Aerial_Knight’s Never Yield Review | Aufstehen, Dreck abputzen, weiter rennen

Wenn nichts mehr geht, renn! Renn soweit dich die Füße tragen. Wie in Aerial_Knight’s Never Yield, mit Style zur Musik.

Manchmal willst du einfach nur rennen. Nur weg von hier. Die Umwelt durch dicke Ohrmuscheln ausgeschlossen. Deine Lieblingsmusik wird zum Taktgeber deiner fliegenden Schritte. Einfach nur weg von hier. Kopf aus, Beine an. Dabei rennst du schon dein ganzes Leben. Der endlose Sprint, lediglich unterbrochen von gut getimten Sprüngen, Hechtrollen und eleganten Slides. Es ist die Welt da draußen, durch die du rennst, rennen musst. Die dir elendige Hindernisse in deinen rasanten Lauf wirft. Immer wieder will sie dich daran hindern vorwärts zu kommen. Dabei willst du nicht mehr als das. Einfach nur vorwärts kommen. Doch jedes Hindernis, an dem du ins Straucheln gerätst, wirkt wie ein fieser rechter Leberhaken. Halb ausgeknockt. Du wirst angezählt. Du musst aufstehen, einfach nur aufstehen. Einfach weiter rennen. Du wirst nicht aufgeben. Du wirst niemals aufgeben.

Rennen, einfach nur rennen

In Aerial_Knight‘s Never Yield ist es Wally, der durch ein Tokyo inspiriertes, futuristisches Detroit rennt, allen Hindernissen trotzt und nach jedem Fehlschlag sich erneut den Dreck abputzt. Aufgeben? Niemals! Und wenn er bis an sein Lebensende rennt, einfach nur rennt. Aufgeben ist keine Option. In seiner Tasche, ein Relikt, das in der Lage ist die Zukunft zu retten. Oder zumindest das, was davon noch übrig ist. Und auch du sitzt gebannt vor Wallys Parcours-Lauf, feierst jeden gelungenen Slide, jeden rhythmischen Sprung zu den Beats von Danime-Sama. Kopfnickend, dein Gesicht dominiert von einem Joker ähnlichen Grinsen aus Zufriedenheit und Wahnsinn, ob der überwundenen Hindernisse. Wie oft du schon gefragt wurdest, ob du nicht lieber aufgeben willst, weißt du nicht mehr. Aerial_Knight‘s Never Yield hält es trotzdem für dich fest.

Aufgeben, das war für den schwarzen Developer Neil Jones (aka Aerial_Knight) nur genau einmal eine Option. Wobei Konsequenz das vermutlich passendere Wort wäre. Nachdem er etliche Male als Game-Developer an Studiotüren abgewiesen wurde, hörte er auf nachzufragen und zog seine Vision eines stylischen 3D Narrative-Runners einfach durch. Ganz alleine und ohne Hilfe, bis das Spiel zur Hälfte fertig war. Keine Pitches mehr! Niemand sollte ihn von seinem Weg noch abbringen, ihn mit aufweichenden Ideen beeinflussen können. Und genau dieser Ursprung ist es, der Aerial_Knight’s Never Yield so ermutigend antreibt. Aus einem ähnlichen Antrieb ist auch dieses Magazin hier entstanden. Dieser Funke, der während des Spielens auf dich überspringt, dich nicht von Hindernissen abhalten zu lassen, auch wenn sie übermächtig erscheinen. Du musst rennen, einfach nur rennen! Niemals aufgeben.

Aerial_Knight’s Never Yield atmet den Funk

An diesem unbändigen Drive ist vor allem auch der Soundtrack schuld. Ein Flow der jedes Hindernis unter seiner mächtigen Funkinfiltrierten Beatwalze begräbt. Den Controller zur Seite legen ist allein schon deswegen keine Option, weil die Töne dann abrupt stoppen würden. Jeder missglückte Sprung, jeder schlecht getimte Slide nur ein stilistischer Rewind. Machs noch mal DJ. Platte zurückspulen und von vorn. Es ist dieses mächtige Gewächs von Hip Hop Tracks, kombiniert mit den Stimmen unglaublich talentierter Musiker_innen. Ein Sound auf den Ohren, der dich unbesiegbar macht. Zumindest sporadisch, bis du wieder einmal flach liegst. Aber auch das haben die Brakedancer_innen und Discoquings in den 1970er Jahren schon durchmachen müssen. Wer fällt, muss aufstehen. Und das geht bekanntlich am einfachsten zur Musik. So kannst du immerhin später sagen, dass all das Teil deiner Choreographie war.

Aerial_Knights Never Yield ist voll von solch inspirierenden Referenzen einer Kultur, die in Medien und vor allem in Videospielen nahezu niemals ihre Sichtbarkeit zelebrieren kann. Dank des unbändigen Willens des Neil Jones, seine Vision bis zum Ende durchzuziehen, sie mit einem futuristisch spannenden Style in Szene zu setzen, ist diese Kultur nicht nur sichtbar, sondern erlebbar. Angeführt von einem rasend schnellen schwarzen Protagonisten mit Beinprothese, der rhythmischen Schrittes mit Hilfe deines reaktionsschnellen Daumendrucks durch Detroit tänzelt. Es ist auch ein autobiographischer Lauf, der allen Barrieren, Blockaden und Verhinderungsaktionen zum Trotz eben genau diese durchbricht. Ein Kraftspender, der dich nicht daran hindert weiterzukommen, sondern dir Mut zuspricht und sagt: Du wirst fallen, sehr oft sogar. Deine Knie werden bluten und dein Gesicht wird gezeichnet sein von diesem Kampf. Aber du kannst es schaffen, du wirst es schaffen.

Yield? Never!

Und damit drückt Aerial_Night’s Never Yield nicht nur einem Runner-Genre seinen massiven Stempel auf, das zunehmend damit beschäftigt war, es dir so schwer wie möglich zu machen. Denn dieser Narrative-Runner ist vor allem eines, zugänglich. Und darauf aufbauend motivierend schaffbar in der Balance des Schwierigkeitsgrads. Egal ob mit Bedacht der Backgroundstory oder unbedarft, weil du auf der Suche nach der nächsten Runner-Herausforderung bist. Never Yield gibt dir endlose Zufriedenheit. Es stichelt, fordert dich heraus und baut dich auf. Und das auch wenn die Konsole nicht eingeschaltet ist.  

Dieser Runner gibt Sichtbarkeit. Primär, aber nicht nur, schwarzen, POC und behinderten Menschen, sondern allen marginalisierten Gruppen von Menschen. Denn auch ich, als Mensch der sein ganzes Leben mit psychischer Gesundheit zu kämpfen hat und der als Mensch des queeren Spektrums mit massiven (strukturellen) Diskriminierungen umgehen muss, fühle mich in diesem Runner gesehen. In einer Welt, die Menschen strukturell ausschließt, an den Rand der Gesellschaft drängt und diskriminiert, ist immer wieder aufstehen und dagegen anrennen das einzige, was du tun kannst. Aerial_Knight’s Never Yield hilft dir beim Aufstehen. Jeden beschissenen Morgen.

9/10 🏃🏿‍♂️🎧

Developer: Aerial_Knight
Publisher: Headup Games
Genre: Endless-Runner, 3D Narrative-Runner
Team: Neil Jones aka Aerial_Knight (Einzelentwickler)
Musik: Danime-Sama
Veröffentlichung: 19. Mai 2021 (Steam, PS5, PS4, Xbox Series X|S, Xbox One, Switch)

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Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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