Tandem: A Tale of Shadows Review | Teddybär am Spieß

Im Puzzle-Platformer Tandem: A Tale of Shadows von Monochrome Paris und Hatinh Interactive sind Perspektivwechsel unerlässlich.

Als Kind hatte ich ein Stofftier, das ich überall mit hingenommen habe. Grünling war ein Krokodil, etwa in der Größe eines Tennisballs. Auch Nachts ist er nicht von meiner Seite gewichen. Aus Angst vor Diebstahl habe ich das flauschige Krokodil jede Nacht unter meinem Kinn eingeklemmt. Das war damals sozusagen mein Signature Move. Als Grünling dann nach einigen Jahren des Zusammenlebens im Italien-Urlaub nicht mehr aufzufinden war, war die Aufregung groß. Gemeinsam mit meinen Eltern, meinem Onkel, meiner Tante, meinem Cousin und dem Hotelpersonal haben wir überall nach meinem Kumpel gesucht und selbst im Speisesaal jedes Kissen umgedreht. Grünling war weg. Da ich schon damals nicht zur Theatralik neigte, blieben Tränen aus. Ein bisschen komisch war es natürlich trotzdem, ohne Grünling unterm Kinn einzuschlafen. Zwar hatte ich seitdem noch etliche Stofftiere, einen adäquaten Ersatz habe ich jedoch nie mehr gefunden.

Schattenwelt, wir kommen

So ein plüschiger Begleiter ist unter Kindern nichts Ungewöhnliches. Die kleine Emma findet im Puzzle-Platformer Tandem: A Tale of Shadows jedoch ein ganz besonderes Exemplar. Die zehnjährige Protagonistin unseres Abenteuers zieht los, um nach dem verschollenen Thomas Kane zu suchen. Die Zeitungen sind voll von dem Jungen, der auch als “Wizard Kid” bekannt und der einzige Sohn einer Illusionistenfamilie ist. Als Emma durch die dunklen, regennassen Londonder Straßen zieht, um nach Hinweisen für Thomas’ Verschwinden zu suchen, rauscht plötzlich eine Kutsche an ihr vorbei. Dabei wird ein kleiner Teddy aus dem Gefährt geschleudert. Das ist der Teddybär, den Thomas Kane auf den Zeitungsfotos fest umklammert hielt. Zu Emmas Überraschung steht das Plüschtier kurzerhand von dem glänzenden Kopfsteinpflaster auf, um der Kutsche, in der sein Besitzer sitzt, hinterherzulaufen. Natürlich lässt die kleine Detektivin sich diese Spur nicht entgehen und folgt Fenton, dem Teddybären des verschwundenen Thomas Kane.

Schon bald finden Emma und ihr neuer Verbündeter sich auf einem riesigen, furchteinflößenden Anwesen wieder. Emma stellt direkt klar, dass sie die Suche nach dem Jungen in dem pompösen, viktorianischen Schloss nicht alleine bewältigen kann. Fenton und sie müssen zusammenhalten, wenn sie den Besitzer des Bären wiederfinden wollen. Der Teddy spricht zwar nicht, scheint gegen den Vorschlag aber auch nichts einzuwenden zu haben. Also wagen sie sich hinter die dicken Mauern, die von Beginn an nichts Gutes zu verheißen scheinen. Fenton wird von einem Schatten in die Höhe gezogen und verschwindet. „Der Schatten lebt hier in vielen Dingen”, kommentiert Emma noch, bevor er in Form einer Krähe auftaucht und einen schimmernden Kristall vom Boden stiehlt. Ohne überhaupt genau zu wissen, was es mit dem Edelstein auf sich hat, weiß ich intuitiv: Den muss ich mir zurückholen! Und genau das ist unser Ziel in jedem der insgesamt 45 Level.

Tandem: A Tale of Shadows – hier ist Teamwork gefragt!

Auch wenn unsere bärige Begleitung nicht mehr an unserer Seite ist, bleibt er uns als treue Hilfe während des gesamten Abenteuers erhalten. Nur eben nicht mehr am Boden. Fenton steht jetzt über den Dingen und hüpft hoch über uns auf Plattformen, betätigt Knöpfe und legt Schalter um. Da er sich in der Schattenwelt befindet, ist um ihn herum alles in Schwarz-Weiße Ödnis getränkt. Steuere ich Fenton, ist mein Bewegungsradius recht eingeschränkt: Ich kann mich nach rechts und links bewegen und über kleinere Hindernisse hüpfen. Das alles funktioniert solange, bis Fenton vor einem unüberwindbaren Abgrund oder einer großen, schwarzen Schattenwand steht. In diesen Momenten kommt Emma ins Spiel, zu der ich jederzeit per Tastendruck wechseln kann. Dann schaue ich aus der Vogelperspektive auf das Mädchen herab, das sich seinen Weg durch die verschiedenen Trakte des Anwesens bahnt: Vom Heizungsraum geht es durch die Küche, ins Uhrwerk und schließlich ins Gewächshaus. 

Anders als bei Fenton ist dort unten alles in satte Farben getränkt. Beeindruckende Bücherwände, farbenfrohe Teppiche, leuchtende Insekten. Immer mit dabei ist Emmas Laterne, mit der sie das Schattenspiel in der Welt des Teddys beeinflussen kann. Kommt er einmal nicht weiter, muss ich mich mit der Laterne so in Position bringen, dass der Schatten ihm als Brücke oder Plattform dient – oder ihn zumindest nicht mehr in seinen dunklen Fängen einsperrt. Denn gibt es oben bei Fenton gar kein Licht, wird er von den Schatten umgeben und kommt nicht mehr von der Stelle. Anders als der Teddy kann Emma sich am Boden frei bewegen. Auch sie kann Knöpfe betätigen, die Fenton Türen öffnen oder andere Hilfsmittel freischalten. In Tandem: A Tale of Shadows sind Emma und Fenton ein eingeschworenes Team, das ohne einander nicht überleben kann.

Rätsel: 1, Story: 0

Und um nichts anderes als das nackte Überleben geht es hier. Emma hat am Boden mit zahlreichen Feinden zu kämpfen. Das können Spinnen sein, die ihr kurzerhand den Kopf abbeißen, Roboter, die sie angreifen oder Feuerwände, denen sie geschickt ausweichen muss. Fenton ist derweil damit beschäftigt, Emmas Gegner abzulenken oder ihr schützenden Schatten zu spenden. Dauert ihm das Versteckspiel am Boden mal zu lange, gönnt er sich ein kleines Päuschen und setzt sich hin. Wird seine Freundin einmal tödlich erwischt, vergießt er bittere Bärentränen. Aber auch der Teddy ist nicht vor Gefahren geschützt. Fällt er von einer Plattform herunter, wird er von spitzen Stacheln aufgespießt. Auch die Zahnräder, über die er sich in einigen Leveln in noch luftigere Höhen begeben muss, sind mit Stacheln versehen. Im letzten Trakt, dem Gewächshaus, ist Fenton ständig damit beschäftigt, den tödlichen Bienen auszuweichen. 

Jedes Level hält ein neues Rätsel bereit und dauert rund zehn Minuten. Und was soll ich sagen: Der Puzzler Tandem: A Tale of Shadows macht seinem Namen alle Ehre. Nie habe ich mich unterfordert gefühlt, nie wurde es langweilig, da die unterschiedlichen Welten immer neue Kniffe bereit hielten. Der etwas gruselig angehauchte Tim Burton Stil ist zwar nicht meiner, hat aber zum gesamten Setting gepasst. Insgesamt sah es echt cool, wenn an einigen Stellen auch etwas grob und unfertig. Vor allem die Zwischensequenzen am Ende jeden Levels waren so abgehackt, dass es mich manchmal geärgert hat. Und dann wäre da noch die Story. Die hätte es für meinen Geschmack gar nicht wirklich gebraucht. Insgesamt blieb alles so blass, dass ich über das doch sehr düstere Ende regelrecht geschockt war. Aber zum Glück war jedes Puzzle so gut, dass ich mich den Schatten bis zum Ende hingegeben habe.

7/10 🧸👧

Developer: Monochrome Paris
Publisher: Hatinh Interactive
Genre: Puzzle-Platformer
Team: Axel Aubert (3D Design, Animation & VFX), Raphaël Baget (3D Design & VFX), Gabriel de Laubier (Game Design, Programming), Hermance Gauthier (Prop Design), JB Grasset (Producer), Eliakim Mawila (3D Design, Animation), Christophe Marquet (Narrative)
Musik: Guillaume Nicollet
Auszeichnungen: Best Game Design (Megamigs 2021), Excellence in Game Design (Busan Indie Connect Festival 2021), Media Highlight Reward (Bitsummit 2021)
Veröffentlichung: 21. Oktober 2021 (Steam)


Dir hat diese Review gefallen? Dann lass uns gerne einen Kaffee da!

Redakteurin | + posts

Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.

Kommentar verfassen