Völlig ergriffen, Gänsehaut, Sprachlosigkeit. Die gamescom Demo von My Memory Of Us hinterließ ein imposantes, nachhaltiges Gefühl, das die folgende Kommunikation mit den Entwickler_innen niederschmetternd beeinflusste. Wir haben das im Ruhigen mit Jakub nachgeholt und uns über Inspirationen und Analogien unterhalten.
My Memory Of Us erzählt die Geschichte zweier junger Freunde. Eine Geschichte, die zu Zeiten spielt, die du eigentlich lieber vergessen möchtest. Zeiten, die jedoch so erschreckend erscheinen, dass sie erzählt werden müssen. Geschichten, die dich mitnehmen, ergreifen und doch plötzlich wieder an beängstigender Aktualität gewinnen. In diese Zeit der Ausgrenzung, des Krieges und der Selektion setzt Juggler Games aus Polen seine beiden Protagonisten.
Für eine Zeit genießen die Beiden ihre Freundschaft, lachen und spielen zusammen. Sie komplettieren sich gegenseitig. Die eine kann rennen, der andere schleichen. So meistern sie zusammen unterschiedlichste Abenteuer. Doch als der teuflische König im Krieg die Stadt plündert und seine emotionslosen Robotersoldaten entsendet, werden Einwohner völlig wahllos selektiert, markiert und in getrennte, abgesperrte Bereiche verschleppt.
„…you have history here on every corner.“
My Memory Of Us erzählt diese Geschichte aus der Sicht der Kinder, für die die selektierten Menschen völlig gleich erscheinen. Das Spiel erzählt eine Geschichte über die Stärke der Freundschaft in abartigen Zeiten. Trennung und Wiedersehen spielen die vordergründigen Rollen in der markanten, kontrastreichen Welt, die ihre Inspiration aus der naiven Kunst schöpft. Eine Kunstform, die unbekümmerte, einfache und doch phantasievolle Welten erschafft und zuweilen an frühe Disney Werke erinnert. Der Stil, den Art-Director Jakub Jablonski schon in der Illustration des Buches „Wroniec“ von Jacek Dukaj verfolgte und sich so perfekt auf das unbekümmerte Weltbild der beiden Kinder legt.
Ein Weltbild, das offensichtlich nicht alle teilen und an das das Team von Juggler Games in Warschau täglich erinnert wird. „Die ersten Berührungspunkte, die ich mit Warschau hatte als ich vor 10 Jahren hier herkam, war die Geschichte der Stadt, die an jeder Ecke ständig wahrnehmbar ist. Auch heute noch werden frische Blumen und Kränze an spezifischen Ecken, auf Straßen oder an Denkmälern abgelegt, um denen zu gedenken, die den zweiten Weltkrieg nicht überlebten.“
„The power of friendship and holding hands can be amazing.“
My Memory Of Us lehnt sich historisch an die Zeit der Besetzung Polens und des Holocausts an, ist aber doch so viel mehr, als „nur“ ein weiteres Stück Geschichte. Gerade durch das einfühlsame Element Freundschaft. „Wir haben bereits so viele Interpretationen gehört, für manche spielt es in Russland und behandelt den Kommunismus, wieder andere sehen darin die Mauer zwischen Mexiko und den USA, die Trump vor hat zu bauen. Wir finden die universelle Verwendung großartig und freuen uns in diesem Kontext die Kraft der Freundschaft zu verdeutlichen, dass das gegenseitige Hand halten ein wundervolles Gefühl transportiert.“
Der völlige Verzicht auf Namen und Nationalitäten lässt My Memory Of Us so individuell und frei zugänglich erscheinen. Es schöpft Kraft aus der einfühlsamen Erzählung und seinem fabelartigen Design. Da sind Einflüsse aus dem Kino natürlich nicht weit hergeholt. Die Faszination von „Pan’s Labyrinth“ und „Das Leben ist Schön“ legt sich angenehm über die eigene Fabel während dich Patrick Stewart sanft als Erzähler – ausschließlich in den Cutscenes – begleitet. Protagonisten und Charaktere kommunizieren per Symbol-Dialog-System. Abseits Stewarts Stimme wird zu 100% auf Wörter und Sprache verzichtet, was die Entwickler_innen in der zweieinhalb jährigen Entwicklungsphase öfter mal vor Probleme gestellt hat, jedoch der individuellen und persönlichen Erfahrung eines jeden äußerst wohlgesonnen ist. „Es war Anfangs extrem schwierig komplizierte Emotionen oder Rätsel ausdrucksstark zu gestalten und gleichzeitig nur einfache Symbole zu verwenden. Doch inzwischen sind wir sehr glücklich damit.“
„The game is inspired by stories we heard.“
Die persönliche Erfahrung. My Memory Of Us schafft sie für dich und verarbeitet zugleich Erinnerungen der beteiligten Menschen. Erinnerungen, die zu Hauf im Spiel erscheinen. Große, kleine, offensichtliche und abstrakte. In der Mitte des Spiels soll es einen Abschnitt geben, in dem die Kinder im Geheimen Anti-Roboter Poster drucken und ihre Schleich-Skills benutzen, um sie aufzuhängen. Jakub lies hier eine ganz persönliche Erinnerung von seinem Opa mit einfließen. „Er wurde während des zweiten Weltkriegs gefangengenommen und in das Mauthausen Konzentrationslager verschleppt weil er Anti-Nazi Propaganda druckte. Er war ein Künstler und Drucker. Wahrscheinlich bin ich aufgrund seines Einflusses heute ebenfalls ein Künstler.“
My Memory Of Us ist ein charmantes, zusammengeflochtenes Stück Kunst. Es nimmt behutsam die Erinnerungen der Entwickler_innen und lässt sich von verschiedenen Kunstformen inspirieren, um dir eine einzigartige, persönliche Geschichte zu erzählen. Eine kraftvolle, aber intensive Fabel, die du ab dem 9. Oktober 2018 auf Steam, Xbox One, PS4 und später im Jahr auch auf Nintendo Switch mit aufgestellten Härchen auf den Armen erleben kannst. Natürlich mit der Kraft der Freundschaft und des Händchenhaltens.
Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.
Wow. Der Text geht unter die Haut! Das Spiel wird sofort gekauft. Ich (PuP-Dennis) stehe ja eh auf Spiele ohne Worte. Deren Ausdrucksstärke ist individuell gesehen so viel intensiver als vorgeschriebene Worte, dass jeder hineininterpretieren kann, was einem für Gefühle dabei aufkommen. So ist das ja auch bei meiner Band Magma Waves. Ohne Gesang erzählen die Leute uns, was sich bei Ihnen für ein Kopfkino abspielt, wenn sie uns hören (oder live erleben) und dabei die Augen schließen. Das ist wahnsinnig faszinierend.
🙂 Danke! Es wird tatsächlich oft die Kraft des Nichtssagen missachtet. Wie TellTale das so wunderbar formuliert. „Silence is still a valid option!“ Es gibt viele Wege zu kommunizieren. Da müssen nicht immer Worte verwendet werden. Paradoxerweise wird ein Text benötigt, um eine non-verbale Kommunikationsform eindrucksvoll zu präsentieren. Oh, ich schließe auf Konzerten generell gerne die Augen, wenn ich denn mal auf Konzerten bin. Ist ja inzwischen sehr rar.