Dorfromantik | Liebe auf den ersten Blick

Toukana Interactives Baby Dorfromantik lernt bald laufen. Meine Liebeserklärung an ein fast perfektes Spiel.

Am 25. März 2021 erschien Dorfromantik und mein Niedergang begann. Gut, beides ist nicht ganz richtig: Dorfromantik ging in den Early Access und ich war glücklich, einen Key für das deutsche Strategiespiel zu gewinnen. Und da ich damals sehr viel Zeit hatte, sammelten sich sehr schnell Stunden an. Viele, viele Stunden! Nach fast einem Jahr Early Access geht Dorfromantik auf seinen finalen Release zu und es ist Zeit für einen Rückblick. Denn der simple Puzzler ist eine deutsche Erfolgsgeschichte, die im Studium ihren Ursprung fand.  Aus einem der Prototypen entwickelten die vier Student_innen bei Toukana Interactive im Masterprogramm letztendlich ihr Spiel. Nach dessen vorläufigem Release gewannen sie prompt den Deutschen Computerspielpreis 2021 für Bestes Game-Design und Bestes Debüt. Die Gewinnsumme war gut angelegt, denn der Early Access war keine Ausrede, um die Füße hochzulegen.

Als Dorfromantik 2020 erschien, stand mir nur einer der zwei Modi zur Verfügung: Der Challenge-Modus gibt mir eine feste Anzahl zufällig generierter Karten, die ich aneinander legen muss. Durch das Erfüllen von Aufgaben erhalte ich Punkte und weitere Karten. So kann das Spiel im Prinzip endlos weitergehen – es sei denn, mir gehen die Karten aus. Dann erhalte ich einen High Score und zack, geht die nächste Runde los. Achievements motivieren mich dazu, auch einmal auf ein Detail spezifisch zu achten. So gibt es beispielsweise eine Belohnung, wenn ich eine gewisse Anzahl Karten platziere, ohne sie zu rotieren. Allein dieser Challenge-Modus war zum Start in die offene Entwicklungsphase so ausgereift, dass Dorfromantik auf Anhieb funktioniert hat. Am Releasetag urteilten 1645 Rezensent_innen auf Steam positiv – heute steht Dorfromantik bei 12.000+ und dem Prädikat „Äußerst positiv“.

Ein neuer Herausforderer erscheint!

Ich habe die ersten Betas und Updates alle miterlebt. Neben kleineren kosmetischen Anpassungen brachte der Creative Mode die größte Neuerung. Seitdem kann ich nicht nur völlig frei und kreativ bauen, sondern auch die Map aus dem Challenge Modus weiter gestalten. Neue Achievements motivierten sogar mich als Belohnungsmuffel zum Weiterspielen. Dorfromantik war mein Spiel zum Abschalten, zum Herunterkommen, zum Währenddessen-Podcast-hören und trotzdem war die Herausforderung immer da. Ich bin bis heute stolz auf meine 88% Vervollständigung der Achievements – darunter auch viele seltene Errungenschaften. Auf das Score Board habe ich es dagegen nie geschafft. Die 20.000 Punkte habe ich erst kürzlich geknackt, während es bereits Höchstwerte von über 500.000 Punkten gibt. Mein Augenmerk lag immer auf der Ästhetik und Symmetrie.

Und sowohl der harmonische Look als auch die Musik prägen Dorfromantik. Natürlich ist der Challenge-Modus auf das Verbessern, das Streben nach dem Punktestand, ausgelegt. Aber die entspannte Musik macht es mir unmöglich, mich gestresst zu fühlen. Gleiches gilt für das Aussehen: Nachdem am Anfang bereits niedliche Dörfer, Wäldchen und bunte Felder zur Verfügung standen, kamen nach und nach verschiedene Biome, Gebäude und Tiere hinzu. Eine Bärin mit ihrem Jungen oder eine träge Katze belebten das Bild – aber nur, wenn ich auch wirklich hinschaue. Zoome ich im Laufe meines Spiels heraus, rücken die Details in den Hintergrund und ich sehe nur noch die Muster, die ich erschaffe. Die wurden immer vielfältiger, da jede Karte ein bisschen anders schattiert ist. Je nach Position wird der Wald zu einem dunkelgrünen Fichtenwald, einem tristen Forst oder einem beschneiten Winterwunderland.

Wahre Dorfidylle

Kleine Boote fahren über meine Flüsse und durch meine Wasserbahnhöfe. Wenn ich mir einmal die Zeit nehme und die Umgebung genieße, wird mir klar, dass es die ganzen kleinen Details sind, die Dorfromantik von anderen Städtebausimulationen abheben. Ich besitze ISLANDERS, kenne Town Scaper und doch war es Dorfromantik, das mich langfristig abholen konnte. Die Ähnlichkeit zum Brettspiel Carcassonne fiel den vier Student_innen übrigens erst nach der überwältigenden Welle an Feedback auf. Ich habe Carcassonne immer nach meinen eigenen Regeln gespielt. Punkte waren mir egal, stattdessen legte ich kleine Wiesen und Felder und freute mich an stetig wachsenden Städten.

Irgendwann kam der Punkt der Ermüdung. Ende 2021 hörte ich auf, es fehlte schlicht die Zeit, mich in ausufernden Sessions zu versenken. Doch mit der Ankündigung des Full Release kehrte ich zurück und war prompt wieder heimisch in der endlosen dörflichen Idylle. Die letzte große Veränderung wird ein Modus sein, in dem sich die eigenen Bedürfnisse anpassen lassen. Wer also lieber weniger Schienen und dafür mehr Wasser verbauen möchte, kann sich diesen Traum dann erfüllen. Wie schon bei allen Updates wird dieses Feature in einer offenen Beta-Phase getestet. Toukana Interactive hat seit Beginn auf die Spieler_innen gehört. Sogar den Wunsch nach einem „Rückgängig-Funktion“ haben sie ihnen erfüllt – ein Bonus, den ich nicht mehr missen mag. Wie oft habe ich aus Versehen einen Stein platziert, nur um mir dann die Hand gegen die Stirn zu schlagen. Doch nicht dort!

Dorfromantik war schon immer mehr

Die Art, wie die vier Student_innen mit ihrer Spielerschaft interagieren, ist vorbildlich. Keine Frage bleibt unbeantwortet, kein Feedback ungelesen. Dorfromantik war von Anfang an ausgereift und durchdacht und ist dank dieser großartigen Zusammenarbeit zu einem Dauerbrenner herangewachsen, der völlig zurecht bereits von uns ausgezeichnet wurde. Von wegen, Deutschland kann keine kreativen Spiele! Obwohl das ambitionierte und zu Recht preisgekrönte Studentenprojekt als Strategiespiel durchgeht, straft es die Klischees über das deutsche Lieblingsgenre Lügen. Für mich war es schon immer mehr als das. Meine ganz persönliche Oase des Wohlfühlens wird am 28. April 2022 erwachsen, wenn das Launch-Update erscheint. Ich fühle mich, als hätte ich ein Kind aufwachsen sehen und könnte nicht glücklicher sein, diese Erfolgsgeschichte von Kinderschuhen auf begleitet zu haben.


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Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

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