Evan’s Remains Review | Puzzler mit verstörendem Twist

Evan’s Remains Rätsel werden euch nicht den Atem rauben, am Ende werdet ihr trotzdem mit offenem Mund dasitzen – wetten?

Hattet ihr schonmal einen “Urlaub für danach?” So einen Urlaub, der eigentlich richtig beschissen war: Jemand hat euren Rucksack geklaut, es will nicht aufhören zu schütten, irgendwer kotzt in euer Zelt… aber ihr habt danach immer geile Storys zu erzählen und werdet diesen Urlaub niemals vergessen. Also währenddessen eher mittel, hinterher aber irgendwie nice. So ähnlich geht es mir mit Evan’s Remains. Weder die Pixel Art Grafik noch das Gameplay des Puzzle-Platformers konnten mich während des Spielens so richtig überzeugen. Die Story war mir etwas zu kompliziert und verworren, die Rätsel zu lame. Trotzdem wollte die Geschichte rund um das mysteriöse Superhirn Evan mir auch nach dem Spielen nicht aus dem Kopf gehen.

Ganz ohne Spoiler: Darum geht’s in Evan’s Remains

Evan’s Remains wurde einzig und allein von Matías Schmied aka maitan69 aus Argentinien entwickelt. Allein das ist schon so bemerkenswert, dass ich mich fast nicht traue, das Spiel zu kritisieren. Mach ich aber trotzdem! Das Herzstück dieser Visual Novel ist definitiv die Story. Mit der verworrenen Geschichte könnte ich sicherlich ein paar Seiten füllen – damit würde ich euch allerdings krass spoilern. So viel darf aber verraten werden: Ihr spielt Dysis, ein Mädchen, das vom High-Tech Unternehmen Up-Bring auf eine verlassene Insel geschickt wurde. Dort soll sie nach Evan suchen. Der junge Überflieger arbeitet für Up-Bring und wird schon seit mehreren Jahren vermisst. Jetzt hat das Unternehmen einen Brief erhalten, in dem Evan explizit nach Dysis verlangt – seltsamerweise. Denn sie weiß selbst kaum etwas über den Jungen und kennt sein Gesicht nur von einem Foto. Warum Evan abgehauen ist und welches Ziel er mit seinem Versteckspiel verfolgt? Keine Ahnung.

Anfangs noch per Hologramm mit einem Mitarbeiter von Up-Bring verbunden, ist Dysis ziemlich schnell auf sich allein gestellt. Die Verbindung bricht ab, ihre Uhr funktioniert nicht mehr – irgendwie scheint die Zeit an diesem Ort stillzustehen. Ganz so verlassen, wie anfangs gedacht, ist die Insel im Übrigen auch nicht: Kurz nach ihrer Ankunft trifft Dysis auf einen Jungen namens Clover. Der treibt sich auf der Insel rum, um die Botschaften auf den Monolithen zu entziffern, die überall auf der Insel verteilt sind. Er hofft, so den Weg zu einem Artefakt zu finden, das sich auf der Insel befinden soll. Welche Macht das Artefakt besitzt, warum Clover unbedingt dahin will und was zur Hölle eigentlich bei diesem Evan abgeht, müsst ihr schon selbst herausfinden. Auf jeden Fall ist es nicht so, wie ihr denkt.

Ach ja, da war ja noch was: Evan’s Remains und die Sache mit den Rätseln

Ich sag mal, wie es ist: Logik ist nicht so meine Stärke, manchmal bin ich ein bisschen langsam im Denken – ja, ich stelle mich beim Rätseln oft dämlich an! Wenn ich ein Puzzle-Game spiele, hängt die Latte also reeeelativ niedrig, was die Schwierigkeit betrifft. Ich glaube, ihr habt’s kapiert. Und trotzdem fand ich die Rätsel in Evan’s Remains nicht besonders schwer, herausfordernd oder abwechslungsreich.

Alle 34 Rätsel folgen demselben Prinzip: Dysis gelangt zu einer Wand, an der mehrere Plattformen angebracht sind. Einige dieser Plattformen verschwinden, wenn sie darauf springt. Mithilfe von anderen kann sie sich teleportieren oder wird in die Höhe katapultiert. Ziel ist, die Funktionen der verschiedenen Stufen so einzusetzen, dass Dysis es auf die andere Seite schafft. Das ist mal mehr, mal weniger schwierig – wirkliches Kopfzerbrechen bereitete mir aber leider keines der Rätsel. Hinzu kommt, dass die Schwierigkeit nicht linear ansteigt. Manchmal folgt auf eine kniffligere Wand wieder eine super einfache. Das hängt ebenfalls mit der Story zusammen, wird aber erst gegen Ende aufgelöst.

Auch wenn ich mich über ein bisschen mehr Herausforderung bei den Puzzles gefreut hätte, habe ich sie im Großen und Ganzen als willkommene Abwechslung zu den Dialogen empfunden. Wenn euch die Rätsel aber mal zu langweilig werden, ihr (wider Erwarten) nicht weiterkommt oder euch nur durch die mind-blowing Story klicken wollt, könnt ihr sie auch einfach überspringen, indem ihr an der jeweiligen Wand vorbeilauft.

Deep S*** – Hallo, ich habe Redebedarf!

Vielleicht war ich vom Outcome der Story so überrascht, weil ich mich von der niedlichen Pixel-Grafik und den pastelligen Farben habe täuschen lassen. Mit dem deepen Twist, den die Geschichte am Ende nimmt, habe ich einfach nicht gerechnet und hatte dadurch einen etwas verstörenden, aber nachhaltigen „WAS zur Hölle“-Moment. Auch wenn ich inhaltlich nicht mehr verraten kann, kann ich euch garantieren, dass ihr über die Auflösung noch ein bisschen nachgrübeln und eure eigenen Moralvorstellungen infrage stellen werdet. War das in Ordnung? Kann man das echt bringen? Was hätte ich in dieser Situation gemacht? Überredet am besten eine_n Freund_in, eure_n Partner_in oder eure Omma auch Evan’s Remains zu spielen, damit ihr danach mit jemandem darüber quatschen könnt. Redebedarf werdet ihr auf jeden Fall haben – und die verworrene Story weiterzuerzählen klappt nicht so richtig gut (im Selbstversuch bestätigt).

Wäre es nur für das Gameplay, würde ich Evan’s Remains nicht uneingeschränkt weiterempfehlen. Auch wenn die Grafik niedlich und hübsch anzusehen ist und der Soundtrack unaufdringlich und angenehm dahinplätschert – bei den Rätseln hat mir einfach etwas Abwechslung und Kreativität gefehlt. Wird aber die Story in den Vordergrund gerückt, haben wir hier ein Spiel, das sich schon aufgrund des Überraschungseffekts auf jeden Fall lohnt. Ein bisschen mehr Zeit, um die Charaktere intensiver vorzustellen und Zusammenhänge besser zu erklären, hätte hier sicher nicht geschadet. Trotzdem reichen die Informationen aus, um der Geschichte zu folgen. Auch, wenn ihr hinterher mehr Fragen haben werdet als vorher.

6/10 🥺

Developer:  maitan69
Publisher: Whitethorn Games
Genre: Puzzle-Platformer, Visual Novel
Einzelentwickler: Matías Schmied 
Veröffentlichung:
11. Juni 2020 (Steam, PS4, Xbox One, Switch)

Redakteurin | + posts

Der Noob von WTLW. Sie kennt sich in der Gaming-Welt nicht so gut aus wie ihre Kolleg_innen, lernt aber gerne dazu. Klassisch mit “Die Sims” in die Gaming-Szene eingestiegen, spielt sie heute am liebsten Adventures, Platformer und Puzzle-Games. RPGs sind auch okay – aber nur, wenn sie schön aussehen.

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