Ready Player One | Film-Kritik | Nerds in Nerds Clothing

ready_player_oneStilmittel. Stilmittel definieren ein Werk, drücken diesem ein Wasserzeichen auf und lassen es zu etwas Eigenem werden. Stilmittel sind wichtig, um bestimmte Gefühle und Aussagen zu transportieren. Stilmittel im Überfluss hingegen verschwimmen zu einer unverdaulichen Masse! 

Diese Einleitung beinhaltet eine Anapher. Eine Wortwiederholung am Anfang eines jeden Satzes. Sie soll betonend und einprägsam wirken. Wenn du sie liest, weißt du aha, diese Autorin versucht mir höchstwahrscheinlich gerade etwas zum Stilmittel eintrichtern zu wollen. Eine ausgewählte Dichte verschiedener Stilmittel ist demnach hilfreich, um bestimmte Anreize zu setzen und wichtige Punkte hervorzuheben. Würdest du nun aber diese ganze Kritik lang eine Anapher um die Augen geklatscht bekommen (hui eine Metapher), hättest du wahrscheinlich bereits hier aufgehört zu lesen.

Natürlich arbeiten nicht nur geschriebene Werke mit Stilmittel sondern – was für eine grandiose Erkenntnis – auch Filme. Auch Ready Player One ist da keine Ausnahme. Doch die neuste Filmkunst von Steven Spielberg nimmt es nicht ganz so genau mit der Verwendung dieser wertvollen Stückchen.

OASIS? Ich dachte die machen Musik!

2045. Die Erde ist ziemlich überbevölkert, was natürlich den Ballungszentren zu schaffen macht. Unglaubliche Bauten entstehen, um allen Wohnraum bieten zu können. Nicht immer sind die kuschelig wohnlich. Um dieser Welt zu entfliehen, findet nahezu das gesamte öffentliche Leben in der OASIS statt. Einem Spiel in der Virtuellen Realität, das längst dem Status Spiel entwachsen ist und den Menschen ein zweites, buntes Leben schenkt. Nachdem der Erschaffer und Besitzer der OASIS James Donovan Halliday stirbt, verkündet sein Avatar die Existenz eines Eastereggs. Wer diese geheime Überraschung findet, wird Besitzer des gesamten virtuellen, millionenschweren Universums. Seit fünf Jahren suchen nun alle wie bekloppt nach diesem Ei, natürlich auch der Protagonist und Halliday-Groupie Wade (Tye Sheridan) und seine (Online-)Freunde.

So einfach, so banal. Ziemlich wenig erfährst du über das Leben außerhalb der OASIS. Wie es zum Beispiel zu diesen Slum ähnlichen Stacks gekommen ist, wie das Leben dort abläuft, Hintergründe, Infos. Es geht einzig und allein um die Jagd nach dem Osterei. Dabei hätten aufgetürmte Wohnwagen doch schon allerhand zu erzählen gehabt. Auch in der OASIS gibt es gute Ansätze, die aber nie tiefer verfolgt werden. Wie das Gefangenhalten im Computerspiel zum Beispiel. Hier hätte sich die Möglichkeit einer sozialkritischen Vision ergeben. Aber Spielbergs Film verschenkt in der Tiefe Substanz, die er sonst so leichtfüßig, geradezu beiläufig in seinen Popcorn-Streifen mit hinein schmeißt. Eine Ausrede aber lasse ich für Ready Player One dann doch gelten. Das allgemeine Leben findet eben zum größten Teil in der Virtuellen Welt statt und genau das bekommst du auch zu sehen, unentwegt. Ein CGI-Spektakel in einer unendlichen Videospiel-Cutscene.

Die Action-Szenen sind beeindruckend inszeniert, doch wirken oft zu überhastet und aneinandergereiht. Die Story bietet kaum beeindruckende Haken oder unvorhergesehene Einschläge. Die Freunde suchen nach dem Ei und werden immer wieder von der bösen, bösen Firma IOI dabei gestört und bedroht. Auch hier fehlt wieder die angesprochene Tiefe. Warum die Firma die Möglichkeit dazu hat, die Protagonist_innen selbst in der realen Welt zu verfolgen, ohne selbst nur annähernd Probleme mit der Polizei zu bekommen? Keiner weiß das so genau.

Klopf dir auf die Schulter, wenn du ein Nerd bist!

Und damit bleibt das zum Anfang angesprochene und größte Problem. Ready Player One verwendet den ganzen Film über, in jedem Akt, in jedem Abschnitt, in jeder Szene unentwegt und gnadenlos genau ein Stilmittel. Eines, das die Wiederholung geradezu gefressen hat. Die ungewollte Hyperbel des Ganzen. Ready Player One ist eine einzige Aneinanderreihung an Referenzen aus der Popkultur. Ein Film, der tausende Symbole verwendet und völlig unkontrolliert durch die vielen Level katapultiert. Videospiele, Filme, Comics, Musik und Spielberg eigene Hommagen, die in ihrer Gänze einfach völlig übertrieben erscheinen und nur einen einzigen Sinn hinter dem Film vermuten lassen.

Ein Nerd-Bingo, bei dem derjenige gewinnt, der die meisten popkulturellen Momente in der Hektik des Action-Spektakels entdecken konnte. Durch die schiere Flut an King Kongs, Master Chiefs, DeLoreans, Adventures und Tron Motorrädern verliert die eigentliche Welt an Relevanz. Understatement? Völlig außer Mode. Doch auch hier wirft der Film ungewollt wieder Fragen auf. Was geschah in der Popkultur nach 2018? Anscheinend nichts und warum sind 2045 die 80er so angesagt? Warum hat jeder Mensch in der OASIS irgendeine popkulturelle Referenz parat, wenn eigentlich die ganze Menschheit dort ihren Lebensinhalt verbringt? Sind nun 99,9% der Menschen Nerds? Es ist einfach zu viel. Keine Klimax erkennbar, da deine Sinne ständig zugeballert werden, mit der immer gleichen Frage. „Wo hab ich das schon einmal gesehen?“

So verschenkt Ready Player One unglaubliches Potential für einen wirklich relevanten Since-Fiction Streifen, der mit punktueller Hommage in Musik und Bild hätte punkten können. Am Ende bleibt ein bunter Klumpatsch, der zwar ganz nett anzusehen ist und auch Spaß vermitteln kann, aber niemals vollends überzeugt. Da hilft auch das grundsolide Schauspiel nicht viel. Zumeist geht es, aufgrund der animierten Avatare in der OASIS, die mit ihrer Mimik keinerlei Emotionen transportieren, völlig verloren. Es wirkt alles viel zu steril. Zurück bleibt der nette Film, den du dir mal ansehen kannst, wenn grad nichts anderes zu tun ist. Ein Film, der gut gemacht ist. Ein Film, der vielleicht auch gut gemeint ist, aber niemals über diesen Status hinaus kommt. Ein Film, der eben nett ist.

Aber auch dann wirst du dich nur wieder Aufregen, warum Spielberg seine Stilmittel nicht besser kontrollieren kann, nach all der Zeit? Wenn dir aber schon bei Big Bang Theory, infolge der popkulturellen Nennungen der Sabberfaden aus dem Mundwinkel läuft und du in deiner Marvelbettwäsche, aus einer World Of Warcraft Tasse heißen Pac-Man Tee schlürfst und dich an deiner Funko Pop Figuren Sammlung labst, während du den Soundtrack zu Zurück in die Zukunft hörst und 10 Dinge, die ein Nerd wissen muss liest, dann kann Ready Player One vielleicht dein Kultfilm werden.

5/10 <3

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=cSp1dM2Vj48&w=560&h=315]

Und hier gibt es den Trailer auf deutsch!

Filmstart: 5. April 2018
Besucher:
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Ernest Cline, Zak Penn
Musik: Alan Silvestri
Schauspieler_innen: Tye Sheridan (Wade Owen Watts/Parzival), Olivia Cooke (Samantha Evelyn Cook/Art3mis), Mark Rylance (James Donovan Halliday/Anorak), Simon Pegg (Ogden Morrow), Hannah John-Kamen (F’Nale Zandor), Ben Mendelsohn (Nolan Sorrento), T.J. Miller (i-R0k)

Autorin: Benja Hiller
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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