Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit | Indiana Jones in weiblich und hüftsteif

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit interpretiert Point-and-Clicks mal anders.

Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten. Ich empfinde Pixelart beispielsweise als schön. Die farbliche und kompositionelle Ästhetik funktioniert stellenweise besser als bei animierten Spielen, die flugs im Uncanny Valley landen. Das bezeichnet die als unheimlich wahrgenommene Nähe von animierten Figuren zu echten Menschen. Sie löst in ihrer Unvollkommenheit ein ungutes Gefühl aus. Das kennen wir aus schlechten Animationsfilmen, aber vor allem aus Videospielen. Darum entscheiden sich viele Indie-Studios gegen animierte Charaktere und für gezeichnete, pixelige oder tierische Hauptdarsteller, sofern passend. Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit geht einen mutigen Weg und arbeitet mit 3D-Figuren vor handgezeichneten Hintergründen.

Das Tal des Grauens

Schon beim ersten Blick in die Trailer bekomme ich leichtes Gruseln. Die Hauptfigur, eine junge Frau namens Milda, hat ein puppenhaftes Gesicht mit großen, runden Comicaugen und einen starren Blick Richtung Regal. Es hilft nicht, dass sie laut Spielbeschreibung ein „girl“ ist, also ein Mädchen. Mit ihrer Sanduhrfigur und dem sportlichen Kleidungsstil wirkt sie eher wie Anfang 20. Ihre Animationen, als sie einen Stuhl beiseiteschiebt, wirken hölzern und passen nicht zur Bewegung des Stuhls. Der Gang der Bewohner_innen erinnert mit dem leichten Wiegen in den Hüften und dem starren Oberkörper an Pokémon Schwert und Schild, und das meine ich nicht als Kompliment. Kurzum: Willkommen im Uncanny Valley.

Aber halt, bevor ihr mir alle an die Kehle springt: Ich weiß selbst, Dinge sollten nicht nach dem Äußeren beurteilt werden. Auch ein, dem persönlichen empfinden nach, unansehnliches Spiel kann eine tolle Geschichte erzählen, und ein wunderschönes Spiel kann gähnend langweilig sein. Also sezieren wir doch mal die Story. Milda erbt von ihrem Großvater und reist dafür nach Litauen. In Europa angekommen, wird sie von einem Fremden bedroht, ihr Erbe nicht anzutreten. Statt diesem gutgemeinten Rat Folge zu leisten, verbeißt sie sich in die Familiengeschichte und nimmt das Haus auseinander. Natürlich stößt sie dabei auf ein lange verlorenes, mysteriöses Relikt. Ganz ehrlich: Ich muss direkt an Indiana Jones denken. Eine weibliche Indy, die ein Haus auf den Kopf stellt und nach Spuren sucht? Okay, ihr habt mich.

Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit hat ein Namensproblem

Den Titel Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit finde ich zugegeben etwas albern, zu lang und nichtssagend. Ich übersetze mal hilfreich: Kronen und Pfand: Königreich der Täuschung. Wie wäre es stattdessen Milda Jones und das Königreich der Täuschung? Perfekt, da will ich gleich mal die Filmrechte erwerben. Klingt trotzdem nicht nach Point-and-Click Adventure und Freestyle-Schnüffelei, sondern eher nach einem mittelklassigen RPG. Aber gut, wenn es sich bei dem gesuchten Relikt um eine Krone handelt, die im lokalen Pfandhaus liegt, weil der ehemalige Besitzer betrogen wurde und sein Königreich verloren hat, drücke ich ein Auge zu. (Ich hoffe wirklich, nicht den Plot gespoilert zu haben. Das ist zum Glück eher unwahrscheinlich, da von einer wenig bekannten europäischen Geschichte und einem Ableger des KGB die Rede ist. Indyyyyy!)

Zurück zu den Trailern. Neben den angesprochenen Figuren sehe ich auch einiges von der Mechanik, die mir soweit gut gefällt. Die Puzzles wirken lebensnah und abwechslungsreich. Von den voll vertonten Dialogen ist leider noch nichts zu hören, das dürfte dem Geschehen zusätzliches Leben einhauchen. Und auf den zweiten Blick habe ich mich fast an die irritierende Optik gewöhnt. Ich war nie in Litauen, aber die diversen Szenerien sehen lebhaft und idyllisch aus. Wenn das litauische Entwicklerstudio Tag of Joy es schafft, auch die plumpen Animationen etwas zu verfeinern, könnten wir doch noch Freunde werden. Zumal sie mit Headup Games neuerdings ein echtes Indie-Schwergewicht im Rücken haben. Und sie haben noch Zeit, im Laufe des Jahres 2022 soll das Adventure auf Steam erscheinen.

Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

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