Crypto Is Dead | Der Reiz der Lohnarbeit

The Moon Pirates kündigen ihr neues Spiel namens Crypto Is Dead an, das dem Erfolgsrezept von Papers, Please folgt.

Ich habe immer wieder gesagt, dass ich mit Stress in Spielen nicht umgehen kann. Das gilt ganz besonders für Zeitdruck, unter dem ich einfach nicht funktionieren will. Allerdings gibt es für jede Regel eine Ausnahme. Und diese Ausnahme sind Spiele wie Papers, Please, Mind Scanners oder auch Death and Taxes. Sie funktionieren alle ähnlich: Ich bin Lohnarbeiterin eines Systems und befolge simple Arbeitsanweisungen, die mich unter moralischen Druck setzen. Allerdings wird dank routinierten Arbeitsablaufs und des gewissen finanziellen Anreizes eine Rechtfertigung für blinden Gehorsam geschaffen – so lange, bis ich die Konsequenzen meiner entmenschlichenden Fließbandarbeit nicht mehr ertragen kann. Ich könnte diese Spiele in Ermangelung eines griffigen Titels als „Simulation menschlicher Obrigkeitshörigkeit angesichts moralischer Fragen“ bezeichnen, aber dann würde sie keiner kaufen. Darum nenne ich sie einfach Beamten-Sim, da ich meist die Rolle eines kleinen Rädchens in einer größeren Struktur annehme.

Geld regiert die Welt

Und nun folgt nach Mind Scanners das nächste Papers, Please-like, das sich noch enger an die Vorlage aus 2013 hält. Crypto Is Dead heißt das frisch angekündigte Projekt von The Moon Pirates (die kennt ihr aus dieser von Tobi besprochenen Dystopie) und es spielt statt in einem fiktiven Staat namens Arstotzka in einer Wirtschaftskrise. In jener fiktiven Zukunft sind Kryptowährungen das Zahlungsmittel der Wahl, umso härter trifft ein Anschlag darauf die gesamte Weltwirtschaft. Um die Wirtschaft zu retten, entscheidet die Central Bank, für einen begrenzten Zeitraum physische Währungen zurück in Umlauf zu bringen. Das eröffnet wiederum eine Nische für Prüfer_innen, die sich mit Banknoten auskennen. Also öffne ich, meines Zeichens Notaphilist_in (sprich Papiergeldkundler_in), flugs meine eigene Bank und nehme die Scheine im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe. Dazu stehen mir wieder einige Werkzeuge zur Verfügung.

Ganz grundsätzlich profitiere ich in diesem Szenario vom Leid anderer, ein Merkmal der meisten Beamten-Sims. Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zur politischen Dystopie von Papers, Please: Ich besitze eine passionierte Hingabe zu meinem Hobby und werde nicht unter Androhung von Strafe zur Ausübung meines Jobs gezwungen. Vielleicht werde ich sogar reich damit? All das ist auf 30 Tage begrenzt, auch das dürfte euch aus den entsprechenden Verwandten bekannt vorkommen. Innerhalb dieser Zeit kann ich vermutlich verschiedene Wege beschreiten, wobei mich kaum moralische Fragestellungen erwarten dürften. Immerhin verweigere ich keinen Flüchtigen die Einreise ins sicher geglaubte Asyl oder verurteile willkürlich Menschen zum Tode. Ich strebe auf Kosten einer angezählten Währung nach meinem eigenen Aufstieg und nach der Verbesserung meiner Ausrüstung, die ich mir mit harter Arbeit verdiene.

Crypto Is Dead, es lebe Crypto?

Harte Arbeit ist das Stichwort. Manch eine_r mag die Stirn runzeln und sich fragen, wozu in aller Welt es Simulationen gibt, die vollste Konzentration fordern und keine Fehler verzeihen. Ich kann nur sagen, dass ich eine Schwäche für derartige Spiele habe, zu denen ich auch Not For Broadcast und Orwell rechnen könnte. Jene Dystopien fordern, ohne zu überfordern, indem sie mir eine klare Rolle zuweisen. Es liegt an mir, meine Position zum Guten oder zum Bösen auszulegen. Ich kann es kaum erwarten, mich endlich mit der Lupe über die Geldscheine herzumachen. Aber noch steht offiziell kein Release-Datum für Crypto Is Dead fest, daher hier meine wilde Hypothese: Wer genau hinsieht, erspäht auf Steam die Jahreszahl 2023 auf den veröffentlichten Screenshots. Hoffen wir mal, dass die Beamten-Sim vor jenem Jahr erscheint, aber es wirkt wie ein deutlicher Fingerzeig seitens The Moon Pirates.

Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

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