Faeria Review | Tikis und Frösche im Kampf um magische Brunnen

In Faeria trifft ein Sammelkartenspiel auf taktische Kämpfe, bei denen wir uns das Schlachtfeld selbst bauen.

Kartenspiele müssen in der Regel einfach zu erlernen, aber komplex genug sein, um genügend Menschen zu begeistern. Sie müssen Strategien bieten, die auf Turnieren mitreißen und gleichzeitig die breite Spielerbasis zum Experimentieren motivieren. Zusätzlich ist viel Inhalt in Form von verschiedenen Karten, Spielmodi und Abwechslung gefragt. Klingt erstmal nach viel Aufwand und tatsächlich verschwinden die meisten neuen Trading Card Games schnell in der Obskurität, wenn sie nicht gerade Hearthstone heißen. Faeria aber hält seine kleine Nische seit Jahren erfolgreich besetzt. Ich will euch näherbringen, warum das Indie-Kartenspiel von Abrakam mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

Die Welt ist eine Scheibe

Wir finden uns in einer sonderbaren Welt wieder, die eine Vielzahl an Biomen und Kreaturen zu bieten hat. Die gigantische Schlange Ouroboros beißt sich selbst in den Schwanz und bildet so die Ränder der Scheibenwelt von Faeria. Auf fliegenden Inseln hüten Hirten ihre Yaks, während mechanische Luftschiffe in Steampunk Manier durch die Wolken pflügen. In den Urwäldern tummeln sich die kleinen Tikis, die mystische Voodookräfte heraufbeschwören. Tief im Herzen des Dschungels erwachen uralte Naturgewalten. Selbst das Meer ist voll von Wassermännern und Fischkreaturen und alle Bewohner dieser Welt gehorchen nur einer Macht: Dem Faeria. Wir Spieler_innen verkörpern die Herr_innen der magischen Macht, wir spielen Gottheiten, die nur durch ein magisches Orb mit dieser Welt verbunden sind. Wir gebieten durch das Faeria über Heerschaaren von Monstern und erschaffen mühelos neues Land mit unseren göttlichen Kräften.

Nun gibt es aber eine Vielzahl von Gottheiten, die um Macht ringen und notwendigerweise kommt es zu Duellen. Um für diese Machtkämpfe gerüstet zu sein, müssen wir in Form eines Kartendecks unser Arsenal an Kräften und Dienern vorbereiten. Dabei greifen wir auf vier verschiedene Landschaftsarten zurück. Fokussieren wir uns auf blaue Wasserbewohner, können wir schnell eine Vielzahl an Unterseekreaturen heraufbeschwören, welche sich zügig über das Feld verteilen und die gegnerische Strategie im Keim ersticken. Besonders wirkungsvoll ist das gegen die grünen Waldkreaturen, die auf einen langsamen Spielaufbau setzen und erst gegen Ende der Partie große Kolosse, die von Tiki-Magie noch verstärkt wurden, auf die Kontrahent_innen loslassen. Diese zähen Urwaldgiganten setzwn wir wiederum am Besten gegen die roten Bergbewohner ein, deren Karten viel Kampfkraft bieten, aber schnell das Zeitliche segnen. Bleiben noch die gelben Wüstenmonster, welche den Kreis im „Schere-Stein-Papier“-Prinzip schließen.

In Faeria sind die Brunnen der Schlüssel zum Sieg

Das Faeria ist die sagenumwobene Macht, die wir unbedingt zum Kämpfen benötigen. Drei Faeria bekommen wir pro Runde spendiert, um Diener aufs Feld zu schicken. Damit diese nicht in den bodenlosen Ozean von Ouroboros fallen, über dem sich unsere Duelle abspielen, müssen unsere himmlischen Kräfte erst mal Länder schaffen. Entweder setzen wir also zwei neutrale Plateaus oder ein spezielles Land, das zur Farbe unseres Decks passt. Auf diese Weise bauen wir erstmal einen Weg zu den auf dem Spielfeld verteilten Brunnen, aus denen wir extra Energie ziehen. Wer auf diese Weise mehr Faeria ansammelt, um stärkere Monster zu holen, ist klar im Vorteil. Sobald die Brunnen angezapft worden sind und sich die gesetzten Länder der beiden Seiten in der Mitte treffen, geht das Scharmützel erst so richtig los. Natürlich ist es auch eine legitime Strategie, das Land einfach so schnell wie möglich geradeaus zu setzen, sodass der Feind überrascht wird.

Ich persönlich habe schnell gefallen an den Waldriesen gefunden, die dem grünen Mana aus Magic: The Gathering stark ähneln. Mithilfe der Synergien gelingt es hier selbst einem Anfänger, unkaputtbare Baumtitanen auf das gegnerische Orb zu hetzen. Wenn dieses göttliche Orb nach 20 abgezogenen Lebenspunkten zerspringt, gilt die Schlacht als gewonnen und die dazugehörigen Duellant_innen werden temporär von der Welt getrennt. Als Belohnung für den Sieg steigt unsere Erfahrungsleiste, wobei mit steigendem Level auch mehr Spielmodi zur Verfügung stehen. Natürlich lässt sich jederzeit problemlos eine einzelne Partie gegen die KI offline oder mit Freund_innen online starten. Dazu kommt aber der Abenteuermodus, in dem wir je nach Level neue Herausforderungen freischalten. Beginnend mit dem Tutorial, werden wir in verschiedenen Partien an die Kniffe herangeführt, während Puzzles, in denen wir mit vorgegeben Monstern innerhalb einer Runde gewinnen müssen, unser Verständnis der Karteneffekte prüfen.

Die Qual der Wahl

Als nächstes geht es ab zum Pandora Modus, in dem wir ein einzigartiges Deck aus einer Auswahl von zufällig gezogenen Karten zusammenstellen, um mit einer Siegesserie tolle Belohnungen zu verdienen. Oder wir starten die Oversky Koop-Kampagne, in der wir zu zweit gegen einen übermächtigen Widersacher bestehen müssen. Wenn wir schließlich Veteranen sind, dürfen wir auch die besonders schwierigen Weltbosse angreifen. Selbst wenn der restliche Inhalt ausgereizt ist, bietet uns Faeria im „Dragon’s Lair“ tägliche Herausforderungen. Zusätzlich zu den im Grundspiel inbegriffenen Karten stehen gegen Aufpreis gleich vier Erweiterungspakete zum Erwerb bereit. Das ist echt mächtig viel Content. Dass die Entwickler_innen uns Schritt für Schritt an all die Möglichkeiten heranführen, ist eine clevere Lösung. Ich jedenfalls fühlte mich nie erschlagen und hatte immer was zu tun.

Das Herz von Faeria ist seine Vermischung von traditionellem Kartenspiel mit dem Erschaffen von Ländern auf dem interaktiven Spielbrett. Statt wie in anderen Vertretern des Genres, lege ich die Energie- und Landkarten nicht teilnahmslos vor mich hin, sondern erschaffe ein sich ständig wandelndes Schlachtfeld von Grund auf. Das funktioniert gut und hat etwas Einzigartiges. Der Inhalt beschäftigt für viele Stunden, neue Deckkombinationen lassen sich immer finden. Der einzige Kritikpunkt ist für mich die Story der Overskykampagne. Zusammenhanglose Schnipsel ordnen die Erzählung eher im Fahrwasser der Belanglosigkeit ein. Andere Kartenspiele trumpfen mit eigenen Romanauskopplungen, Comics oder gar Fernsehserien auf. Faeria lässt im Storybereich Tiefgang und Bedeutung vermissen. Doch über diesen Fakt lässt sich leicht hinwegsehen. Denn abseits dessen bietet die magische Welt des strategischen Kartenspiels vielfältige Spielmodi, wochenlangen Spielspaß und endlose Motivation. So sieht ein gelungenes Trading Card Game aus!

8/10 🃏🌲💧🌋🏜️

Developer: Abrakam
Publisher: Versus Evil
Genre: Kartenspiel
Veröffentlichung: 8. März 2017 (Steam), 13. August 2020 (Xbox One, Switch)

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Der Historiker von WTLW. Spielt alles vom Walking Simulator bis zum Point-and-Click Adventure, am Liebsten aber RPGs mit guter Narrative und Strategie.

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