Im Roguelike Loop Hero durchwandert ein namenloser Junge ohne Erinnerung die schwarze Weite einer vergessenen Welt in Dauerschleife.
Das Motiv einer Zeitschleife ist ein Dauerbrenner in popkulturellen Medien. Vom Groundhog Day bis hin zur kultigen Horrordemo von P.T., die Situation lässt sich auf verschiedene Weisen inszenieren, sodass von Hilflosigkeit bis zu Komik unterschiedliche Akzente hervorgehoben werden. Auch Roguelikes können diesen Trick clever nutzen, wie der Publisher Devolver Digital beweist. Gemeinsam mit Developer Four Quarters, der das Grundprinzip von Loop Hero im Zuge des Dare Ludum Game Jams entwickelt hat, wird uns hier eine etwas andere Endzeitvision präsentiert.
Tabula Rasa
Die Welt auszulöschen ist dem untoten Zauberer, der den Antagonist in Loop Hero gibt, lange nicht genug. Um zu verhindern, dass die verbrannte Erde von den unverwüstlichen Menschen zum Keim neuen Lebens wird, muss die Erinnerung an sämtliche Natur und Kultur dran glauben. Sogar die Erinnerung an die Erinnerung wird vernichtet – nur um sicherzugehen. Doch ein in Plattenrüstung gepanzerter Knabe überlebt den Vorgang mit Bruchstücken von Erinnerungen an die alte Welt. Seine Fähigkeiten kennt er noch nicht, seien sie nun magisch, kognitiv oder körperlich. Nur eines ist ihm sofort klar: er und eine Handvoll Überlebender, die sich in der raumlosen Finsternis aneinander drängen, sind etwas Besonderes. Eine Anomalie des Armageddon, welches jede Spur von Zivilisation getilgt hat. Nun bewegt sich die übrige Materie in einer Schleife im Kreis aus Entstehung und Vergessen.
Von dem hastig angelegten Weiler der Gemeinde aus begibt sich der unscheinbare Held auf leere Pfade, die wir Spieler_innen mit den Schritt für Schritt wiederentdeckten Erinnerungen pflastern. Diese Erinnerungen archivieren wir als Decks, deren Karten wir als Belohnungen für Kämpfe bekommen. Besiegt unser kleiner Protagonist beispielsweise einen Schleim, der auf dem anfangs leeren Rundkurs erscheint, erhalten wir möglicherweise einen neuen Ort aus unserem Deck. Diesen setzen wir neben oder auf den Pfad, um den Weg für die nächste Runde des Loop Hero zu verändern. Neue Orte bringen neue Feindarten und Ressourcen, sowie bessere Ausrüstung. Gekämpft wird automatisch, sodass wir uns ganz auf das Planen des Pfads und der Umgebung konzentrieren, während der Ritter seine Bahnen zieht. Sollten wir entscheiden den Protagonisten ins Lager zurückzuschicken, beginnt die Zeitschleife bei unserer nächsten Expedition von neuem.
Was zum Teufel ist hier passiert?
Bei den Begegnungen mit verschiedenen humanoiden Gegner_innen versucht der Überlebende immer zuerst den Dialog zu suchen, was für erstaunliche Gespräche sorgt. Jeder der Versuche, die zwischen Resignation, Hoffnung und Wahnsinn schwankenden Goblins, Vampire und Harpien von einer Zusammenarbeit zu überzeugen, scheitert. Den Goblins ist alles egal, solange sie noch ein paar wenige Reisende zum Ausrauben und Niederknüppeln haben (damit sind wir gemeint). Die Vampire, die vor der Katastrophe mit den Menschen in Partnerschaft lebten sind nicht mehr Herr ihres eigenen Verstandes. Einer der Blutsauger meint, die Jahrhunderte des Hungers hätten seine Willenskraft zu sehr geschwächt. Wie war das? Jahrhunderte? Dabei ist der Junge doch erst vor ein paar Tagen in dieser trostlosen Anti-Welt aufgewacht! Offenbar stecken die Kreaturen hier schon deutlich länger in der Schleife als gedacht.
Die Hinweise auf den Plot sind clever in die sich langsam zusammensetzenden Welt eingebaut. Run für Run schalten wir neue Orte frei, die neue Elemente zur Loop hinzufügen. So schreitet die Handlung quasi parallel zum Gameplay voran. Wenn wir die Umgebung mit genug Karten zupflastern, erscheint irgendwann der Endgegner des Kapitels, der eine besondere Herausforderung darstellt. Bis der tapfere Überlebende diese Bosse in die Knie zwingen kann, müssen einige Runden auf dem zirkulären Pfad durchlaufen werden. Denn die einzige Methode, um dauerhafte Verbesserungen zu erwirken, ist das Ausbauen des Camps, zu dem der Protagonist nach jedem Run zurückkehrt. Am Anfang jeder Loop haben wir nämlich die Möglichkeit den Run mit der gesamten Ressourcenausbeute zu verlassen. Falls wir uns verzocken und unser Charakter im Kampf fällt, geht ein Großteil verloren.
Unser Lager ist in Loop Hero der Schlüssel zum Sieg
Haben wir ein paar Expeditionen in die weite Leere abgeschlossen, stehen genug Materialien und Rationen für den Ausbau unserer Lagerstätte zur Verfügung. Dabei entsteht allmählich ein richtiges kleines Dorf, das vom Schmied bis zur Kräuterhexe einige interessante Leute anlockt. Jedes zusätzliche Gebäude schaltet neue Möglichkeiten frei. In Kombination lassen uns diese Aufwertungen länger durchhalten, bis der einsame Kämpfer schlussendlich dem Boss des Kapitels die Stirn bietet. Bis das Hauptquartier voll ausgereizt und verbaut ist, werden allerdings viele Stunden vergehen. Doch die stetige Suche nach Ressourcen wird durch die halbautomatische Art von Loop Hero kurzweilig gestaltet. Hier und da habe ich das Spiel laufen lassen, denn der kleine Held kämpft ja von selbst. Nur für neue Ausrüstung und den Einsatz der Ortskarten auf den Pfad müssen wir als Spieler_innen zwischendurch eingreifen. Ob die ungeteilte Aufmerksamkeit auf Loop Hero gerichtet, ob nebenbei Netflix angeworfen wird oder Mails bearbeitet werden ist also Geschmackssache.
Loop Hero zeigt in der Vorabversion, dass der mittlerweile überstrapazierten Verbindung von Roguelike und Deckbuilder noch neue Perspektiven abgewonnen werden können. Die halbautomatische Spielweise bietet eine gewisse Flexibilität, was dem recht harten Genre der Roguelikes eine bessere Zugänglichkeit abtrotzt. Trotzdem ist das Spiel fesselnd genug, um sich permanent mit dem Geschehen zu beschäftigen. Die Optimierung von Route und Ausrüstung für den kleinen Loop Hero bieten ausreichend Möglichkeiten. Die von Dark Fantasy inspirierte Welt lässt buchstäblich das Meiste im Dunkeln verweilen. Zu sehen, wie der Protagonist von Loop zu Loop stärker wird, ist schon jetzt sehr befriedigend. Aufbauend auf dieses mehr als grundsolide Gerüst wird Loop Hero mich sicherlich noch längere Zeit auf Trab halten, während ich meine Gemeinschaft aufbaue und dem kleinen Männchen zuschaue, wie es seine Runden auf dem Pfad mitten im Nichts dreht.
Developer: Four Quarters
Publisher: Devolver Digital
Genre: Roguelike, Deckbuilder
Veröffentlichung: 2021 (Steam)
Der Historiker von WTLW. Spielt alles vom Walking Simulator bis zum Point-and-Click Adventure, am Liebsten aber RPGs mit guter Narrative und Strategie.