Book of Travels Preview | Erkundungstour für Geduldige

Book of Travels bietet im Early Access bereits eine wunderschöne Kulisse und maximale Freiheit. Mehr, als manch Spieler_in ertragen kann.

„Doch sei gewarnt: Dies ist ein Spiel für wahre Entdecker, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Es liefert dir keine vorgefertigten Routen sondern vertraut darauf, dass du deine Reise unabhängig gestaltest.” So wird das RPG des schwedischen Indiestudios Might and Delight vorgestellt. Ich hätte also gewarnt sein können. Geblendet trifft es aber in meinem Fall wohl eher. Denn nachdem ich den fantastischen Trailer zu Book of Travels gesehen hatte, landete es prompt auf meiner Wunschliste. Ein einsamer Wanderer, der durch kunstvoll gestaltete Landschaften läuft. Wenn er nicht die Stille der Natur genießt, trifft er auf andere Reisende. Auch zu Kämpfen kann es hin und wieder kommen – aber davon lasse ich mich schon lange nicht mehr abschrecken. Eingangs erwähnte Warnung habe ich in freudiger Erwartung auf weite Felder und bergige Panoramen also gar nicht mehr wahrgenommen, bevor ich mich ins Abenteuer stürzte.

Zu! Viel! Information!

Ich bin heilfroh, dass das hier keine Review ist. Denn noch nie war ich mir so sicher, dass ich dem Spiel, das ich da bewerte, nicht gerecht werden könnte. Weil ich es schlicht und ergreifend nicht verstehe. Alles beginnt damit, dass ich mich registrieren muss, um meine Reise in Book of Travels zu beginnen. Eine Hürde, aber eine kleine, die ich gerne in Kauf nehme. Kurz darauf geht es auch schon los: ich muss meinen Charakter erstellen. Was in Die Sims zu meinen absoluten Lieblingsaufgaben zählt und gerne auch mal den Großteil meiner Spielzeit einnehmen kann, wird hier zur ersten Geduldsprobe. Ich muss nicht nur unfassbar viel entscheiden, ich muss auch noch wahnsinnig viel lesen, um diese ganzen Entscheidungen überhaupt treffen zu können. Natürlich muss ein Name her – in meinem Fall Eti – das war einfach. Eti braucht aber auch Charaktereigenschaften, Stärken und Schwächen, ein Volk, von dem er abstammt.

Schon hier fühle ich mich massiv überfordert. Jede noch so kleine Eigenschaft scheint das ganze Spielgeschehen zu beeinflussen. Ich versuche, mir alle Erklärungen durchzulesen, aber obwohl ich der englischen Sprache mächtig bin, habe ich das Gefühl, nur die Hälfte zu raffen. Ich fühle mich zu Spieleabenden zurückversetzt, an denen ein neues Spiel ausgepackt und die Spielanleitung studiert wird. Irgendwann kommt immer der „Ach, lasst uns einfach anfangen, das ergibt während des Spielens schon irgendwie Sinn”-Moment. Auf diesen Moment hoffen Eti und ich auch. Observant, Caring, Self-Sacrificing ist der Gute nun. Er gehört dem Asken Folk an und seine Augenfarbe ist Pale Jade. Ja, auch die hat eine eigene Eigenschaft: You strive to live a supportive and adaptive life, verspricht das Spiel mir einzig und allein aufgrund meiner grün leuchtenden Augen. Trotz völliger Ahnungslosigkeit meinerseits ist Eti ein ganz sympathischer Dude geworden, wie ich finde.

Book of Travels: Eti und Nina auf Erkundungstour

Dazu muss ich erwähnen, dass Book of Travels im Early Access nur eine beschränkte Auswahl dieser Personalisierungsoptionen bietet. Das heißt, dass der Wust an Einstellungen, die ich vornehmen konnte, nicht einmal alles war. Eti und ich ziehen also los. Es ist dunkel – auch das war meine Entscheidung. Tag- und Nacht-Zyklen laufen in Echtzeit ab. Während ich versuche, mich im Dunkeln zurechtzufinden, latsche ich erst einmal in einen Fluss. Eti gefällt das gar nicht. Ein kleines Icon zeigt mir an, dass seine Klamotten durchtränkt sind, er läuft jetzt langsamer. NOCH langsamer? Bitte nicht. Er kann zwar rennen, aber nur sehr kurze Strecken. Ist seine Energie erschöpft,  läuft er in normalem Schritttempo weiter, um neue Kraft zu tanken.

Das kann ich zwar sehr gut nachvollziehen, es nervt mich aber enorm. Vor allem, weil die Welten in Book of Travels extrem weitläufig sind. Ich würde mir zwar gern jeden Winkel anschauen, aber nicht, wenn ich fünf Minuten brauche, um zum nächsten Busch zu trotten. Das schmälert meinen Entdeckerdrang. Außerdem ist Eti immer noch klatschnass. Deshalb, erstmal ein Feuerchen machen – das gehört zum Glück zu meinen Grundkenntnissen. Weitere Fähigkeiten müssen im Spielverlauf erlernt werden. Dazu muss ich aber erst einmal Zivilisation finden. Auf meiner Suche nach – ja, was eigentlich – irre ich ziellos umher. Es gibt eine Karte, auf der ich einen Teil meiner Umgebung sehen kann. Irgendwelche Orte, deren Namen mir nichts sagen. Ich laufe irgendwo hin. Bis ich endlich in einem Dorf ankomme.

Ohne Google Maps wird das nix

Hier gibt es eine Menge Menschen: Händler_innen, Handwerker_innen, Tourist_innen, Farmer_innen und viele mehr. Mit den meisten Personen kann ich kurze Gespräche führen. Manche von ihnen bieten mir irgendwelche Dienste an, für die sie allerdings Rohstoffe benötigen. Wo auf dieser endlos scheinenden Karte ich die finden soll, verraten sie mir allerdings nicht. In mir macht sich sofort eine unangenehme Erkenntnis breit: Selbst WENN ich diese Dinge jemals finden sollte – zu diesem Dorf finde ich im Leben nicht zurück. Was ich ihnen mitbringen soll, habe ich ebenfalls sofort wieder vergessen. Ein Notizbuch, in dem meine Quests festgehalten werden, gibt es nicht. Nachdem ich das gecheckt habe, bin ich tatsächlich schlauer und notiere mir Stichworte. Ein alter Mann kommt mir entgegen, ich soll irgendeinem Typen etwas von ihm geben. Meine Notizen lauten: Char passage, Bridge, Sentry House, East of the Ravine.

Ich werde diesen Ort nicht finden. Niemals. Solange niemand mir einen Punkt auf einer Karte markiert, wird das einfach nicht passieren. Und das macht mich fertig. Während ich durch Orte laufe, deren Namen mir nichts sagen, und Kräuter sammle, ohne zu wissen, was ich mit ihnen anstellen soll, werde ich ein Gefühl nicht los: Ich glaube, dass ich da gerade etwas ganz Besonderes spiele. Nicht nur die Umgebung, auch die Übersicht meiner Charaktereigenschaften und das Inventar: Alles ist wunderschön und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Irgendwann finde ich sogar Gefallen daran, herumzustromern und die verschiedensten Pflanzen einzusammeln. Mein Problem, dass ich nicht weiß, wozu ich das Ganze mache, bleibt allerdings. Wahrscheinlich ist das Besondere an Book of Travels, dass ich das gar nicht wissen muss. Im Fokus steht die entspannende Erkundungstour, die ich nicht zu würdigen imstande bin. Ich fühle mich von so viel Freiheit erdrückt. 

Book of Travels ist ein RPG, das sich besonders anfühlt

Book of Travels ist eine Augenweide, das Spiel von Licht und Schatten ist beeindruckend, die beleuchteten Dörfer bei Einbruch der Dunkelheit wunderschön. Auch die Möglichkeit, mit anderen Spieler_innen über kleine Emoticons zu kommunizieren, hat mir sofort gefallen. Aber auch hier war diese Kommunikation selten zielführend. Ständig suche ich nach diesem einen Ziel, das es gar nicht gibt. Spielerisch kann ich deshalb einfach nichts mit Book of Travels anfangen. Trotzdem möchte ich euch ans Herz legen, euch mit dieser besonderen Art des RPGs auseinanderzusetzen und selbst zu entscheiden, ob ihr diese Reise antreten möchtet, in der ihr vollkommene Freiheit genießt. Seit dem 21. Oktober 2021 findet ihr Book of Travels auf Steam im Early Access. Bis zum Release lassen die Stockholmer Entwickler_innen von Might and Delight euch nicht im Regen stehen und legen Wert darauf, ihre Spieler_innen mit regelmäßigen Updates und Zusatzinfos zu versorgen.


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Redakteurin | + posts

Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.

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