EMPORIUM | Game-Review

Wenn du Spiele erst einmal sacken lassen musst, sie versuchst zu verstehen, zu verarbeiten und nachzuvollziehen, genau dann haben sie ihre eigentliche Bestimmung erfüllt. Emporium bedient sich deiner emotionalen Ebene und bringt dich genau in diesen Vorgang. 

Noch Stunden nach dem ersten Durchgang versuchst du zu verstehen, was du da eben gespielt hast. Emporium ist ein kurzes interaktives Erlebnis. Ca. 30-40 Minuten brauchst du, um es komplett durchzuspielen. Doch erscheint die Länge eines Spiels nun nicht immer entscheidend für die Wertigkeit des Erlebten. Dieses hier ist sehr intensiv.

Ein solches Spiel zu beschreiben, in dem jede kleine Ecke der Geschichte alles Spoilern könnte, ist tatsächlich nicht so einfach. Emporium lebt von deiner Unwissenheit. Es baut seinen Geschichtsbogen langsam auf, lässt aber auch vieles der Interpretation frei. Es ist ein Erlebnis, in dem auch du aktiv werden musst, um in der Geschichte voranzuschreiten. Daher scheint eine enorme Konzentrationsphase empfehlenswert. Es ist wie ein Buch, das du intensiv genießt und nicht nebenbei mal eben verschluckst. Emporium behandelt Themen wie Depression, Zerbrochenheit, Traumata, Verlust und einer gewissen Art der Realitätsflucht. Es versucht diese drastischen Themen in einen poetischen Kontext zu setzen, um etwas positives herauszuziehen.

Tom Kitchen spielt in seinem Werk mit der Umgebung, der künstlerischen Gestaltung und der musikalischen Untermalung. All diese Elemente sorgen für ein bedrückendes Gefühl, das immer wieder durch die Schönheit der gestalteten Szenerien durchbrochen wird. Kitchen bildet somit ein Paradoxon, das diese Themen so wundervoll beschreibt. Manchmal versuchst du aus der Levelsstruktur auszubrechen, aus Angst, die fatalen Automatismen zu befolgen. Doch Kitchen hat das nicht vorgesehen. Er möchte, dass du diese Geschichte bis ins kleinste Detail intensiv miterlebst und dich nicht in der Umgebung verlierst. Hilflosigkeit macht sich breit.

Daher ist der Levelaufbau schlauchartig gestaltet. Nur wenige Interaktionspunkte lassen dich von deinem Weg abweichen. Wie Dioramen wirken die kleinen Szenerien, die ein Gefühl davon vermitteln, wie deine Vergangenheit abgelaufen ist. Mit kleinen Plaketten werden sie museumsreif beschrieben.

Die Steuerung ist ebenfalls einfach gestaltet. Außer der Möglichkeit in alle Himmelsrichtungen zu gehen, besitzt du die Fähigkeit zu sprinten und mit verschiedenen Punkten zu interagieren. Nichts soll ablenkend wirken. Das Spiel soll für jede_n zugänglich sein. Dass die Steuerung, zumindest über die Tastatur, zuweilen etwas hakelig erscheint, geschenkt. Du gewöhnst dich daran. Im Sprint möchte dein Protagonist am liebsten flüchten, während er sonst eher gemäßigt, mit hängenden Gliedern und Kopf unterwegs ist.

Die Farbpalette wurde von Kitchen weitestgehend in dunklen Tönen gestaltet. Nur wenig Farbe findet den Weg in die zumeist schwarz/graue Welt. Somit begleitet sie optimal deine Emotionen. Die Optik erinnert zuweilen an die düsteren Vertreter Limbo oder Inside. Ein eigenwilliges und vielfältiges Werk, das oft auch die Perspektive verändert, um den Fokus neu zu gestalten. Unterstützend wirkt hier das unglaubliche Sounddesign, das in allen Situationen die Oberhand der übermittelten Atmosphäre behält.

Emporium ist wundervoll gestaltet, besitzt unglaubliche Tiefe und eine Emotionsübertragung, die unglaublich intensiv erscheint. Tom Kitchen hat ein interaktives und künstlerisches Meisterwerk gestaltet, das unbedingt auf deine Liste gehört. Es ist anstrengend, wie ein klassisches Werk der Literatur und so tief wie die Galerie des Louvre. Wenn du diesem Stückchen moderner Kunst deine Aufmerksamkeit schenken möchtest, dankt es dir mit einer Beschäftigung noch über Tage hinaus. Emporium sucht die Schönheit in deinen dunkelsten Momenten Es verbindet Wunderschönes mit der Hässlichkeit sozialer Hamsterräder und psychischer Krankheiten. Es ist ein Spiel von äußerster Seltenheit, welches du auf keinen Fall verpassen solltest. Ein düsterer, schwer zu verdauender Klotz. Poetisch schön, aber unglaublich bedrückend.

8/10 <3

https://youtu.be/rTW-gEXf5BY

Developer/Publisher: Tom Kitchen Game Design & Illustration
Producer/Designer: Tom Kitchen
Release/Preis: 21. April 2017 (Steam und itch.io) / 1,99 €
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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