In Witcheye fliegt das namensgebende Hexenauge durch die Gegend und bezwingt so selbst überdimensionale Endgegner.
Kennt ihr das, wenn ihr euch einen so richtig fetten Zaubertrank brauen wollt, aber plötzlich ein Ritter daherkommt und euch die Tour versaut? Die Hexe in Witcheye von Peter Malamud Smith alias Moon Kid und Publisher Devolver Digital hat jedenfalls die Nase gestrichen voll, denn der erwähnte Schurke hat nicht nur wichtige Zutaten, sondern auch eine riesige Ladung an Edelsteinen eingesackt. Angestiftet wurde der „Held“ von einem Zauberer, der sich als weise ausgibt, in Wirklichkeit aber nur gierig nach der Macht der armen Hexe ist. Hier haben wir es also mit vertauschten Rollen zu tun, denn die Hexe, die in jedem Märchen die Antagonistin wäre, geht in diesem Fall auf eine Quest, um den gemeinen Dieb in Ritterrüstung einzufangen.
Warum hast du so große Augen?
Die grüne Hexe nutzt ihre Verwandlungskräfte auf recht eindrucksvolle und doch irritierende Weise: Um die Verfolgung des Raubritters aufnehmen zu können, transformiert sie sich zu einem rotierenden, fliegenden Augapfel. Das Ding ist bestimmt 1,5 Meter groß und zerstört alles, was es berührt. Ohne diesen Umstand groß zu hinterfragen begeben wir uns also auf eine Reise durch 53 Level und sechs Welten. Das hört sich erstmal viel an, die Level sind aber ziemlich schnell abgehakt, was Witcheye zu einer kurzen, aber kurzweiligen Angelegenheit werden lässt. Als Hexenauge fliegen wir nun von links nach rechts durch ein 2D-Level, welches gut mit Gegnern und Fallen bestückt ist und in schickem 16-Bit Look geschaffen wurde.
Die Steuerung des Witcheye ist hingegen gewöhnungsbedürftig. Dass das Abenteuer für Mobilgeräte als Hauptplattform entwickelt wurde, ist zu jeder Zeit spürbar. Auf Knopfdruck fliegt das Hexenauge von alleine in die bestimmte Richtung und hält erst wieder an, wenn wir es befehlen. Enge Passagen werden so leicht fummelig, schwierige Passagen, die gegen Ende der Odyssee durch die Welten aufkommen, werden so schneller frustrierend als notwendig. Dazu kommt eine ganze Unterwasserwelt, die mit den bizarren physikalischen Beschaffenheiten des Auges nerven. Hier schwimmen wir nur geradeaus, wenn wir den Analogstick schnell hintereinander in eine Richtung hämmern. Auch windige Anhöhen, die unsere verwandelte Hexe mittels Sturmböen zurückhalten, tragen nur bedingt konstruktiv zur Abwechslung bei.
Witcheye versus Endboss
Durch die meisten Level kommt unsere Protagonistin, ohne viel zu kämpfen. Wollen wir uns doch mal eines Bösewichts entledigen, reicht es diesen einfach mit dem Witcheye anzustupsen. Ab und zu lassen die Häscher dann Edelsteine fallen, die dem Ritter bei seiner Flucht aus dem Beutel geflogen sind. Mit diesen Sammelgegenständen werden später neue Modi freigeschaltet. Die schiere Anzahl unterschiedlicher Gegnermodelle sorgt für gelungene Abwechslung und das ein oder andere Schmunzeln von meiner Seite.
Wurden alle Level durchflogen, deren genaue Anzahl von Welt zu Welt variiert, stellen wir uns dem Boss des Gebiets. Das Design aller Feinde, inklusive der Endgegner zeigt viel Liebe zum Detail. Hintergründe fallen begeisternd ins Auge. Nur spielerisch wurde hier einiges an Kreativität und Potenzial liegengelassen. Keiner der sieben Bosse benötigt eine spezielle Taktik. Immer weichen wir mit dem fliegenden Augapfel den Angriffen aus und rauschen dann im Gegenzug gegen eine kleine Schwachstelle, um den Bösewichten den Gar auszumachen. Nicht mal der Kampf gegen den Magier Greisenix, der den diebischen Antihelden auf uns gehetzt hat, wird so zu einem Highlight.
Abwechslung liegt im Auge des Betrachters
Sind wir einmal durch die Story gerauscht, bleiben uns mehrere Möglichkeiten: Level wiederholen, um alle Edelsteine zu finden, auf einem höheren Schwierigkeitsgrad, der uns nicht von Anfang an zu Verfügung stand, nochmal losfliegen oder – falls schon per Edelsteinen freigeschaltet – die Bossansturm und Speedrun Modi ausprobieren. Echte Abwechslung und Wiederspielwert war hier für mich nicht gegeben. Dafür hat mich der fliegende 2D-Platformer einfach zu wenig aus den Socken gehauen, um nach der Story noch Kanonenfutter-Biester für Collectibles zu verdreschen. Stattdessen höre ich mir beim Schreiben dieses Reviews lieber nochmal den exzellenten Soundtrack an.
Spaß hatte ich mit Witcheye kurzzeitig auf jeden Fall, vor allem die Kunst-Abteilung von Moon Kid imponiert. Als der Titel zum ersten Mal für mobile Endgeräte angekündigt wurde, habe ich große Hoffnungen in diesen witzigen Sidescroller gesteckt. Jetzt wo ich das Teil am PC spielen durfte schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits will ich die Developer für die niedlichen Welten und kurzweiligen Level, die sie erschaffen haben, loben. Andererseits fühlt sich das Spiel zu anorganisch an und gehört für mich auf den Touchscreen. So bleibt mir Witcheye als einziges Devolver Digital Game der jüngeren Vergangenheit in Erinnerung, das mich nicht völlig mitgerissen hat.
6/10 👁️
Developer: Moon Kid, Peter Malamud Smith
Publisher: Devolver Digital
Genre: Platformer
Musik: Peter Malamud Smith
Veröffentlichung: 15. August 2019 (Android, iOS), 27. August 2020 (Steam, Switch)
Der Historiker von WTLW. Spielt alles vom Walking Simulator bis zum Point-and-Click Adventure, am Liebsten aber RPGs mit guter Narrative und Strategie.