoistisches Verhalten, die einhergehende Enttäuschung und dessen Folgen werden von beteiligten Personen (zumeist Goal) angesprochen.

Somit ist die selbsternannte Definition als Anti-Held doch arg verzogen. Der Anti-Held besitzt ein kritisches Bild der Gesellschaft und erscheint oft als gebildet. Rufus besitzt kein kritisches Bild der Gesellschaft, das irgendwann mal dargelegt wird oder einen höheren Plan, der zum Wohle dieser verfolgt wird, denn Rufus handelt zumeist eigensinnig. Er ist ein positiv gestimmter, rücksichtsloser Zeitgenosse. Einer, der trotz seiner drastischen Taten sympathisch daher kommt. Nicht einer, der durch sein Scheitern und seine Persönlichkeit definiert wird und trotzdem gute Absichten besitzt. Die besitzt Rufus nicht. Rufus ist totalitär egoistisch.

Ich möchte Daedalic keine Absicht in ihrem Schaffen und dessen Auswirkungen unterstellen. Gerade 2012, kurz vor der #aufschrei Kampagne, war diese gesellschaftliche Struktur ziemlich unsichtbar und nahezu niemals kritisiert. Gerade im Bereich der Videospiele. Vor allem ist es aber schade, um die eigentlich kreative Welt von Deponia, die mit so viel Inhalt hätte gefüllt werden können. Die in guten Phasen nicht nur von ihrer selbstgezeichneten visuellen Erscheinung profitiert, sondern ebenfalls immer mal wieder durch popkulturelle Verweise und wirklich witzigen klassischen Slapstick positiv auffällt. Vielleicht war es all das, was mich eventuell positiver stimmte, doch noch den letzten Teil der Reihe zu beginnen. Oder die anderen, positiveren Beispiele des Daedalic Publishingkataloges.

Nach drei Jahren Deponia Pause entschied sich Daedalic dann also doch noch für einen weiteren Teil der Reihe. Warum auch nicht, wurde es doch größtenteils gut angenommen. Deponia Doomsday ist zuerst 2016 erschienen. Dank abermals positiver Kritiken ist es seit einem Monat ebenfalls auf der Konsolengeneration um PS4, Xbox One und Switch spielbar.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Rufus erwacht aus einem tiefen Schlaf, der im Traum einiges zu bieten hatte. Flucht von Deponia, Rettung von Deponia, die Begegnung mit Goal, eine Widerstandskämpferbewegung und ganz viel Chaos. Als Rufus auf einen Zeitreisenden trifft, bemerkt er, dass das vielleicht doch alles kein Traum war. Die Geschichte um die Rettung von Deponia startet erneut. Nur mit viel mehr Zeitreisen, Portalen und Chaos.

Daedalic implantieren in Deponia Doomsday einen weiteren Erzählungsstrang innerhalb der eigentlichen Erzählung. Doch anstatt mit bedacht einen spannenden Bogen wie in Zurück in die Zukunft zu spannen, verbreiten sie mit Zeitschleifen und sich immerzu wiederholenden Sequenzen nun endgültige Verwirrung. Sie verdammen ihre eigentliche Trilogie zur völligen Irrelevanz.

Zwischen noch absurderen Rätseln erscheinen immer wieder belanglose Minigames und endlos wirkende Gegenstandssammelpassagen, weswegen sich bei 12-20 Stunden Spielzeit jedes hin- und herrennen innerhalb der Welt zieht wie die Antenne an der Rufus hängt, bevor sie abreißt. Rätsel, die wenig offensichtlich erscheinen und sich nur durch Zufall entfalten. Der Sinn der erneuten Aufnahme der Geschichte um den Müllplaneten verkommt abermals zum schieren wahllosen Kombinationsfetisch. Das mag für manche vielleicht das exemplarische Zuckerstück und die pure Freiheit der Möglichkeiten innerhalb eines Point-and-Click Adventures sein, bringt Story und Plausibilität aber nur bedingt nach vorne. Wenn in Deponia genauso viel Liebe in die Gestaltung der Geschichte und in die Tiefe der Charaktere gesteckt werden würde, wie in die eigentliche Produktion, das Art-Designs und die Kreation diffamierender Handlungen, würde die gesamte Deponia Reihe profitieren.

Warum wurde ausgerechnet ein Müllplanet als Schauplatz gewählt? Offensichtlich dient dieser lediglich zur Beschaffung der absurden Gegenstände, wie Stromumkehrer und allerhand anderem technischem Schrott. Das Alibi zur Hortung von Tinnef im Inventar. Sozialkritische Ansätze? Gesellschaftliche Vergleiche? Witzige, erhellende Herkunftsanekdoten? Für die Zukunft relevante Theorien verschiedener vermüllter Szenarien? Nö, alles nicht vorhanden und schon gar nicht wichtig für die eigentliche Auslegung von Deponia Doomsday und dessen Vorgänger.

Und doch, gerade mit dem Auftauchen der Goal aus dem Zukunftshandlungsstrang bekommst du ein wenig Hoffnung. Hoffnung, die auch im Trailer verbreitet wird. Sie scheint eigenständiger, unabhängiger und schlagfertiger als jede vergangene Goal-Version. Doch der kleine Hoffnungsschimmer ist genauso schnell weg wie Goal mit ihrer Zeitmaschine. Die Hoffnung wird von Diskriminierungen im Bezug auf Körpermerkmale und Sexismus abermals im Keim erstickt. Anstatt die seltenen humoristischen Einlagen auf Wissenschaft, Popkultur und Technik auszubauen oder den klassischen Slapstick zu bemühen, gehen Daedalic wieder einmal den einfachen Weg. Witze auf Kosten anderer. Es wiederholt sich ständig. Eindimensionale, klischeebehaftete weibliche Charaktere. Aussagen wie „Frauen wollen gedrängt werden!“ treffen auf ein Ablenkungsmanöver, das durch das Zeigen der Brüste durchgeführt wird. Völlig unbedarft, als gäbe es nichts Effektiveres und vor allem eleganteres, weniger klischeebehafteteres als das.

Witze auf Kosten der Gesichtsform, der Größe und der Ausmaße. Dazu Genitalismus als quasi Herabwürdigung. Wird ein Mann von einer Frau verprügelt und seine primären Geschlechtsteile erfahren eine Schädigung, wird er, na klar, zur Frau. Aus Lotto wird Lotti weil er ja nun keine Männlichkeit mehr besitzt. Und so langsam kommt mir dieser Artikel vor wie eine ebenso endlose Zeitschleife wie sie Deponia darstellt. Die immer währende Wiederholung der Achtsamkeit. Lost in Space! Nach über drei Wochen der Beschäftigung mit Deponia braucht es endlich einen Abschluss.

Verpasste Chance

In seinen besten Phasen ist Deponia Doomsday, wie auch die Vorgänger, ein durchaus solides Point-and-Click Adventure, das vor allem durch das liebevolle, detailreiche Art-Design, die technisch gute Produktion und das solide Sound-Design auffällt. In ganz gelungenen Phasen, streut es kleinste, schlaue popkulturelle oder wissenschaftliche Verweise. Es zeigt aufmerksame Details wie den DeLorean als Deko innerhalb einer Stadt zwischen den Zeiten.

Doch viel zu oft ist Deponia Doomsday abermals eine einfache Verkettung wirrer Rätsel, die mit der Brechstange als die chaotischste Hyperpel im Dinge kombinieren gelten will. Dieser Umstand würde Deponia nicht gleich zu einem Spiel werden lassen, das vermieden werden sollte. Es wäre viel mehr eine Gewichtung von Vorlieben. Wenn du Spaß daran hast, innerhalb eines Adventures die wildesten Kombinationen auszutesten und Story für dich eher zweitrangig erscheint, kann Deponia durchaus geeignet sein. Was Deponia aber als moderne Abenteuer Alternative disqualifiziert, ist die stets verletzende, sexistische und diskriminierende Art in der das Spiel auftritt, ohne dabei drastische Auswirkungen, Konsequenzen oder Kritiken zu integrieren. Aber immerhin ist ein wenig Besserung zum Vorgänger zu erkennen. Das mühsame Eichhörnchen.
In einem PinkStinks Beitrag zum Thema Rassismus bemerkte ich zufällig zwischen meinen Recherchen eine Passage, die nicht nur im Hinblick auf Rassismus äußerst passend erscheint. „Kann die dargestellte Person über den Witz mitlachen? Nein? Ist die Person strukturell in unserem Land diskriminiert? Ja? Dann lieber lassen!“ Oder um es mit der einfachen Variante eines verbreiteten Sprichworts zu sagen „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“

Das mag zum Charakter eines Rufus natürlich nicht passen. Zudem kann ich die Auslegung des Rufus in Teilen nachvollziehen, aber wenn seinen Taten und Handlungen absolut nichts entgegengesetzt wird oder eine Art gewollte Ironie niemals den Rezipienten erreicht, wird das Gezeigte zur Verherrlichung und Reproduktion, eine unbewusste Verfestigung diskriminierender Gesellschaftsstrukturen.

Ich möchte Daedalic noch immer keine Absicht in ihrer immer wieder diskriminierenden Zeichnung der Deponia-Reihe unterstellen. Lediglich die bewusste Reflexion kann eine Wiederholung vermeiden. Unbewusste Vorurteile existieren unter allen Menschen. Das eigens auferlegte „immer mehr“, „immer derber“ ist zu einer unabwendbaren Eigendynamik erwachsen. Etwas, das nur in der Eskalation enden kann und nicht in inhaltsvollen Erweiterungen des Deponia Universums. Die Zelebrierung der Zote, inklusive blasser Erzählung innerhalb eines schönen Durchschnittsadventures. Eine leider ungenutzte Chance fein karikierter Gesellschaftskritik… aber immerhin mit Schnabeltieren.

4/10 <3

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=qOdOl1S0WX8&w=560&h=315]

Entwickler/Publisher: Daedalic Entertainment
Veröffentlichung: 1. März 2016 (PC), 27. Februar 2019 (Xbox One, PS4)

Autorin: Benja Hiller
Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

2 Gedanken zu “Deponia Doomsday Review | Im Raum der Zeit falsch abgebogen

  1. Es ist wirklich schade, was aus diesem Spiel geworden ist im Laufe der einzelnen Teile, denn die Grundprämisse ist durchaus witzig.
    Absurd finde ich besonders die Tatsache, dass mit Edna psychische Krankheit ein Kernthema war und in Deponia dies wie viele andere Dinge einfach mit als Scherz getarnten Beleidigungen abgetan werden. Gerade das Genre Point And Click Adventure habe ich immer als sicheren Hafen angesehen ohne Sexismus, Rassismus, Machismus und die ganzen anderen ekelhaften Ismen, die sonst nur aus Space-Shootern, Weltkriegsspielen oder Gangstersimulationen bekannt sind. Und selbst bei GTA funktioniert Diskriminierung und Rassismus auf eine andere weitaus gesellschaftskritischere Variante als hier beschrieben in Deponia.
    Traurig, Daedalic.
    Traurig Deutscher Entwicklerpreis und Deutscher Computerspielepreis.
    Poki: wir bitten um Stellungnahme.

  2. Puh, ganz schön harter Tobak. Ich fand den ersten Teil leidlich unterhaltsam, nahm bei einzelnen Rätseln Hilfe in Anspruch und legte das Spiel dann unter “ ganz nett, aber nichts, was in Erinnerung bleibt“ ab. Trotzdem hatte ich als Point’n Click Fan immer Lust, die Reihe mal weiterzuzocken und freute mich somit über die Veröffentlichung der Complete Edition auf PS4, die ich auch sofort erwarb und mit Teil 2 begann. Auch mir stieß bereits zu Beginn das konsequenzlose Handeln Rufus sauer auf, als er trotz Ermahnung eine ganze Hütte in Brand steckte und einen Vogel durch den Müllzerkleinerer jagte und dafür nur ein „dududu“ erntete. Auch die Rätselqualität liegt eher bei „hä, ich guck da lieber mal nach, was, so soll das gehen?“ und vieles wirkt unnötig oder umständlich. Sehr weit bin ich leider nicht gekommen, da ich bereits im ersten Drittel des Spiels einen Bug habe, der ein Weiterspielen unmöglich macht. Autosave sei Dank kann ich auch keinen früheren Spielstand laden. Stellungnahme seitens Daedalic steht noch aus.
    Und das Deutschland bei der Vergabe von Preisen immer etwas zu enthusiastisch und ohne Blick über den Tellerrand handelt, hat man leider nicht zum ersten oder letzten Mal erlebt. Offensichtlich wird jede deutsche Produktion in den Himmel gelobt, dazu 1-2 internationale Blockbuster auf’s Treppchen, 3-4 Promis rangekarrt und dann ab ans Buffet.

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