Wer bei bunten Alpakas noch nicht ausreichend getriggert ist, bekommt in Alpaca Ball: Allstars noch eine gehörige Portion Ulk dazu.
Dass Alpakas für mich pure Liebe bedeuten, habe ich bereits in der News zu Alpaka Ball: Allstars ausreichend breitgetreten. Dementsprechend hyped war ich auf das Partyspiel, in dem fußballspielende Alpakas wirr und ungelenk übers Spielfeld rennen und sich mit ihren langen Hälsen ineinander verknoten. Und was soll ich euch sagen: Wir hatten Startschwierigkeiten, diese flauschigen Tierchen, der Fußball und ich. Ein klassischer Fall von zu hohen Erwartungen, gewohnte Unfähigkeit, das Spielprinzip zu verinnerlichen oder doch Versagen seitens der Entwickler_innen? Lasst es uns gemeinsam herausfinden.
Physik aus einer anderen Dimension
Wir kennen viele Sportspiele, die Design und Gameplay immer näher in Richtung Realität schubsen. Sei es, dass du jede einzelne Schweißperle auf dem verschwitzten Sportler_innen-Gesicht erkennen kannst oder das Gefühl hast, Ronaldo würde gleich aus deinem Fernseher springen und einen Kopfball direkt in dein Gesicht machen (keine Ahnung, was ich unangenehmer fände). Nun ja, Alpaca Ball: Allstars geht da – sagen wir mal – einen dezent anderen Weg. Zwar gibt das Partygame an, physikbasiert und damit ja zumindest grundlegend realistisch zu sein. Aber WAS BITTESCHÖN IST MIT DER PHYSIK los, wenn mein tierischer Kicker plötzlich wie aus dem Nichts im hohen Bogen durch die Luft geschleudert wird und an der anderen Seite des Spielfelds unsanft landet? Ich war nie besonders gut in Physik, aber ich behaupte jetzt einfach mal, dass da bei der Entwicklung auch ein bisschen künstlerische Freiheit im Spiel war. Und das ist erst einmal ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Generell scheint das Spiel ein bisschen zwischen Realität und Wahnsinn zu schwanken. Das beginnt schon bei der Erstellung eures flauschigen Profi-Kopfballers: Hier könnt ihr euch für schnöde Fellfarben wie Beige, Braun oder Schwarz entscheiden. Oder ihr färbt euer Alpaka standesgemäß in Regenbogenfarben ein oder verpasst ihm – wenn ihr in der Tierwelt bleiben wollt – einen Giraffenlook. Auch in punkto Kopfbedeckung ist viel möglich. Ein naturgetreuer, in die Äuglein hängender Out-of-bed Look mit Wuselmähne? Oder doch lieber eine angeschmolzene Eistüte, die das Haupt dieses anmutigen Tieres ziert? Ich habe mich ohne zu Zögern für Variante zwei entschieden. Das ist im Übrigen auch sehr empfehlenswert. Denn wenn erst einmal sechs oder gar acht Alpakas auf dem Spielfeld alles geben, ist ein exzentrischer Look eure einzige Chance, eure_n Spieler_in in dem Gewusel ausfindig zu machen. Einziger Wermutstropfen: Die verschiedenen Looks sind relativ begrenzt und weitere Skins lassen sich nicht freischalten. Das hätte meinen Ehrgeiz um ein Vielfaches erhöht.
Wer Alpaca Ball: Allstars spielen will, braucht Freunde
Seid ihr mit eurem Alpaka zufrieden, kann es auch schon aufs Spielfeld gehen. Hier habt ihr die Möglichkeit, alleine oder mit Freunden die Kampagne zu spielen oder im direkten Match gegen echte Menschen oder den Computer anzutreten. Der Mehrspieler-Modus funktioniert lokal als auch online mit bis zu acht Personen. Spielt ihr online, müssen eure Freunde das Spiel nicht einmal selbst besitzen (Steam exklusiv per Steam Remote). Allerdings heißt das auch, dass eure Gegner_innen lediglich einen Stream eures Bildschirms sehen und das je nach Internetverbindung eher weniger Freude macht. Ich hatte in meinem Test ein komplett unspielbares Debakel und ein okayes Match, in dem es zu kleineren Rucklern kam. Möchtet ihr mit mehr als zwei Personen spielen, ist der Couch-Coop weniger frustanfällig. Damit wären wir auch an dem Punkt, der mir den Start mit Alpaca Ball: Allstars ein wenig schwierig gestaltet hat: Ich hatte keine Freunde. Zumindest zunächst keine, mit denen das Spiel online flüssig lief.
Deshalb habe ich mich als Solo-Spieler an die Kampagne gewagt – was okay ist, aber dem Party-Spiel absolut nicht gerecht wird. Denn als ich dann endlich mal mit echten Menschen spielen konnte wurde erst klar, wie absurd viel Spaß dieses Spiel machen kann. Jeder muss unweigerlich lachen, wenn Alpakas vollkommen random durch die Luft fliegen, Salti machen oder mit Vollspeed gegen den Torpfosten donnern. Kollisionen passieren im Übrigen sehr oft, und jedes Mal liegt ihr ein paar Sekunden bewegungsunfähig am Boden. Das mag der wie auch immer definierten „Physik“ geschuldet sein, hat mich aber im Spielflow leider ein bisschen gestört. Und überhaupt sollten Alpakas nicht so lange leiden müssen. Fällt denn dann irgendwann mal ein Tor, wird nach einem kurzen Konfettiregen sofort weitergezockt. Hier gibt es also keine störenden Wartezeiten, was mich mit meiner Aufmerksamkeitsspanne von gefühlt zwei Sekunden sehr gefreut hat.
Train hard, play…like a noob
Wer jetzt denkt, dass ich nach vorherigem Einzeltraining meine echten Gegner gnadenlos an die Wand gespielt habe, irrt. Die Reaktionen der Alpakas sind teils so willkürlich, dass schon absurd viele Trainingslager notwendig wären, um ein echter Alpaca Ball Profi zu werden. Allerdings sehe ich das eher positiv, weil so auch Neulinge keinen Nachteil haben und kein Match schon von vornherein vorbestimmt ist. Die diversen Power-Ups, die vollkommen zufällig verteilt werden, tun da ihr Übriges. So könnt ihr einen noch längeren Hals bekommen. Das ist nicht unbedingt eurer Mobilität zuträglich, verschafft euch aber einen enormen Vorteil, den anderen den Ball vor der Schnauze wegzuschnappen. Ein Footballhelm schützt euch bei Zusammenstößen und verhindert die gerade bemängelten Wartezeiten bei Stürzen. Außerdem gibt es noch ein Power-Up, dass alle anderen Mitspieler_innen klitzeklein werden lässt, sodass ihr in punkto Geschwindigkeit und Schusskraft für kurze Zeit einen enormen Vorteil habt.
Wem das bis hierhin noch nicht genug Unwägbarkeiten waren, kann als Sahnehäubchen noch zwischen verschiedenen Spielfeldern und unterschiedlichen Bällen wählen. Allesamt bringen sie neue Gemeinheiten ins Spiel ein, die die Karten selbst für erfahrene Alpaka-Fußballer_innen neu mischen. Neben klassisch südamerikanischen Settings wie Machu Picchu oder einer Favela, könnt ihr auch in den Alpen kicken. Logisch, oder? Hier erwarten euch nicht nur tirolerisch angehauchte Beats, sondern auch kleine Hoppelhasen, die das Spielgeschehen noch unübersichtlicher machen. Wer mehr Action braucht, spielt einfach auf einem Vulkan – inklusive herumfliegender Gesteinsbrocken. Und warum nicht statt mit einem Fußball mit einer Bombe spielen, die regelmäßig alle Alpakas durch die Luft wirbelt? Als ich dachte, ich hätte alles gesehen, fanden mein Regenbogen-Eistüten-Alpaka und ich uns plötzlich auf einer Eisfläche wieder und spielten mit einem Puck. Und was soll ich sagen? Physik, Leute! Versucht mal, mit einem überlangen Hals und Stummelbeinchen einen präzisen Schuss auf glitschigem Eis hinzubekommen. Da würde selbst Ronaldo aufgeben.
Alpakas bringen Menschen zusammen und Herzen zum Schmelzen
Erst hatte ich Angst, dass meine zu hohen Erwartungen an Alpaca Ball: Allstars enttäuscht würden. Da viele Bewegungen so willkürlich scheinen, habe ich mich an meinem Gamepad ziemlich lost und machtlos gefühlt. Als ich mich aber schließlich meinem Schicksal ergeben und verstanden hatte, dass genau diese Unberechenbarkeit den Spielspaß ausmacht, konnte ich die Alpakas doch zurück in mein Herz galoppieren lassen.
Allen, die sich auch mal an absurdem Fußball mit physikalisch dafür völlig ungeeigneten Tieren probieren möchten, rate ich aber, sich ein paar Freunde aufs Sofa zu holen. Alternativ könnt ihr eure Bekanntschaften auch an der Geschwindigkeit ihrer Internetverbindung auswählen, was generell immer ein guter Maßstab ist. Denn in der Gruppe geht der Spaß erst richtig los. Ihr werdet euch beömmeln, ihr werdet verzweifelt „What the…WARUM?“ rufen und einen richtig guten Abend haben. Und das Beste: Die Gefahr, Freundschaften für immer zu zerstören, ist hier relativ gering. Kein normaler Mensch kann Alpakas wirklich lange böse sein.
7/10 🤪
Developer: Salt Castle Studio
Publisher: Salt Castle Studio, BadLand Publishing, Leoful
Genre: Sport, Party-Game
Team: Gregor Kirchhofer (Producer), Tom Langer (Game Developer), Stefan Schwab (Game Developer), Matthias Lillich (3D Artist), Lukas Gerhard Wagner (VFX Artist)
Auszeichnungen: Ludicious X 2020 Special Selection (Zürich, Juli 2020), NRW GREEN Indie Virtual Expo @Devcom Selection (August 2020), Selected exhibitor at Tokyo Game Show 2020 (September 2020)
Veröffentlichung: 15. Oktober 2020 (Steam, Switch)
Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.