Sam & Max Beyond Time and Space Remastered Review | Edelrestauration Teil 2

Zum zweiten Mal polieren Skunkape Games was das Zeug hält. Dieses Mal: Sam & Max Beyond Time and Space Remastered.

Sam & Max sind ein fest verwachsener Teil der Videospielgeschichte. Nicht nur im Point-and-Click Adventure Genre, sondern auch in Telltale Games Entwicklung. Zusammen mit dem zwei Meter großen Hund und dem hyperaktive Kaninchen von Schöpfer und Comiczeichner Steve Purcell hat sich das Studio zu dem entwickelt, als das wir es in der Historie wahrnehmen. Als kreatives Studio für narrative, cinematische Entscheidungsadventures in Episodenform. Sam & Max waren von Anfang an dabei und halfen den emsigen Emtwickler_innen ihr eigens erschaffenes Telltale Tool (der eigenen Game Engine) zu verstehen und die Möglichkeiten nutzen zu können.

Eine Herzensangelegenheit

Sam & Max Beyond Time an Space erschien als Season 2 der Reihe in fünf Episoden zwischen 2007 und 2008. Einige Dinge, die im weiteren Lebenslauf von Telltale äußerst nützlich waren, finden sich bereits hier. Nicht immer zum Vorteil von Sam & Max, aber das bringt ein Lernprozess zwangsweise mit sich. Zudem leidet die wirre Welt unter den technischen Limitierungen der Zeit, weswegen sich ein Kern von ehemaligen Telltalern zusammenfand, um Sam & Max die Frische zurückzugeben, die ihnen Zeichner Purcell einst gegeben hatte. Enter Skunkape Games. Nachdem Telltale Games 2018 vorerst die Türen schloss, sicherten sich die ehemaligen Telltaler die Rechte an Sam & Max. Eigentlich sollte es nur ein Patch werden, um die eingerosteten Adventures auf der modernen PC-Generation spielbar zu machen. Doch dann mussten die Entwickler hier noch ran und dort noch ran und ein paar Arbeitswochen später sahen sie sich mit einem ausgewachsenen Remaster konfrontiert.

Neu eingespielte Szenen, neue Musikstücke, ein Intro das alle Episoden vereint, ein neuer Bosco-Sprecher, Formatänderung auf 16:9, überspringbare Minigames, individuelle Auflösungsanpassung,  Licht- und Schattensetzungen – ernsthaft, die Liste ist länger als meine früheren Wunschzettel an den Weihnachtsmann. Und die waren echt lang! Fragt mal meine Ma. Die hat irgendwann nur noch Kataloge mit Kreuzen bekommen, war einfacher. Mit welchem Aufwand und Herzblut das Team an der Zugänglichkeit der Klassiker arbeitet ist unglaublich. Ausführlich liest du das schon in der Review zu Sam & Max Save the World. Was allein Schnee am Nordpol mit fantastischer Lichtsetzung für die Atmosphäre tun kann, ist schon in der ersten Episode der zweiten Staffel, „Ice Station Santa“, beeindruckend anzusehen. Da könnten überarbeitete Version namhafter Größen im Geschäft mal genau hinsehen, wie so eine Restauration von Klassikern funktioniert.

Sam & Max Beyond Time and Space legt die Remaster-Latte hoch

Aber Skunape Games hielten nicht an, ruhten nicht auf Erfolgen des ersten Teils aus. Sie wissen um Probleme mit Barrierefreiheit, gerade im Point-and-Click Genre. Und vor allem im so abgedrehten Universum von Sam & Max. Drum ist mit der angepassten Oberfläche und den überarbeiteten Mechaniken nicht nur die Freiheit gegeben, erneut easy zwischen Maus und Tastatur oder Controller zu entscheiden, es gibt weitere Hilfe am Rätselhimmel. Neben der Möglichkeit Interaktionspunkte hervorzuheben, kann ein weiteres sensibles Hinweissystem über Stufen angepasst werden. Je nach Belieben geben Sam & Max von selten und pauschal bis hin zu oft und sehr genau Tipps im Spiel, um ein Hängenbleiben zu vermeiden. Und das springt echt clever an. In der angesprochenen Nordpolwelt lief ich, auf der Suche nach Interaktion, im Kreis durch den Schnee. Max daraufhin: „Vielleicht sollten wir uns den Schlitten mal genauer ansehen, Sam!“.

Solch dynamische Systeme sind für eine flüssige Spielerfahrung Gold wert, wenn du nicht sofort zum Walkthrough greifen willst. Denn je länger du damit beschäftigt bist, zu suchen, desto größer die Gefahr das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren, desto höher der Frustfaktor. In der Folge steigst du einfach aus und lässt das Spiel links liegen. Mit diesem organischen Hilfesystem ist stetes Voranschreiten auch unter Altlasten des damaligen Puzzledesigns möglich. Und wir reden hier von Sam & Max Beyond Time and Space. Wie der Titel schon sagt, gibt es hier vieles in der Vergangenheit zu erledigen, um gewünschte Auswirkungen im Jetzt oder der Zukunft zu erzielen. Hätte ich mir so tatsächlich auch beim Day of the Tentacle oder dem Grim Fandango Remaster gewünscht, aber da wurde dann tatsächlich einfach nur drüber gewischt. Solche Kniffe machen Klassiker erst wirklich zugänglich. Nicht nur für die Veteran_innen unter den Spielenden.

„We’ve all got to pull together to safe christmas for the kids of the world!”

Sam & Max sind in ihren Grundzügen noch immer dieselben. Die chaotische Freelance Police mit tieffliegendem Humor und Slapstickeinlagen. Auch zum 50. Mal muss ich lachen, wenn Sam Max aus dem Weg klatscht, weil er im Weg stand und der im hohen Bogen durch die Spielwelt fliegt. Die Welten, die Charaktere, die eigentliche Story – so abwegig, dass das heute kaum mehr als Idee durchgewunken würde. Die erzählten Verschwörungen zwischen Teufel, Weihnachtsmann, Weltraum, Tanzfläche und Eurotrash-Vampir, da könnten sich die Leute auf der Straße eigentlich mal nen bisschen Kreativität abschauen. Das wird sonst echt langweilig.

Sam & Max sind speziell, aber nicht auf die forciert verletzliche Art. Ihre Welten sind charmant, voller kleiner Details und absurder Ideen, die heute so nicht mehr funktionieren würden. Sie in dieser durchdachten Art noch einmal zu konservieren, ihnen Zugänglichkeit zu schenken, ist das Beste, was den liebenswert grinsenden freischaffenden Polizisten passieren konnte. Und wenn Max dann noch beiläufig einer flirtenden Person erklärt, dass er an Frauen so gar nicht interessiert ist, dann weißt du, dass Sam & Max Beyond Time and Space zumindest gesellschaftlich seiner Zeit voraus war. Besser kannst du ein Remaster kaum machen.  

9/10 🐶🐰🚓

Developer/Publisher: Skunkape Games
Genre: Point-and-Click Adventure
Team: Dan Connors, Randy Tudor, Jon Sgro, Jake Rodkin; ebenfalls involviert: Eric Parsons, Brett Rogstad, Tim Ingram, Emily Morganti, Shaun Finney, Doug Tabacco, Julian Kwasneski, Emma Cooper, Erin Ashe
Musik: Jared Emerson-Johnson
Veröffentlichung: 8. Dezember 2021 (Steam, Microsoft Store, Xbox Series X|S, Xbox One, Switch)


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Chefredakteurin | Website | + posts

Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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