In Cloud Gardens zimmern wir ein Diorama des Öko-Brutalismus.
Viele Menschen kämpfen mit Zeitproblemen, wenn sie versuchen gigantische offene Welten zu erkunden. Vielleicht ist nach einem stressigen Arbeitstag auch kein Ehrgeiz mehr vorhanden, das zigste Soulslike zu meistern. In diese Nische schlagen Spiele, die sich semi-automatisch entfalten, bei denen es sich nach einem kleinen Anstoß in die richtige Richtung zurücklehnen lässt. Clicker-Spiele für Zwischendurch, die bei Abwesenheit automatisch weiterwerkeln, sind dabei en masse auf Steam und Mobile vorhanden. Auch einige Zen-Teiche mit Koifischen und sonstige Biotop-Entspannungssimulatoren werden auf gängigen Plattformen vertrieben. Cloud Gardens von Thomas van der Berg, der als Noio Games schon mit Kingdom New Lands Bekanntheit in der Indieszene erlangt hat, trägt die Idee des Entspannungsspiels in eine Richtung, die auch zielgeleiteten Spielern wie mir Motivation bietet.
Post-Industrialistische Wucherwelten
Grün wohin das Auge blickt, der Garten ist ein abgeschirmter Raum in den Weiten einer verlassenen Stadt. Ein Würfel inmitten eines Entspannungsvakuums, das dich vom Alltag befreit. Cloud Gardens findet in verlassenen Städten die richtigen Plätze, welche von der Natur zurückerobert werden. Alles was wir als Spieler_innen tun müssen, ist unser kleines Diorama entsprechend zu gestalten. Erstmal können wir von Menschenhand erschaffene Objekte in die Szenerie einfügen. Damit bestimmen wir quasi, was später von den Pflanzen überwuchert werden soll. Siehst du Gleise in der Nähe? Setze einen alten U-Bahn Waggon drauf! Ein paar Einkaufswagen mit einer Pulle Bier? Kein Problem! Im nächsten Schritt packen wir die Keimzellen des Wachstums darauf. Verschiedene Arten von Ranken betreiben daraufhin fleißig Photosynthese und klettern von alleine durch die Gegend.
Im freien Modus können wir unserer gestalterischen Eingebung ohne Einschränkungen folgen und der Entschleunigung frönen. Ohne Druck, Zeitlimit oder Einschränkungen genießen wir die volle Freiheit. Was allerdings bemerkenswert ist: Van der Berg plant einen eigenen Missionsmodus, der Abwechslung und Motivation bietet. In mehreren Leveln müssen wir Vorgaben beim Gestalten und Anpflanzen erfüllen und schalten dann neue Arten von Gewächsen frei. Mit diesem optionalen Missionsdesign-Ansatz setzt sich Cloud Gardens von ähnlichen Titeln ab, ohne an Entspannungsfaktor einzubüßen.
Lo-Fi Chill in Cloud Gardens
Die Pflanzenwelten werden unterstrichen von schönen Lo-Fi Tönen, die fast einlullend wirken. Selbst die Soundeffekte sind nur auf die Wohlfühlstimmung bedacht. Wenn ein dicker Snackautomat auf den Asphalt trifft, hören wir nur ein Platschen, das an einen stillen Teich erinnert. Optisch ist Cloud Gardens simpel gehalten, die Dualität der Farbpalette trennt sich in grüne Variationen der Pflanzen, sowie gräuliche Töne für die synthetischen Objekte. Audiovisuell wird also auch keine Aufregung erzeugt, was dem Ziel des Spiels sicherlich zu Gute kommt. Dennoch ist die bisher gesichtete Variation in den bepflanzbaren Dioramen ganz beachtlich und reicht von Parkplätzen bis zum Fernsehturm.
Cloud Gardens ist ein interessanter Titel, schon allein aus dem Grund, dass es keinem Trend folgt und anstatt Roguelike, Deckbuilding und ähnlichen Späßen auf ein ganz eigenes Konzept setzt. Ich glaube, dass Thomas van der Berg hier ein gutes Händchen beweist und ein breites Publikum ansprechen kann. Mich jedenfalls reizt der missionsbasierte Modus, der dem Chill Out Game einen kompetitiven Touch gibt. Vielleicht blüht uns hier nach Townscaper gleich der nächste Entspannungsbau-Hype. Die Veröffentlichung von Cloud Gardens folgt irgendwann im Jahre 2020 auf Steam.
Der Historiker von WTLW. Spielt alles vom Walking Simulator bis zum Point-and-Click Adventure, am Liebsten aber RPGs mit guter Narrative und Strategie.