Filme, die niemand gesehen hat #2: KREUZWEG | Film Kritik

140227_KRZ_Plakat_DruckFilmemacher_innen können mitunter sehr fiese Gestalten sein. Um ihre Idee möglichst drastisch umzusetzen, suchen sie sich Einstellungen, die vor Bildgewalt strotzen und deinen Blick an der Leinwand oder der Scheibe des Fernsehers kleben lassen. Die Brüggemann Geschwister haben sich für Kreuzweg eine ganz besondere Art der Gewalt des Bildes ausgesucht. 14 feste Einstellungen, den 14 Stationen des Kreuzweges entsprechend. Kein Zoom, kaum Schwenke und keine Schnitte innerhalb der Szenen. Ungefiltert und drastisch prasselt die Lebensweise einer überaus strengen katholischen Gemeinschaft auf dich ein.
Die 14 jährige Maria steht kurz vor ihrer Firmung. Sie ist die Tochter einer streng katholischen Familie, die der Priesterbruderschaft Pius angehört. Als Krieger Gottes, wie sie von ihrem Pfarrer eingestuft wird, soll sie die Welt vor negativen Einflüssen schützen und ihr Leben voll und ganz Gott widmen. Da werden seichte Popmusik im Sportunterricht oder die Gospel-Gesänge eines Gemeindechors zum Teufelswerk, welche die Gesellschaft auf die schiefe Bahn geraten lassen. Die weltlichen Anschauung der Kirche, die vor allem durch die Mutter getragen wird, und das Leben als ganz normale Schülerin versucht Maria irgendwie in Einklang zu bringen und scheitert zunehmend. Mit dem unerträglichen Druck auf den Schultern, alles richtig machen zu müssen, beschließt sie, ihr Leben für ihren kleinen Bruder, der an einer unerklärlichen Krankheit leidet und nicht spricht, zu opfern. Die starren Bilder verstärken die Leitlinie der fanatischen Kirchengemeinschaft überaus drastisch. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die wunderbare Schauspielkraft und die ausdrucksvollen Dialoge. Hast du einen „whatthefuck“ Moment überstanden, kommt auch schon der nächste auf dich zu. Hektische Bilder oder Schnitte wären hier tatsächlich völlig fehl am Platze. Die ruhige Inszenierung, gepaart mit den stark agierenden Schauspieler_innen, vermitteln einen unglaublich erschütternden und bleibenden Eindruck.

Kreuzweg zeigt auf eindringliche Weise, wie ein junges Leben durch das Aufzwingen unerfüllbarer Ansprüche zu Grunde gehen kann. Es ist mit Sicherheit kein Samstag-Abend Entspannungsfilm und auch kein „och kann man sich mal anschauen“ Stück. Wenn du aber vor inhaltsreichen, ruhigen und unmittelbaren Erzählweise nicht zurückschreckst und mit außergewöhnlich wirkenden Kameraeinstellungen klar kommst, solltest du dir definitiv zwei Stunden Zeit nehmen und dir diesen Brocken vor die Füße werfen lassen.

9/10 <3

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  • Besucher: 10.376 (Stand: April 2014, FFA), Einspielergebnis laut Wikipedia: 86.200 €
  • Regie: Dietrich Brüggemann
  • Drehbuch: Anna Brüggemann, Dietrich Brüggemann
  • Schauspieler: Lea van Acken (Maria), Franziska Weisz (Mutter), Florian Stetter (Pater Weber), Lucie Aron (Bernadette), Moritz Knapp (Christian), Klaus Michael Kamp (Vater), Birge Schade (Lehrerin), Hanns Zischler (Bestatter), Ramin Yazdani (Arzt), Georg Wesch (Thomas)
  • Preise: Silberner Bär (bestes Drehbuch Filmfestspiele Berlin 2014)
  • Anschauen: Amazon Prime
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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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