Labyrinth City: Pierre the Maze Detective Review | Du stinkst. Geh!

Der Weg ist das Ziel – diese abgedroschene Phrase beschreibt das Puzzle Abenteuer Labyrinth City: Pierre the Maze Detective ziemlich treffend.

In irgendeinem Gespräch mit meinen WTLW Kolleg_innen habe ich mal erwähnt, dass mir das Schreiben einer Review am einfachsten fällt, wenn mir ein guter Einstieg einfällt. Eine passende Connection zu meinem Leben außerhalb des flimmernden Bildschirms. Manchmal passiert das schon während des Spielens. Bei Labyrinth City: Pierre the Maze Detective war das nicht der Fall. Erst kurz bevor ich anfing zu tippen, hatte ich einen Heureka-Moment. Vielleicht fiel mir die Verbindung so schwer, weil sie so offensichtlich war. Manchmal fühlt sich mein Leben wie ein Labyrinth an. Das klingt jetzt deeper, als es eigentlich gemeint ist. Zwar ist es in meinem Kopf auch manchmal wuselig, aber da habe ich bisher meistens die richtige Abzweigung gefunden. Nein, ich meine das ganz buchstäblich: Ich hatte einfach schon diverse Momente in meinem Leben, in denen ich mich schlicht und ergreifend verlaufen habe. Und voilà: Genau das ist das Spielprinzip von Labyrinth City.

Gack!

Ich erinnere mich an eine Situation in Düsseldorf – kleine Randnotiz: ich hasse Düsseldorf, und als Ruhrpottler_in ist das keine unpopular opinion, sondern allgemeiner Konsens – in der ich wirklich am Rande der Verzweiflung war. Denn trotz Google Maps habe ich es geschafft, diverse Male im Kreis zu laufen. Der Hauptbahnhof, er blieb ein rot markiertes Ziel auf einer virtuellen Karte, das in diesem Moment unerreichbar schien. In Labyrinth City: Pierre the Maze Detective befinde ich mich in einer sehr ähnlichen Situation. Ich kenne mein Ziel, es wird mir sogar sehr prominent angezeigt, ja selbst herangezoomt wird es! Aber dann schwenkt die Kamera zurück auf mich, Pierre, den Maze Detective. Und mit einem Mal bin ich irgendwo – und wo ich hinwollte, habe ich prompt wieder vergessen. Das liegt vor allem daran, dass es hier sehr viel gibt, das mich vom Wesentlichen abzulenken versucht. Meist erfolgreich.

An jeder Ecke , hinter jedem Rollo, unter jeder Motorhaube gibt es hier etwas zu entdecken. Es gibt Menschen, die mir aus heiterem Himmel eine vollkommen willkürliche Geschichte aus ihrem Leben erzählen. Es gibt aber auch Hunde, die mir aus heiterem Himmel eine vollkommen willkürliche Geschichte aus ihrem Leben erzählen. Es gibt Hühner, die einfach nur „Gack“ sagen oder Katzen in Truhen, die mich beleidigen: „Du bist uncool. Du stinkst. Geh!“ Nichts von alldem folgt irgendeiner nachvollziehbaren Logik, aber eines haben sie alle gemein: Sie sind maximal absurd. Zu Beginn hat mich diese groteske Handlung ein wenig stutzig gemacht, irgendwann habe ich die seltsamen Charaktere aber einfach nur noch gefeiert. Aus einem wurde ein HA und dann ein HA HA HA. Ulkig, irgendwie. So ulkig, dass ich mir meine Lieblingssprüche sogar rausgeschrieben habe, um euch damit hoffentlich ebenfalls ein Mundwinkelzucken zu entlocken.

In Labyrinth City: Pierre the Maze Detective ist nichts, wie es scheint

Wir hätten zum einen Gmlf, einen Zauberer, der sich folgendermaßen bei mir vorstellt: „Ich bin Gmlf, der Bezaubernde. Das schreibt man, wie man es spricht.“ In meinem Lieblingslevel, das auf einem Flohmarkt spielt, treffe ich zunächst auf den Straßenhändler Johnny. Ich frage ihn, wo ich Mr. X finde, denn darum nehme ich diese ganzen Strapazen überhaupt auf mich. Johnny schickt mich zu seinem Zwillingscousin Johnny, der ein Casino betreibt. Johnny hat auch keine Ahnung, wo Mr. X sich aufhält. Aber ich solle mal Johnny fragen, einen Teppichhändler. Vielleicht weiß der was. Natürlich sieht Johnny genauso aus wie Johnny, der wiederum aussieht wie Johnny. Schließlich sind sie Zwillingscousins. Auf meiner weiteren Reise über den Flohmarkt beobachte ich an einem Stand einen vornehm gekleideten Herrn mit Zylinder und Gehrock. Er ruft dem Händler zu: „Haben Sie hässliche und unnötige Dinge? Es ist ein Geschenk!“

Bei so vielen grandiosen Dialogen, die es in Labyrinth City: Pierre the Maze Detective zu entdecken gibt, ist es kein Wunder, dass meine Suche nach Mr. X ein wenig länger dauert. Dieser Schurke ist verantwortlich dafür, dass jeder Ort, an den ich reise, um ihm nachzujagen, in ein riesiges Labyrinth verwandelt wird. Denn er hat den Maze Stone geklaut. Mit diesem magischen Stein besitzt er die Macht, alles in einen Irrgarten zu verwandeln. So kommt es, dass ich mich nicht nur in den unzähligen Details verliere, sondern auch in den Gassen, Wegen und Hauseingängen, die Mr. X labyrinthisiert hat. Mal versperrt mir eine riesige Giraffe den Weg, mal steht plötzlich irgendwo ein Klavier herum. Manchmal sind es aber auch einfach nur Leute in einem Café, durch die es kein Durchkommen gibt. Und wie im echten Leben weiß ich die ganze Zeit, wo mein Ziel sich befindet. Aber eben nur theoretisch.

Aufgaben über Aufgaben

Neben den verworrenen Gängen und den schrägen Charakteren gibt es auch noch Minispiele, die mich von meinem eigentlichen Ziel ablenken. In jedem Level kann ich Souvenirs finden, die danach im Hauptmenü in einem wunderschön gestalteten Zimmer ausgestellt werden. Außerdem hinterlässt Mr. X geheime Briefbotschaften an mich, die ich ebenfalls optional sammeln kann. Als wäre das nicht genug, sind in jeder Welt auch noch drei Sterne versteckt, um die ich mit dem schlechtesten Ninja der Welt streite. Der ist so in seiner Rolle versunken, dass er immer wieder vergisst, den Stern nach stundenlanger Observation einfach einzusammeln. Jedes Mal ist er aufs Neue begeistert davon, wie Flink Pierre nach den Sternen greift. Dann wäre da noch der Eisbär, der mir verschiedene Minirätsel stellt. Löse ich die zugegebenermaßen ziemlich einfachen Knobelaufgaben, werde ich mit einer goldenen Trophäe belohnt.

Jetzt versteht ihr vielleicht, warum ich eingangs auf die abgedroschene Phrase „Der Weg ist das Ziel“ zurückgegriffen habe. Denn hier ist das wirklich so. Ja, ich will den mysteriösen Mr. X fangen, aber viel mehr interessiere ich mich für all die anderen Sachen, die in der Stadt, im Wald oder auf dem Dorffest auf mich warten. Dass all diese kleinteiligen Details von den Designer_innen von IC4DESIGN handgezeichnet sind, ist fast unvorstellbar. Falls euch der kindliche Stil des Puzzle Abenteuers bekannt vorkommt, liegt ihr richtig: Wie ich schon in meiner News zu Labyrinth City: Pierre The Maze Detective berichtet habe, basiert das Puzzle-Abenteuer auf der gleichnamigen Kinderbuchreihe des japanischen Autors Hiro Kamigaki. Auf jeden Fall ist das Suchspiel absolut als Familienspiel geeignet. Kinder können sich sicher stundenlang an den seltsamen Figuren und niedlichen Tieren erfreuen, von denen es nur so wimmelt. Und ich konnte das auch.

8/10 🕵️‍♂️ ❌

Developer: Darjeeling
Publisher: Pixmain
Genre: Puzzle-Adventure
Team: Paul Vaillé (Lead Game Designer), André Berlemont (Lead Game Developer), Léa Pernot (Producer), Agathe Rapilly (2D Artist), Romain Garcia, Dylan Mailfert (Animators), Hiro Kamigaki, IC4DESIGN (Book’s Author)
Musik: Xavier Thiry
Auszeichnungen: Visual Design Award (Indiecade 2020), Best Quality of Art (Game Connection Asia 2020), Best Oversea Game Nominee (Indieplay 2020)
Veröffentlichung: 22. Juni 2021 (Steam), 15. Juli 2021 (Switch)


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Redakteurin | + posts

Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.

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