Wabisabi Play schaffen in Growbot eine fantastische und skurrile Welt, in der Blumen, knuffige Gehirne und Roboter eine Symbiose bilden.
Videospiel-Demos können Fluch und Segen sein. Während der gamescom und der E3 spielen wir in der WTLW-Redaktion uns meist die Finger wund, um möglichst viele Spieleindrücke aufzusaugen, von denen wir euch dann berichten können. Christina liebt Demos so sehr, dass sie auf Twitch sogar den Demo-Dienstag ins Leben gerufen hat, an dem sie regelmäßig in neue Titel reinschnuppert. Mich selbst haben Demos schon das eine oder andere Mal vor Enttäuschungen bewahrt. Da ich mich leicht von allem begeistern lasse, was knuffig oder in Pastellfarben getränkt ist. Oder mit Essen zu tun hat. Nicht immer sind das Garanten für ein tolles Spielerlebnis – und ein kurzer, kostenloser Blick hinter die Screenshots kann Enttäuschungen verhindern. Bei Growbot war es genau so: Niedliche Roboter, detailverliebte Zeichnungen, irgendwas mit Weltall? Genau mein Ding! Die Demo hat mich dann so unterwältigt, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr auf das Point-and-Click-Adventure hatte.
Wo sind denn auf einmal alle? Und warum siehts hier aus wie Sau?
Das größte Problem an der Demo war, dass sie mich vollkommen ratlos zurückgelassen hatte. Ich wusste weder, worum es in Growbot geht, noch, was eigentlich meine Aufgabe war. Das kann daran gelegen haben, dass sie nach gefühlt zwei Minuten auch schon wieder zu Ende war. Zeitsparend? Ja. Aber alles, was ich dort zu Gesicht bekam, hatte ich eigentlich schon im Trailer gesehen. Als Benja mich dennoch gefragt hat, ob ich die Review zu Growbot übernehmen will, hatte ich den kleinen Roboter mit dem aufklappbaren Glaskopf schon fast aus meinem nicht aufklappbaren Fleischkopf verdrängt. „Nagut, ich geb ihm ‘ne Chance”, sagte ich. „That’s the spirit”, sagte Benja. Und so versuchte ich mich so unbefangen wie möglich auf das 2D-Abenteuer einzulassen. Viel hatte ich ja wirklich noch nicht gesehen, und vielleicht hat die Demo mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt. Also anschnallen, abheben, und in der Biopunk-Raumstation auf Entdeckungstour gehen.
Mein Growbot mit dem aufklappbaren Kopf, das ist Nara. Nach einem lauten Knall werden sie und ihr ganzes Hab und Gut ordentlich durchgerüttelt. Offenbar gab es eine Explosion – auf jeden Fall ist Nara komplett alleine auf der Raumstation. Sie vermisst ihre Freunde, ihren Captain und ist ein bisschen verzweifelt, weil sie noch mitten in der Ausbildung steckt. Wie soll sie denn die ganzen komplizierten Maschinen und Mechanismen wieder ans Laufen bringen, wenn sie niemanden fragen kann? Ganz alleine sind Nara und ich auf der Raumstation zum Glück doch nicht: Zwar sind alle anderen Roboter verschwunden, dafür wimmelt es von anderen Lebewesen, mit denen wir interagieren können. Von leuchtenden, zwergenartigen Wesen, die sich Light Sprites nennen, bis hin zu kleinen Wasserdrachen, die entweder im Wasser oder in der Luft anzutreffen sind. Außerdem finde ich im Büro des Captain zum Glück noch ein einsames Brain(apilla).
Growbot punktet mit skurrilen Wesen aus fernen Galaxien
Brainapillas sind unverhältnismäßig niedliche Gehirne, die widerstandslos in die Glasköpfe junger Growbots hüpfen und ihnen Infos über alle möglichen Mechanismen und Bewohner_innen der Raumstation geben. Neben allen möglichen fantastischen Kreaturen sind das vor allem: Pflanzen. Die spielen für die Growbots eine ganz besonders wichtige Rolle. Hat ein Roboter ein bestimmtes Level erreicht, zieht Brainapilla von dannen und macht Platz für die Growbloom, eine Art Seerose. Diese Blumen haben die Growbots nicht nur einst zum Leben erweckt, sondern sind auch notwendig, um dieses zu erhalten. Da das alles ziemlich crazy und verworren ist, trägt Nara zum Glück ein Growbot Guidebook bei sich, in dem ich alles jederzeit nachschlagen kann. Hier sind auch alle Kreaturen und Pflanzen vermerkt, die auf meiner Reise von Bedeutung sind. Nicht zu vergessen: Der Star Belly. Das ist ein flauschiges Hologramm eines Aliens, das eine ganze Galaxie in seinem Bauch mit sich herumträgt.
Star Bellys sind nicht nur cool, weil sie ziemlich viel über das Leben auf der Raumstation wissen, sondern vor allem, weil sie unglaublich witzig „reden”. Ehrlich gesagt fand ich die Flausch-Hologramme mit den rosa Bäckchen und den vieeeel zu langen Armen bis zum Schluss ein bisschen creepy, aber ihre Art der Kommunikation konnte mir einfach jedes Mal zumindest ein Schmunzeln entlocken. Ein Star Belly redet ungefähr so, wie ein Weihnachtsmann, der sich zwei Flaschen Korn hinter die Binde gekippt hat und sehr enthusiastisch in seinen ausgeprägten Vollbart murmelt. Dabei bleibt er stets freundlich und nimmt den Kauderwelsch, den er da von sich gibt, äußerst ernst. Einfach hilarious. Außerdem isst er gerne Marmelade, die er auch von uns einfordert, bevor er sich mit uns abgibt – und das ist ebenfalls äußerst nachvollziehbar und sympathisch.
Flowerpower und Farbexplosionen
Wie ihr sicher schon bemerkt habt, ist die Welt der Growbots extrem vielschichtig und abwechslungsreich. Das spiegelt sich auch im Design wieder. Böse Zungen würden hier auch von überladen reden. Aber mal im Ernst: Tatsächlich war ich ein bisschen hin- und hergerissen zwischen Faszination, Unverständnis und Verwirrung. Die vielen Farben und Details konnten mich schon irgendwie begeistern, aber an einigen Stellen wirkte die Kulisse auf mich eher wie eine abgefahrene Collage, bei der der_die Künstler_in ein bisschen über die Strenge geschlagen hat. Etwas zu cute, zu bunt, zu alles. Schwierig wurde es an einer Stelle im Adventure, als ich buchstäblich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr gesehen habe. Als ich schon an mir gezweifelt habe, ob ich des Rätsels Lösung vielleicht doch einfach noch nicht gefunden habe, fiel mir ein kleiner Hebel auf, den ich zur Bewältigung des Rätsels betätigen musste, der im Wirrwarr aber untergegangen war.
Diese stilistische Hürde war insgesamt auch das einzige Hindernis auf meinem Weg. Die Rätsel in Growbot würde ich als eher einfach bezeichnen. Was nicht heißen soll, dass einige von ihnen nicht durchaus ein befriedigendes Gefühl auslösen konnten. Worauf ich nicht vorbereitet war, war die Omnipräsenz meines persönlichen Endgegners: Musikrätsel. Um in bestimmte Gebiete vorzudringen, musste ich mithilfe von Blumen, die alle einen anderen Ton erzeugten, verschiedene Melodien nachspielen. Zum Glück war auch das machbar – aber natürlich hat das Gedudel meine Nerven irgendwann zumindest auf die Probe gestellt. An dieser Stelle bot das Adventure mir aber eine äußerst wohlwollende Hilfestellung, durch die ich schnell durch diese Passagen hindurchkam.
Growbot ist ein solides Adventure – für Groß und vor allem für Klein
„Unterwältigend” nannte ich die Growbot-Demo am Anfang meiner Review. Ist das jetzt auch das Fazit meiner Review? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Überwältigt hat mich das Adventure mit dem niedlichen Robotermädchen Nara allerdings auch nicht. Zumindest weiß ich nach mehr oder weniger intensivem Studium des Growbot-Guidebooks, warum es den Entwickler_innen so schwer fiel, all das Wissen rund um die Galaxie in eine kurze Demo zu pressen. Dafür, dass das Abenteuer durch seine ausufernde Flora und Fauna so viel Input bietet, blieb mir die Story dann aber doch etwas zu flach.
Immerhin die Rätsel empfand ich als angenehm, da sie zum Gesamtbild passten – irgendetwas zwischen ein bisschen zu leicht und zurückhaltend herausfordernd. Auf jeden Fall so, dass auch Adventure-Neulinge etwas damit anfangen können. Alles in allem hat Growbot eher etwas von einem animierten Kinderbuch. Das überrascht auch nicht, denn die Entwicklerin Lisa Evans ist Kinderbuch-Illustratorin. Das könnte auch den etwas überladene, aber auf der anderen Seite auch unglaublich faszinierenden Artstyle des Point-and-Click-Adventures erklären. Ich habe es keineswegs bereut, Growbot eine zweite Chance gegeben zu haben. Eine Erfahrung, die mir ewig im Gedächtnis bleiben wird, war meine Exkursion in die Raumstation allerdings leider auch nicht.
6/10 🤖 🌸
Developer: Wabisabi Play
Publisher: Application Systems Heidelberg
Genre: Point-and-Click-Adventure
Team: Lisa Evans (Original Script, Game Concept, Art, Animation, Coding), Marco Spaapen, Alexander Henn (Coding), Volker Ritzhaupt (Producer), Oliver Buchmann (Testing, Quality Assurance)
Musik: Jessica Fichot
Veröffentlichung: 21. Oktober 2021 (Steam)
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Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.
Ich finde den Grafikstil eigentlich ganz ansprechend. Ein Bezug zu Kinderbüchern finde ich dabei überhaupt nicht schlecht. Man kann nur hoffen, dass vor lauter Aufgaben, Rätsel, Maschinen und Musikblumen in der Vollversion nicht die Story zu kurz kommt. Das Setting „Roboter allein auf Raumschiff kümmert sich um Pflanzen und allerhand Tiere“ erinnert mich irgendwie an den Film „Lautlos im Weltall“ https://de.wikipedia.org/wiki/Lautlos_im_Weltraum.
Der hat mich als Kind emotional getriggert 🙂
Danke für das Review.