Degrees of Separation Review | Das magische Band zwischen Sommer und Winter

Reguläre Puzzle-Platformer fallen inzwischen nur noch selten auf. Sie benötigen ein spezielles Gimmick, einen innovativen Einfall, der deine Aufmerksamkeit kitzelt. Wie Degrees of Separation, das auf unzertrennliches Sommer/Winter Coop-Gameplay setzt.

So sitzt du während deiner Sichtung des Trailers schon gebannt in deinem Bürostuhl und starrst auf den ständig geteilten Bildschirm, der je nach Position der Protagonist_innen zur einen Hälfte absolut unterkühlt und zur anderen Hälfte wohlig warm erscheint. So beeinflussen Sommer und Winter stets die nähere Umgebung der beiden. Das klingt nicht nur recht spannend, das sieht auch äußerst ansprechend und harmonisch aus.

Findet euch!

Eigentlich zogen Ember und Rime aus ihren Königreichen aus, um die Herkunft der anstehenden Gefahren ausfindig zu machen. Was sie dann aber fanden war viel kraftvoller als das was sie erwartet hatten. Embers Regionen werden von lauen Winden und angenehm warmen Farben durchflutet. Rimes Landstriche werden vor allem von dem kühlen, hellen Blau der Kälte und dem Schnee dominiert. Und wenn du in Physik damals aufgepasst hast, weißt du was passiert wenn Wärme und Kälte aufeinandertreffen.

Das Schicksal brachte die Beiden auf ihrer Suche nach Antworten zusammen. Als sie sich das erste mal treffen ist eine gewaltige Erschütterung der Erde festzustellen. Doch stoßen sich die beiden nicht ab. Ember und Rime sind von nun an durch ein klar sichtbares Band verbunden, das ihre Kräfte im Zusammenspiel stärkt, doch ihre Einflüsse durch eine Grenze immer voneinander trennt. Schon bald merken die Beiden, dass sie zusammen sehr gut harmonieren. Was sie fanden, war ihre Zuneigung zueinander.

Gegensätze ziehen sich an

Und so starten sie gemeinsam in das Abenteuer durch die Welt. Während Ember auf ihre Sommerkräfte vertrauen kann, setzt Rime auf Frost und Eis. Schneebälle werden geformt und geschmolzen, Winde angefacht und eingefangen, Kälte genutzt und durch Wärme verdrängt. So ist es möglich, dass Ember auf dem Grund eines Sees rumrennt und Rime auf der gefrorenen Oberfläche umherwandert.

 

Die integrierten Puzzle des Platformers benötigen immer die Zusammenarbeit beider Charaktere, um in der Welt voranzukommen, Hindernisse zu überwinden und Sammlerstücke einzusammeln. Keine Frage also, dass Degrees of Separation am besten mit einem/einer Freund_in auf dem Sofa genossen werden sollte. Durch die Kommunikation untereinander verstärkt sich auch die Bindung an das Spielgeschehen. Puzzle und Welten werden intensiver wahrgenommen als allein.

Aber Degrees of Separation ist eben auch allein spielbar und hier verliert sich oft der innovative Kniff und wandelt sich hin zu Frustration und Ernüchterung. Das Adventure von Moondrop verliert im Einzelspielermodus an Strahlkraft. Die Spielmechaniken erscheinen so oft unpräzise. Zudem stehen sich Ember und Rime ständig im Weg oder wissen nicht wohin sie sollen. Denn, wenn du eine Person spielst, kannst du die/den jeweiligen anderen zu dir bitten. Oft stellst du dann genervt fest, dass du auch die andere Person noch durch den Wald steuern musst, damit sie wieder zu sich finden und gemeinsam weiter können. Sie bleiben in diesen Phasen einfach planlos stehen oder rennen in völlig abwegige Richtungen.

Vielfältiges Königreich?

Degrees of Separation spielt sich zu Anfang wie ein recht geradliniger Platformer. Doch hast du die erste Welt überstanden, kommst du an einem geheimnisvollen Schloss an, in dem Türen zu verschiedenen Welten für dich bereitstehen. Viele davon sind verschlossen und lassen sich erst öffnen, nachdem du genügend Schals gefunden hast. Diese sind in Puzzle-Sektionen der Welten immer wieder versteckt und mutieren zum eigentlich Ziel des Spiels. Auferlegte Sammelleidenschaft quasi. Die Levelstrukturen werden zunehmend unstrukturierter, offener und erinnern an Labyrinthe des Metroidvania Genres. Oft findest du dich also in bereits gespielten Welten wieder, um weitere Schals zu suchen und in dessen Folge die Möglichkeit zu bekommen, weitere Tore zu öffnen. Das kann natürlich unglaublich motivierend wirken, doch bei der repetitiven Struktur der Welten, in denen Puzzle recht ähnlich aufgebaut wurden und du ständig an Seilen hängst, wirkte das zumindest auf mich äußerst ermüdend. Zudem erscheinen sich ständig wiederholende Räder, Flaschenzüge und Seile inmitten der Natur wenig organisch. Ich bin aber auch einfach kein Metroidvania Fan und im Coop mag das sogar wieder herausfordernd sein.

Eigentlich einzigartig Einzigartig

Doch immer wieder erwischt du dich dabei, wie du doch noch mal zurück in die Welt von Degrees of Separation willst. Entweder, um doch noch ein paar Schals einzusammeln oder um das herausragende Ambiente in seiner glänzenden Schönheit aufzusaugen. Und genau in diesem Momenten bist du glücklich und enttäuscht zugleich. Denn das innovative Zusammenspiel der Gezeiten, diese außergewöhnliche kunstvolle Gestaltung der Welt, die Farbgebung und die wundervolle Musik. All das leidet unnötigerweise unter den Schwächen des Gameplays.

Degrees of Separation ist wunderschön anzuschauen, absolut erlebenswert und am besten tatsächlich gemeinsam zu genießen. Es ist kein Zufall, dass das Spiel aus Hamar, Norwegen am Valentinstag erschienen ist. Es gibt dir in seiner Grundatmosphäre ein warmes, gutes Gefühl, vermittelt die Wichtigkeit des Zusammenseins und der Liebe. Es zeigt was du erreichen kannst, wenn du Kräfte mit Menschen bündelst und stellt die besonderen Momente in der spannenden Zeit des Kennenlernens heraus. Natürlich ist das allein Erleben nicht ansatzweise vergleichbar. Denn der dynamische Drive des Duos geht verloren und sich wiederholende Passagen wiegen doppelt ernüchternd. Wie eben auch der graue Alltag durch die Abwechslung der hinzugewonnenen Person profitiert und nicht mehr ganz so düster erscheint. Degrees of Separation ist für zwei Spieler_innen gemacht.

Vielleicht hätte sich Moondrop trauen sollen einen puren Zweispieler-Titel zu kreieren. Denn das ist Degrees of Separation in seinem Kern. Im sozialen Zusammenspiel werden Gameplay-Schwächen weniger schmerzen. Doch wenn deine Sammelleideschaft auch in virtuellen Welten ungebrochen ist, du motiviert an ähnlich scheinenden Puzzlelösungen arbeitest und dein Belohnungszentrum durch immer mehr Schals und sich öffnende Türen stimuliert wird, dann ist dieser Puzzle-Platformer auch für dich allein äußerst empfehlenswert. Gerade weil er in seiner visuellen, wunderschönen Entfaltung so einzigartig erscheint. Vielleicht hast du auch einfach nur zu viel erwartet.

Einzelspieler-Wertung:

6/10 <3

Coop-Wertung

7/10 <3

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=XUCk_6b-Q6o&w=560&h=315]

 

Developer: Moondrop
Publisher: Modus Games
Team: Andreas Fuglesang (CEO & Programmer), Stig-Owe Sandvik (Designer & Artist), Karoline Skoglsund Olsen (Artist), Alejandro Ruiz Temina (Programmer)
Auszeichnungen: „Winner of Norwegian Nationals in Gameplay“ (2014)
Veröffentlichung: 14. Februar 2019 (Steam, PS4, Xbox One, Switch)

Autorin: Benja Hiller
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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