Angespielt… | Die Demos des Steam Next Fest Februar 2022 Teil 2

Es ist mal wieder diese Zeit des Jahres. Die spannendsten neuen Demos des Steam Next Fest Februar 2022 – angespielt von Christina.

Wie im ersten Teil von Angespielt… Steam Next Fest Februar 2022 gilt: Alles, was ich beurteilen kann, ist der aktuelle Stand der Demo. Das ist immer ein aktueller Stand der Entwicklung und manchmal klappen Übersetzungen nicht, der Text fehlt oder weiteres funktioniert nicht, wie es soll. Ich versuche, das in meinen Text nur dann einfließen zu lassen, wenn es das Spielgefühl stark beeinträchtigt. Und wenn es sich grundlegend ändert, überarbeite ich meinen Eindruck (So bereits geschehen bei To Hell With The Ugly, dessen Demo zu Beginn wegen fehlender Texte kaum spielbar war. Mit der Integration eines Patch hat alles wunderbar funktioniert). Nachdem das gesagt ist, viel Spaß mit dem zweiten Teil der Demos des Steam Next Fest Februar 2022.


To Hell With The Ugly

La Poule Noir, ARTE France / ARTE France (2022 | Steam)

To Hell With The Ugly ist mir direkt aufgefallen. Es erinnert stark an Genesis Noir mit seinen jazzigen Klängen, den schlanken Figuren, die etwas unbeholfen über eine Szene staksen. Der einzigartige Look ist inspiriert von den 50ern und versprüht den Charme eines alten Filmposters. Töne von gelb bis rot werden von Komplementärfarben kontrastiert. Und die Geschichte klingt vielversprechend: Ein junger Mann wacht in einem Krankenhauszimmer auf. Er ist sich sicher: Jemand hat ihn unter Drogen gesetzt und verschleppt. Nur wer und warum, das weiß der junge Tunichtgut mit der blonden Tolle nicht. Also muss er in L.A. an den Ort des Geschehens zurückkehren und einige Untersuchungen anstellen. Das passt ein paar Gestalten nicht, denen er sich mit Fäusten erwehren muss.

Die Mischung aus Point-and-Click, Fighting Game und Detektivspiel mit einer gehörigen Prise Noir und etwas Dystopie zieht mich magisch an. Ich mag den Look, ich mag die Musik, ich mag das Setting. Der Originaltitel lautet übrigens: Et on tuera tous les affreux – Und man töte alle Schauderhaften – basierend auf dem Roman von Boris Vian, den dieser bereits 1948 schrieb. Statt nur darüber zu lesen, kann ich in der Spieleumsetzung meine laienhaften Mordermittlungen selbst durchführen. Denn aus der Privatsache Rock Baileys wird schnell ein Fall mit größeren Ausmaßen. Wie schon in der Vorlage bahnt sich eine bizarre Sci-Fi-Geschichte an, der aber die erotischen Komponenten fehlen dürften. In jedem Fall wartet eine übersättigte Reise in ein imaginatives 50‘s Los Angeles auf mich.


Firebird

Ludogram, FibreTigre, Quentin Vijoux / Ludogram (2022 | Steam)

Noch ein französisches Spiel. Die Demo von Firebird war nur auf Französisch spielbar, zum Glück hatte ich die Fremdsprache im Abi und fühle mich zumindest im geschriebenen Bereich sicher. Dabei spielt Firebird gar nicht in Frankreich, sondern in Sibirien. Meine Sprach-Skills brauche ich trotzdem, die Story wird ausschließlich über Dialoge und die inneren Monologe Mariskas vorangetrieben. Mariska, eine Truckerin/Schmugglerin/Kleinkriminelle (ok – sooooo gut ist mein Französisch vielleicht doch nicht mehr) kümmert sich um ein junges Mädchen, das aus einem Dorf irgendwo in Sibirien kommt. Um dem abgeschnittenen Dorf zu helfen, machen die beiden sich auf zu einem Roadtrip, der ihnen und ihrem Auto alles abverlangt. Praktische Aspekte wie Benzin-Management werden vermischt mit russischer Folklore, die eine große Rolle spielt. Zu allem Überfluss hängt ihnen auch noch ein verprellter Mafiaboss auf den Fersen.

Irgendwo zwischen Comicbuch und Visual Novel angesiedelt, bietet Firebird immer wieder Entscheidungen, die den Verlauf der Reise beeinflussen. Manchmal sind das Kopf-durch-die-Wand- oder lieber Köpfchen-an-Entscheidungen, mal die simple Frage nach dem Wohin. Der handgezeichnete Look könnte geradewegs aus dem nächsten Comic stammen und gefällt mir sehr. Die Illustrationen stammen von Quentin Vijoux, dessen lebhafte Alltagssituationen und Geschichten bereits Magazine und Kinderbücher zieren. Die Geschichte rund um Mariska und Vassilissa stammt von FibreTigre, Schöpfer_in der Out There-Reihe. Mich freut besonders, dass mit dem Setting in Sibirien mal weniger prominente Orte ins Rampenlicht gerückt werden und so eine Chance bekommen, ihre ganz eigenen Legenden zu erzählen.

Screenshot aus Firebird, Demoversion.

RESTLESS SOUL

Fuz Games / Graffiti Games (2022 | Steam)

RESTLESS SOUL ist eins von diesen Spielen, deren Humor mich grumpy macht. Es sind nicht nur Meta-Kommentare, die ständig eingestreut werden. Die Erzählstimme nimmt am Spiel teil, jeder Gegenstand, den ich anspreche, spricht und macht einen flotten Kommentar darüber, dass er spricht. Die Geister im Jenseits scheinen alle völlig gechillt, als seien sie keine rastlosen Seelen, die darauf warten, ins Totenreich überzugehen. Denn eigentlich hat RESTLESS SOUL ein ernstes Thema: Das Loslassen des Lebens, das Akzeptieren des Todes. Davon bekomme ich in der Demo nicht viel mit. Stattdessen sammele ich Buchstaben und latsche Gebäude ab. Die Dreidimensionalität tröstet mich nicht über den minimalistischen Pixelstil hinweg. Mir gefällt er nicht, ebenso wenig wie die eintönige Chiptune-Melodie im Hintergrund.

Ich liebe Pixelart-Spiele. Und dieses setzt den alten Geist (hah) in eine neue Perspektive. Leider verwendet es ein nerviges Kampfsystem, das ich sicher nicht ein ganzes Spiel lang durchziehen möchte. Warum hat es überhaupt ein Kampfsystem? Es sind doch schon alle tot! Zudem bewirft es mich mit ach so selbst-reflektierten Meta-Kommentaren. Das funktioniert in Spielen wie dem Buddy Simulator 1984, an den ich mich permanent erinnert fühle. Doch in dem Pixelart-RPG von Fuz Games passt für mich nichts zusammen. Ich betone, dass es sich dabei um eine vollkommen subjektive Einschätzung handelt. Doch die humorvolle Geschichte über das Jenseits darf gerne ohne Player 1 stattfinden. Auch wenn es möglich ist, den Hund zu streicheln.


Mini Maker: Make A Thing

Casa Rara (2022 | Steam)

Mini Maker gibt dir einen Haufen Müll, der aussieht wie die Kinderkiste der Zerstörung, die im Keller ganz unten unter der Campingausrüstung und den Yogamatten liegt. Und daraus sollst du jetzt etwas machen, das deine zahlenden Kunden zufrieden stellt? Schon klebst du fröhlich Körperteile an eine Basis, pappst Nasen, Augen und Hotdogs darauf, manschst etwas Farbe quer über den Körper und zack! Frankensteins Funko Pop ist geboren. Ich übertreibe nicht. Was meine Kreationen erdulden mussten, liegt jenseits jeder Grenze von Ästhetik. Präzision und den von mir so geliebten „Rückgängig“-Knopf kann ich vergessen, hier herrscht künstlerische Anarchie. Welch ein Hohn, dass mein Produkt am Ende in einer Galerie ausgestellt und von Gästen betrachtet wird!

Nun, über Kunst zu urteilen wäre vermessen. Aber um Kunst geht es auch gar nicht. Das grenzenlose Erschaffen wird gestört von allen möglichen Stickern, die über meinen Bildschirm flattern. Manchmal sind es nützliche Items, die ich nicht eingefangen bekomme, manchmal nervige Gegner. Sie stören meine Kreation, indem sie unerwünschte Gegenstände anbringen oder ihre Farbe auf meinem Werk verklecksen. Kann ich denn nicht mal in Ruhe arbeiten?! Jetzt lass mich doch meine Bananenschale auf dem Kopf meiner Figur anbringen! Von allen Aspekten an Mini Maker: Make A Thing stört mich die ständige Ablenkung mit bunten Grausamkeiten noch am meisten. Wenn ich schon Kunst auf Knopfdruck machen soll, dann doch bitte in meditativer Stille. Lassen konnte ich vom kreativen Chaos trotzdem nicht.


Night Cascades

Hanako Games (1. März 2022 | Steam)

Wie sollte man eine Demo nicht beginnen? Mit ganz viel Text. So zumindest meine persönliche Meinung, doch Night Cascades fängt sich dahingehend schnell. Der Text ist wenig subtil dargelegte Exposition, die mir in vielen Worten erklärt, was Diane in einer Polizeistation im Süden Amerikas macht. Sie ist eigentlich Autorin, Lehrerin und Babysitterin, aber eben auch Expertin für Folklore und das Übernatürliche – so zumindest die Andeutung. Und ein Fall erfordert ihr Fachwissen. Leider muss sie mit einer alten Bekannten namens Jack aus dem College zusammenarbeiten. Die beiden scheinen sich jedoch nicht nur zu kennen, sondern auch eine gemeinsame Vergangenheit zu haben. Die Visual Novel gibt sich sehr viel Mühe, Jackies Auftritt entsprechend zu inszenieren, sodass ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann. Aber irgendwie interessiert mich die Detektivgeschichte schon.

Ich habe Spaß daran, mehr über die Symbolik zu lernen, um die sich der Fall dreht. Um 1980 herum waren paranormale Kräfte noch etwas, an das viele Menschen glaubten. Obwohl ich dem nichts abgewinnen kann, finde ich die wissenschaftliche Beschäftigung damit interessant. Wichtiger ist allerdings, dass die Repräsentation queerer Figuren und ihrer alltäglichen Probleme derzeit in der Gaming-Industrie Fuß fasst. Dass sie auch ihren Weg in ein Detektivspiel findet, in dem ich nach visuellen Hinweisen suchen und daraus Schlüsse ziehen muss, freut mich als eingefleischte Hobbydetektivin besonders. Zudem wurde die „lesbian mystery visual novel“ über eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne finanziert. Es bleibt bis zum Release des Spiels abzuwarten, ob die typischen queeren Klischees vermieden werden und auch das Thema Homophobie in den 80ern kritisch adressiert wird.

Screenshot aus Night Cascades, Demoversion

Verne: The Shape of Fantasy

Gametopia (2022 | Steam, Switch)

Ich bin verliebt. Verne: The Shape of Fantasy klingt schon bei der ersten Note wunderbar. Ich komme nicht einmal dazu, die detaillierten Pixelintergründe zu würdigen. Stattdessen lausche ich den Klängen klassischer Orgelmusik. Ich liebe Orgelmusik! Wenn ich sie höre, möchte ich immer lachen und weinen zugleich. Und nun beginnt der Auftakt zu einem solchen Abenteuer mit den epischen Klängen eines Orgelkonzerts! Was danach folgt, ist einfach nur fantastisch. Ich folge Jules Verne durch sein Universum, das parallel zu unserer Realität existiert. In seiner Welt namens Hemera gibt es Atlantis und ihre Wunder und Mythen rund um Gottheiten und verlorene Geheimnisse wirklich. Trotz der künstlerischen Freiheit machen mich die Parallelen zu Jules Vernes Buch Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer als Fan glücklich. Wer erinnert sich nicht an die riesige Muschel, die Käpt’n Nemo dem staunenden Abenteurer vorführt?

Verne: The Shape of Fantasy ist wie gemacht für mich, es zu lieben. Es hat raumfüllende Pixelkunst, die diesen Namen auch tatsächlich verdient. Es gibt eine umfangreiche Hintergrundgeschichte, die ich auch nachschlagen kann und hat mit Verne einen der berühmtesten Science-Fiction-Autoren des 19. Jahrhunderts im Rücken. Die versunkenen Ruinen mit ihren riesigen Mosaiken lassen mich den Atem anhalten. Ich habe schon viel gesehen, aber das reißt mich vom Hocker. Die Puzzles sind nicht schwer, aber genau so habe ich mir als Kind das Dasein als Archäologin vorgestellt! Alte, knirschende Steinpuzzles, die schwere Türen mit goldenen Siegeln öffnen… Ich wünschte, ich wäre es, die da unter Wasser hinter Käpt’n Nemo herläuft. Dazu kommt, dass das Point-and-Click-Adventure vollständig synchronisiert ist und die Sprecher_innen mir gut gefallen. Sie schaffen es, zu einem authentischen Teil der Geschichte zu werden. Ich kann gar nicht genug lobhudeln, Vernes Abenteuer ist eines meiner Must-Plays 2022.


The Nightmare Journey

Luiz Felipe Da Silva Marian, Nil Rocha / MushRoom Angels games (29. Juli 2022 | Steam)

Eigentlich wirkte The Nightmare Journey ganz vielversprechend. Ein kleiner Junge, der nachts beginnt, Monster und andere Schrecken zu sehen, muss sich diesen stellen. Wohl, weil er als reinblütige Seele auserwählt wurde. In einer albtraumhaften Reise bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich den Wesen seines Unterbewusstseins mit Köpfchen zu stellen. Nur so kann er vermeiden, von ihnen verzehrt zu werden. Das ist jedenfalls das, was ich der Steam-Beschreibung entnehmen kann, die offensichtlich mit einem automatischen Tool aus dem Brasilianischen ins Deutsche übersetzt wurde. Nur so können solch schöne Sätze zustandekommen wie „der Einbruch der Dunkelheit und was ihn am meisten erschreckt, in dieser kurzen Zeit der Dunkelheit überschreitet sein Syndrom die Grenzen des Psychischen“. Aber wir beurteilen ja ein Buch nicht nach dem Cover! Wie sieht es denn im Spiel aus?

Nun, nicht besser. Auf mich macht das Gameplay den Eindruck, als hätten die zwei Entwickler_innen noch nie ein Point-and-Click-Adventure in der Hand gehabt. Alles fühlt sich irgendwie umständlich an, ohne das nötige Feedback, ob mein Tun zu etwas führt. Wenn ich über Punkte schwenke, die eine Interaktion haben, erscheint eine Lupe. Zudem wird mir ungefragt ein Text angezeigt, meist beliebige Sätze wie „Ein Item“ oder „Das sollte ich erkunden“. Aber wie? Warum? Hindernisse müssen klassisch überwunden werden: Hole dies, suche das. Nur dass ich nicht herausfinden konnte, wie ich an Items komme. In meinem Rucksack habe ich zwar ein Gerät (?), konnte aber nirgends herausfinden, wie und ob ich es benutzen kann. Die Welt ist in einem Aquarell-Stil hübsch gezeichnet, doch das tröstet mich nicht über das Gameplay hinweg. Es sollte nicht das erste Rätsel in einem Puzzler sein, die Steuerung auszuknobeln. Da ist viel Luft nach oben.

The Nightmare Journey, Screenshot von der Steam-Page

The Wreck

The Pixel Hunt (TBA | Steam)

The Wreck zeigt mir, wie effektiv gut inszenierte Dialoge sind, um mir Personen näherzubringen. Ich sehe eine junge Frau, die durch eine hübsche Landschaft fährt. Junon philosophiert noch über romantische Komödien und Ryan Gosling, da bahnt sich die Wirklichkeit langsam zurück in ihre Traumwelt: Sie ist in einem Krankenhaus und war offensichtlich kurz bewusstlos. Gerade erst hat sie eine schlimme Nachricht erhalten, das erfahre ich anhand ihres inneren Gefluches. Während Dialoge mit Textfeldern am unteren Bildschirmrand stattfinden, spielen sich am oberen Rand Junons die inneren Monologe ab. Sie flucht, schweift ab, philosophiert und erinnert sich. Währenddessen kann ich auf rot markierte Wörter klicken, die ihren Gedankenstrom lenken. Oft driftet sie dabei von der Wirklichkeit weg, sodass sich die Szenerie ändert. Ein Zeitsprung ist erfolgt.

Das erinnert mich an einen Film, nicht nur ausgehend von den cleveren Schnitten, sondern auch von der Bildsprache. The Wreck ist wahrhaft cineastisch, mit ungewöhnlichen Perspektiven und für sich sprechende Blickwinkel. Der Blick durch das Aquarium, als Junon mit der Person außerhalb des Bildausschnitts spricht? So etwas bleibt im Gedächtnis. Auch wenn die Personen die Lippen beim Sprechen nicht bewegen, was sie steif aussehen lässt, ist die Leistung der Synchronsprecher_innen bemerkenswert. Ich liebe den französischen Akzent, ihre direkte, ehrliche Art und ihre blühende Fantasie. Und ich möchte mehr wissen, über ihre Mutter, ihr Leben und sie selbst. The Wreck ist erzählt von einer Frau nach wahren Ereignissen, und vielleicht ist das der Grund, dass sich alles so unfassbar real anfühlt.


Das Steam Next Fest Februar 2022 läuft noch bis zum 28. Februar 2022 auf Steam. Aktuelle Übertragungen und die angebotenen Demos des Events findest du hier.


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Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

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