Moncage Review | Alles hängt mit allem zusammen

Optillusion und XD kreieren mit Moncage ein Puzzle Abenteuer, bei dem um die Ecke denken manchmal nicht ausreicht.

In unserer  globalisierten Welt ist es leicht, sich klein und unbedeutend zu fühlen. Was bringt es, wenn ICH kein Fleisch esse, wenn ICH nicht bei Amazon bestelle, wenn ICH meinen Müll in die Tonne statt daneben werfe? In solchen Momenten hilft es, sich das Große Ganze vor Augen zu führen. Was wäre, wenn ALLE Fleisch äßen, ALLE bei Amazon bestellten und ALLE ihren Müll neben die Tonne werfen würden? Es würde nicht nur ganz schön stinken, unsere ganze Welt wäre eine schlechtere, als sie ohnehin an vielen Stellen bereits ist. Erst in diesem Jahr hat uns die Havarie des Containerschiffs Ever Given deutlich gezeigt, wie stark alles zusammenhängt und wie abhängig wir von bestimmten Prozessen sind. Doch selbst die Tatsache, dass so ein banal scheinender Rohstoff wie Papier plötzlich knapp wird, kann etwas Tröstliches haben: Eine Pandemie, ein querstehendes Schiff, Filterpapier für den morgendlichen Kaffee – alles hängt mit allem zusammen.

Drehen, wenden, verbinden

Das Große Ganze sehen, einen Schritt zurückgehen und zu überlegen, wie scheinbar komplett verschiedene Lebenswelten zusammenhängen – das fordert auch das Puzzle-Abenteuer Moncage von mir. Hier geschieht das Ganze allerdings eher auf einer visuellen als auf einer inhaltlichen Ebene. Aber von vorn: Ich schaue in einen Würfel, den ich mit Ausnahme seiner Unterseite von allen Seiten betrachten kann. Jede Seite dieses magischen Würfels beherbergt eine eigene, kleine Welt. Sei es ein unaufgeräumter Kofferraum, ein frisch eingerichtetes Babyzimmer, eine Fabrikhalle oder ein Jahrmarkt. Auf den ersten Blick hängt nichts von all dem zusammen. Auf den Zweiten oft auch nicht. Durch geschicktes und präzises Drehen und Wenden muss ich bestimmte Gegenstände der verschiedenen Szenen so miteinander  kombinieren, dass sie eine neue Einheit bilden. Dabei gibt es keine Kompromisse: Passen zwei Gegenstände zusammen, dann tun sie das wirklich exakt. Das heißt, dass nicht nur ihre Form, sondern auch ihre Farbe übereinstimmen muss.

Manchmal befinden sich identische Gegenstände auf zwei unterschiedlichen Seiten des Würfels – dann muss ich „nur” herausfinden, welches Objekt kombiniert werden muss und dann den richtigen Winkel suchen, um die beiden Hälften des Gegenstandes über Eck neu zusammenzusetzen. Komplizierter wird es beispielsweise, wenn ich den Standfuß einer Schreibtischlampe mit dem Greifarm einer Maschine kombinieren muss. Noch komplexer wird das Ganze dadurch, dass ich innerhalb der unterschiedlichen Welten in bestimmte Bereiche hineinzoomen kann. Das heißt für mich: Noch mehr Möglichkeiten und noch wilderes Hin- und Hergedrehe meiner Würfelwelten. Habe ich eine gesuchte Kombination gefunden, gehen die beiden Welten ineinander über. So kann ich beispielsweise eine kaputte Brücke mithilfe von zwei Brückenabschnitten aus verschiedenen Bildern reparieren.  Das Fahrzeug aus dem einen Bild kommt dadurch von der Stelle und kann in eine neue Szene fahren, die mir bisher verborgen blieb. So öffne ich Türen, bringe Lampen zum Leuchten und feuere sogar Kanonenkugeln ab. 

Moncage – dein Freund und Helfer

Wenn euch das jetzt verwirrend vorkommt, kann ich euch versichern: Das ist es auch! Moncage ist ein Puzzle-Game, das mir viel Geduld abverlangt. Einige der Rätsel sind durch ein bisschen Herumprobieren relativ leicht lösbar. Die Tatsache, dass auch die Farbwelten exakt übereinstimmen müssen, hilft bei der Lösungsfindung oft enorm weiter. Je weiter ich voranschreite, desto verzwickter werden die Rätsel. Einige der Kombinationen schienen mir so weit hergeholt, dass meine Gemütslage irgendwann von Verzweiflung in Frustration übergegangen ist. Um dieser Frustration Einhalt zu gebieten, haben die Entwickler_innen von Optillusion ein wohlwollendes Hilfesystem eingebaut: Zum einen kann ich mir per Tastendruck anzeigen lassen, welche Gegenstände in einer Szene für ein Rätsel benutzt werden müssen. Das klingt erst einmal, als würde das alles viel zu einfach machen, aber ich kann euch sagen: Tut es nicht. Vor allem, wenn ich sogar Kombinationen über drei Würfelseiten hinweg bilden muss.

Helfen mir die visuellen Hinweise nicht mehr weiter, gelange ich über ein Fragezeichen in der oberen Ecke zu drei Hinweisen. Ist der erste Hinweis noch sehr subtil, sagt der dritte mir ganz offen, was ich zu tun habe. Stehe ich richtig auf dem Schlauch, kann ich mir die Lösung sogar in einem kurzen Video ansehen. Und was soll ich sagen: Bei einem Puzzle habe ich trotz Video noch ewig gebraucht, weil ich ein winziges Detail übersehen hatte. Was mich zusätzlich nervös gemacht hat, war, dass das rettende Fragezeichen schon nach kurzer Zeit des Knobelns aufleuchtet und einen Ton von sich gibt. Nach dem Motto: Wenn du bis jetzt noch nicht drauf gekommen bist, dann guck jetzt halt hier, du Blödi. Irgendwie hat mich das gestresst und dazu geführt, dass ich tatsächlich öfter zur Hilfe gegriffen habe, als ich es ohne das ständige Aufploppen des Fragezeichens gemacht hätte.

Der Weg ist das Ziel – aber wo bin ich falsch abgebogen?

Bis auf den etwas nervigen Stressfaktor war ich aber ganz froh, das Hilfesystem an meiner Seite gehabt zu haben. Oft hat schon der erste Hinweis ausgereicht, um mein Augenmerk auf den richtigen Bereich und damit des Rätsels Lösung zu lenken. Und dann ist das Verschmelzen der Gegenstände und das Freischalten einer neuen Welt auch wirklich befriedigend. Immerhin hatte ich bei der ganzen Sucherei genug Gelegenheiten, die Collectibles aufzuspüren – Fotos, die mir die Lebensgeschichte des Protagonisten näher bringen sollten. Um ehrlich zu sein, habe ich das Aufsammeln der Bilder schon nach kurzer Zeit eher als Pflichtaufgabe angesehen. Ziemlich schnell bin ich aus der Story ausgestiegen – so richtig erschließen wollten sich mir die Zusammenhänge zwischen den Fotos und den Szenen des Würfels nicht. Vielleicht habe ich vor lauter Suche nach „dem großen Ganzen” am Ende doch den Blick fürs Detail verloren. Eigentlich schade, denn Details gibt es in den verschiedenen Würfelwelten viele.

6/10 🎲 🔍 ❓

Developer: Optillusion
Publisher: XD
Genre: 3D-Puzzler
Team: Dong Zhou (Producer, Designer, Programmer, 3D Artist), Yija Chen (Designer,  2D & 3D Artist), 
Musik: Berlinist
Auszeichnungen: Innovation in Experience Design (IndieCade 2019), Best Gameplay (Intel University Games Showcase 2019), Excellence in Innovation (IndiePlay Awards 2020)
Veröffentlichung: 16. November 2021 (Steam, Android, iOS) 


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Redakteurin | + posts

Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.

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