Angespielt | Das Steam Next Fest Juni 2022

Ein Angespielt? Oh ja. Denn das Steam Next Fest gab sich diesen Juni erneut alle Mühe, mir ganz persönlich zu gefallen.

Im Rahmen des Steam Next Fest im Juni 2022 sind einige neue Demos erschienen, die ich angespielt habe. Wie in der Serie üblich, bekommt ihr meine spontane und subjektive Reaktion in kleinen Schnipseln. Dabei gilt stets: Die Demos können, müssen das fertige Spiel aber nicht repräsentieren. Darum schnuppert gerne selbst rein! Und wenn die Demo überzeugt, setzt das Spiel auf eure Wunschliste – das hilft Developern, das Interesse an ihrem Werk abzuschätzen. Und jetzt: Viel Spaß mit Angespielt Juni 2022 Edition.


WHATEVER

Napas Torteeka / Pineapple Works (soon | Steam)

Habt ihr einmal als Kind einen bis zum Rand mit Dosensuppen gefüllten Einkaufswagen durch einen Supermarkt navigiert? Bestimmt. Und sicher erinnert ihr euch, wie schwierig es war, das träge Ding mit den vier ungleichen Rollen unfallfrei an die Kasse zu schieben. Und jetzt stellt euch vor, ihr seid ein Seebär mit einer Pfeife im Mund und bekommt die Aufgabe, ein riesiges Containerschiff durch einen engen Kanal zu manövrieren. Na, klingelt was? Richtig. Der Vorfall mit der Ever Given, der eine Welle an Memes lostrat. Das Bild des riesigen Stahlkolosses, das hilflos auf einer Sandbank hing wie ein sonnenbadendes Walross, ist wohl nicht nur mir haften geblieben. Developer Napas Torteeka hat den Vorfall in ein Spiel umgemünzt, das ich Benja wohl besser nicht schenke.

Denn die WHATEVER, so heißt der Polygon-Containerpott, driftet wie ein vollbeladener Einkaufswagen geschoben von einem Dreikäsehoch. Ich habe fünf Versuche gebraucht, bis ich nicht mehr in der ersten Kurve im Sand stecken geblieben bin. Und das geht schnell: Kaum berühre ich den Rand, saugt sich die Ever G– ich meine die Whatever, fest, als steckte sie im Treibsand. Und das wars erst einmal, nix Pufferzone. Dann kann zwar ein Bagger gerufen werden, der kostet aber Münzen oder Zeit. Hatte ich das Zeitlimit erwähnt? Wird das überschritten, gibt es einen hämischen Zeitungsbericht. Ich muss sagen, die Idee ist genial und der Spaßfaktor ist groß. Und als ich den Dreh im wahrsten Sinne des Wortes einmal raushatte und mein Schiff in aller letzter Sekunde mit majestätischen nine miles per hour über die Ziellinie glitt, da habe ich wahren Triumph verspürt.


We Stay Behind

Backwoods Entertainment / Application Systems Heidelberg (tba | Steam)

We Stay Behind, ehemals RESORT, wird von Backwoods Entertainment entwickelt und – wie auch schon Unforeseen Incidents – von Application Systems Heidelberg gepublished. Anders als im letztgenannten Point-and-Click Adventure ist der Zwischenfall in We Stay Behind allerdings vorhersehbar. Denn auf die kleine Stadt Laburnum Creek kommt ein Meteor zu. Ich musste direkt an die Gesellschaftssatire Don’t Look Up denken, doch diesmal ist wirklich nur eine kleine Stadt bedroht. Und während ich da in einer dreidimensionalen Welt einen Van über eine kurvige Straße steuere (und gleichzeitig versuche, den Dialog zu lesen, ohne im nächsten Baum zu landen), stelle ich mir die Frage: Wieso wollen die Einwohner_innen bleiben? Journalistin Laura, deren Auto ich da gerade fahre, fragt sich das Gleiche. Also sucht sie Antworten bei denen, die es wissen müssen. Doch die reden nicht. Stattdessen wird aus einer simplen Frage ein gefährliches Mysterium.

Ich will ehrlich sein: So spannend die Prämisse ist, so viel Feinschliff benötigt das Spiel noch. Die Demo crasht einmal, doch auch beim zweiten Mal will sich die Immersion noch nicht so richtig einstellen. Die Perspektive hält mich als ferne Beobachterin im Hintergrund, sodass Mimik und Gestik der Charaktere keine Wirkung entfalten. Die Musik setzt stellenweise aus, sodass ich in brennender Stille schmore, während die Dialoge endlos langsam an mir vorbeiziehen. Obwohl sie gut geschrieben sind, lösen sie in mir nicht allzu viel aus. Zu kulissenhaft wirkt die traumhafte Umgebung. We Stay Behind hat Potential, das ist in den zehn Minuten Demo zu erspüren. Doch es wird noch Zeit ins Land gehen, bevor Laburnum Creek seine Geheimnisse enthüllt.


The Cub

Demagog Studio / Untold Tales (tba | Steam, PS5, PS4, Xbox Series X|S, Xbox One, Switch)

Ich mag es immer, wenn Spiele mir eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Und The Cub startet direkt mit schweren Geschützen. Da ist die gute Gänsehaut, weil Radio Nostalgia from Mars spielt und ich direkt wieder „drin“ bin. Ich kenne es noch von Golf Club Wasteland, dessen geistigen Nachfolger ich nun vor mir habe. Und da ist die schlechte Gänsehaut, weil die Menschheit einen brutalen Exodus hinter sich hat und die Erde nun zum verlassenen Planeten geworden ist. The Cub ist ein zurückgebliebenes Kind, von Wölfen aufgezogen und nun mehr Tier als Mensch – in den Augen der Besucher_innen zumindest, die als reiche Touristen auf die Erde zurückkehren. Inspiriert ist die Geschichte, ihr ahnt es, vom Dschungelbuch.

Dieses Kind rennt nun durch eine feindselige Welt, in denen Kreaturen und Menschen auf sein Leben lauern. Es springt, es krabbelt und schwingt sich wie Mogli an Lianen durch die Apokalypse. Ich bin miserabel in flotten Plattformern, aber ich bleibe dran. Zumindest, bis ich wiederholt ins Visier eines Gewehrs gerate und einfach nicht schnell genug bin. Aber die Demo bietet mit verschiedenen Spielausschnitten genug Einblick, damit ich sagen kann: Der Schwierigkeitsgrad ist fair. Die Mechaniken sind frisch und der Look genau richtig. Er hält sich an den Stil von Golf Club Wasteland, wirkt aber noch detaillierter und durchdachter. Natürlich darf auch mein Freund, die Albino-Giraffe, nicht fehlen. The Cub hat allein schon dank seines Soundtracks von mir einige Vorschusslorbeeren erhalten, doch ich bin sicher, es kann auch anderweitig überzeugen.


NAIAD

HiWarp (Q3 2022 | Steam, PS5, PS4)

Diese Demo habe ich während des Hitzewochenendes gespielt. Und es war, als wäre ich kurz im Urlaub gewesen und hätte in angenehm kühlem Quellwasser getaucht. NAIAD ist die Reise eines Wasserwesens, das sich schwimmend den Weg durch Bäche, Flüsse und Teiche bahnt. Dabei steht der Genuss im Vordergrund. Ich möchte an mehreren Stellen anhalten, um die Szenerie zu genießen: Eine Entenmutter mit ihrem Küken, das aufgeregt auf den Steinen herumwatschelt, bannt meinen Blick. Sanft dahintreibende Seelilienblätter laden zum Verweilen ein. Doch der Strom zieht mich weiter. Ich kann mich gar nicht sattsehen an dem spielerisch-gemalten Stil und den wunderbaren Farben.

Normalerweise beschwere ich mich, wenn die Demo zu kurz ist. Diesmal ist sie fast zu lang, denn das Verständnis für die Mechaniken kommt intuitiv bereits nach wenigen Minuten. Am Ende treibe ich eine Stunde durch die Wässer und sammele verlorene Entenküken mit meinem ätherischen Gesang ein. Oder ich jage Frösche in Richtung Seelilienblätter, wo sie ihr Froschkonzert anstimmen. Das gebe ich aber schnell auf, zu ungenau bewegen sich die Frösche – ich bin eben eine Najade, kein Hütehund. Darum folge ich dem Flow und schaue dem Leben im Fluss zu, das hin und wieder von Menschen gestört wird. Auch in NAIAD wird die Zerstörung des Lebensraums Wasser zum Thema. Ich bin sicher, wer einmal durch die azurblauen Wässer geglitten ist, wird mir zustimmen, dass dieser wundersame Lebensraum schützenswert ist.


Cats and the Other Lives

Cultic Games / Maple Whispering Limited (2022 | Steam)

Wie oft habe ich den Kater angeguckt und mir gedacht: „Was wohl in seinem Kopf vorgeht?“ Die Antwort ist: Instinkte und eine Menge Unsinn. Katzen sind wirklich wundersame Wesen. Geheimnisvoller als Hunde, scheinen sie stets da zu sein, wo etwas passiert. Es erscheint also wenig verwunderlich, dass die Protagonistin Aspen von Cats and the Other Lives selbst eine Katze ist. Eine betagte, doch ist sie noch agil genug, um ihrer Katzennatur hin und wieder nachzugeben. Während sie also durch das alte Herrenhaus streunt, schnüffelt sie an Gegenständen, schlüpft durch Löcher und streift um die Beine der Bewohner_innen. Währenddessen hört sie alle Gespräche mit, und so entfaltet sich vor meinen neugierigen Augen langsam eine Geschichte. Die Geschichte einer Familie, die zur Beerdigung des wenig beliebten Großvaters im Hause Mason zusammenkommt.

Das pixelige Mystery-Abenteuer vereinnahmt mich während seiner ausführlichen Demo völlig. Ich finde selbst heraus, wie ich mit der eigensinnigen Katze umzugehen habe und wo ich überall hin kann. Bei dem Streifzug durch das Herrenhaus störe ich Herrschaften bei ihrem Toilettengang oder zerbreche auch einmal Porzellan, aber vor allem spüre ich die Spuren vergangener Familienmitglieder auf. Denn Aspens Sinne gehen über die menschliche Wahrnehmung hinaus. Sie sieht Szenen aus der Vergangenheit und kann Geister sehen, die mir viel über die Entstehung einiger Konflikte verraten. Denn wie in der Kriminalkomödie Knives Out bedeutet der Tod eines Familienmitglieds eine Menge aufgewirbelten Staubs. Doch diesmal ist der Detektiv eine Katze, die auf Samtpfoten in eigener Sache ermittelt. Ich kann es kaum erwarten!


Old Skies

Wadjet Eye Games (soon | Steam)

Okay, ich habe neulich schon die Ankündigung für Old Skies auf Twitter gesehen. Wadjet Eye Games, bekannt für die Veröffentlichung von Strangeland, Primordia und für ihr eigenes Spiel Unavowed haben mit Old Skies ein neues Point-and-Click angekündigt. Aber nichts konnte mich auf den emotionalen Impact vorbereiten, den diese Demo auf mich hatte. Old Skies ist in der Science-Fiction angesiedelt, genauer gesagt im Subgenre Zeitreisen und Paralleluniversen. Ich musste direkt an Marvel Serie Loki denken, die Parallelen sind da. Was mir sogar gefällt. Denn ich verstehe schnell die Rolle einer Behörde, die das Zeitreisen überwacht und stets die Stabilität der einen Zeitlinie im Blick behält. Aber ich verstehe auch den Preis, den es kostet, viele mögliche Zukünfte nicht erleben zu dürfen. Jede Zeitreise greift in die Vergangenheit ein und ändert die Zukunft. Und es gibt Leute, die schauen müssen, dass Zeitreisetouristen keinen Unsinn anstellen.

Joe als Zeitreisetouristen zu bezeichnen ist vielleicht etwas hart. Aber Fia, Protagonistin von Old Skies, begleitet ihn auf eine Tour in seine Vergangenheit 2024. Heißt, die beiden kommen aus einer entfernten Zukunft, und das ist spürbar. Fia trägt einen persönlichen Assistenten namens Nozzo (ein Hologramm) mit sich herum und ist generell mit High Tech ausgestattet. Ihr Lieblingsfluch ist „Oh, blast it“ und ihr selbstreinigender Anzug kann sich an die jeweilige Mode anpassen. Wenig überraschend geht bei dem Trip nicht alles glatt. Aber warum Joe nicht nur eine Stippvisite seines alten Lieblingsdiners plant und ich am Ende emotional angegriffen war, das müsst ihr jetzt selbst herausfinden. Aber lasst mich euch verraten, dass die fesche Grafik und die authentische Synchronisation wesentlich dazu beigetragen haben.


Das Steam Next Fest Juni 2022 lief vom 13. bis 20. Juni auf Steam. Das nächste Steam Next Fest erwartet uns im Oktober.

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Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

2 Gedanken zu “Angespielt | Das Steam Next Fest Juni 2022

  1. Ich habe auch einige Steam Next Fest Demos gespielt, aber fast nur Retro Shooter 😬
    We stay behind habe ich aber auch gespielt und stimme da voll zu. Es hat Potenzial, aber wirkt noch sehr unfertig. Ich weiß nicht, ob sich die devs mit solchen frühen Demos einen Gefallen tun.
    Dass es eine Demo zu Old Skies gab, habe ich leider nicht mitbekommen. Die hätte ich sonst auch gespielt.
    Die Demo zu Cats and the Other Lives kann man aber noch spielen, was ich so eben getan habe. Gefällt mir richtig gut, ist auf der Wunschliste gelandet. Vielen Dank für den Hinweis darauf.

    1. Es freut mich sehr, dass du Cats and the other lives dadurch entdeckt hast 🙂 Generell danke für dein Feedback! Leider sind Retro-Shooter so gar nicht mein Genre, sonst hätte ich bestimmt einen mit reingenommen. Und die Demo zu Old Skies kommt bestimmt wieder.

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