Chicken Police | Winner Winner Chicken Dinner

Zwei Hühner, eine Stadt, ein Fall. Ein abgehalftertes Hahn-Duo ermittelt im Noir-Adventure Chicken Police an einem äußerst zwielichtigen Fall.

Wenn du „Frau ohne Gewissen“, „Grim Fandango“, „Der fantastische Mr. Fox“ und „Bojack Horseman“ hörst, kannst du diese auf den ersten Blick nur schwer in Einklang bringen. Siehst du dir aber vorher den frischen Trailer zu Chicken Police an, weißt du genau, welche speziellen Einflüsse der genannten es sind, die The Wild Gentlemen zu diesem außergewöhnlichen Noir-Adventure inspiriert haben. Doch es gibt ein Merkmal, das tatsächlich allen innewohnt. Es sind die unbeschreiblich ausgeklügelten Charakterzeichnungen, die die Werke aus den verschiedensten Genres und Medien in Einklang bringen. Es sind die Protagonist_innen und die Lebewesen, die ihre Welten erlebbar machen. Von denen du auch abseits des Spiels wissen willst, was sie treiben, wie Director Bánk es so trefflich formuliert. Genau dort setzen die Developer an und picken sich zusätzlich aus jedem ihrer Favoriten die besten Eigenheiten heraus, die ihr bald fertiggestelltes Projekt zu einem der vermutlich auffälligsten des Jahres werden lässt.

Die Chicken Police hat ein Hühnchen zu rupfen

Ein legendäres Ermittlerduo waren Sonny Featherland und Marty MacChicken einst bei der Kriminalpolizei. So berüchtigt, dass ihnen der Name „Chicken Police“ zugetragen wurde. Doch das ist lange her. Ganze zehn Jahre um genau zu sein. Seitdem ist Sonny dem Alkoholismus verfallen und vom Dienst suspendiert worden, während sich Marty noch immer als Ermittler hinter seiner ehemaligen Starfassade versteckt. Ihr letzter Fall endete in einem fast tödlichen Streit. Nun müssen sie sich allerdings wieder zusammenraufen, denn es wartet ein eigenartig verzwickter Fall, den das Duo womöglich nur in Kombination geknackt kriegt.

Noirige Atmosphäre, pointierter Witz, eine dichte Story, ausgeklügelte Charaktere und abgehalfterte Ex-Stars. Dazu diese perfekt durchdachten und auf den Millimeter genau arrangierten, fotorealistischen Sets. Chicken Police’s entsättigtes Noir-Setting ist durchgestylt bis in die letzte Hühnerfeder. Dazu wurden 30 Schauplätze und ebenfalls 30 Charaktere fotografiert und gegebenenfalls animiert. Um ihnen den letzten skurrilen Schliff geben zu können, wurden alle Schauspieler_innen mit fotorealistischen Tierköpfen ausgestattet. So entstand der einzigartige und prägnante anthropomorphe Look von Chicken Police, das eine reichhaltige, dialoglastige Geschichte mit Elementen aus der Visual Novel und klassischen Adventures verknüpft.

Sprechende Tiere? Wo hab ich das schon mal gehört?

Die sich daraus ergebende Atmosphäre hat uns schon in der Demo zur gamescom 2020 völlig verschlungen, sodass die Auszeichnung zur „Best Atmosphere“ zwangsweise geschehen musste. Und wenn du jetzt denkst, „mein Gott, irgendwie erinnert mich das jetzt tonmäßig auch noch an The Wolf Among Us!“, dann kann ich dir sagen, gut hingehört. Denn The Wild Gentlemen aus Ungarn konnten das Tonstudio gewinnen, das auch schon Telltales Fable-Noir Erzählung in das rechte schummrige Licht gerückt hat. Chicken Police wartet auf uns mit über acht Stunden eingesprochener Dialoge, aus denen es gilt möglichst viele Hinweise für den Fall herauszuziehen.

Und genau die kannst du dann in einem komplexen Vernehmungssystem wieder gegen die zwielichtigen Bewohner_innen der Stadt Clawville zu deinem Vorteil einsetzen. Es wird in diesem Jahr wohl kaum ein Spiel geben, das so viele Elemente in sich vereint, die ich so dermaßen zu schätzen weiß. Normalerweise hätte eines dieser genannten Inspirationskörnchen gereicht und ich hätte es wohlwollend aufgepickt. The Wild Gentleman werfen mir mit ihrem Publisher HandyGames im Schlepptau gleich ein ganzes Abendmahl an gut bekömmlichem Korn entgegen. Am 5. November 2020 werden wir alle auf Steam, PS4 und Xbox One erleben können, ob all diese Körnchen auch ineinandergreifen. Eines dürfte dabei jedoch sicher sein. Eine dichtere Atmosphäre als in Chicken Police, wirst du 2020 vermutlich nicht mehr erleben.

Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

Kommentar verfassen