Angespielt… | Die Demos des Steam Next Fest Februar 2022 Teil 1

Es ist mal wieder diese Zeit des Jahres. Die spannendsten neuen Demos des Steam Next Fest Februar 2022 – angespielt von Christina.

Meine Angespielt…-Reihe geht in die dritte Saison. Aus einer fixen Idee ist eine Konstante geworden, in der ich meine Freude an Demos aller Art umsetzen kann. Das schöne an Events wie dem Steam Next Fest ist, dass ich Einblick in alle Entwicklungsphasen bekomme. Auch die Kleinsten, Unbekanntesten dürfen zeigen, was sie in Petto haben. Manchmal ist das allerdings mehr Fluch als Segen. Darum geht es im Folgenden nicht nur um die schönsten, sondern auch um die seltsamsten Vertreter, die ich ausgegraben habe. Viel Spaß mit Katzendetektiven, tierischen Schmutzfinken, französischen Filmen und schnellen Affen. Teil 2 folgt in Kürze!


Albert Wilde: Quantum P.I.

beyondthosehills (Q3 2022 | Steam)

Die monotone Stimme des Albert Wilde, seines Zeichens Detektiv, ist tief. So tief, dass ich ihm den Stolz kaum abnehme, als er sagt, dass er der Beste seines Fachs sei. Ist auch Blödsinn, erfahre ich bald. Über meinen Bildschirm flimmert ein Schwarz-Weiß-Film wie aus den frühen Jahren des Kinos – eine sorgfältig aufgebaute Kulisse mit einem wippenden Auto und einer vorbeiziehenden Straße. Gerade so über das Lenkrad schaut eine Katze, die den starren Gesichtsausdruck einer Puppe besitzt. Was habe ich mir da schon wieder angelacht? Ach ja. Albert Wilde: Quantum P.I. Szenenwechsel. Egoperspektive, immer noch schwarz-weiß gekörnt. Und dann geschieht es: Ich laufe einen Schritt und das ganze Bild wackelt von rechts nach links, als wäre ich eine Henne.

Ich glaube, so schnell habe ich noch nie eine Egoperspektive verflucht. Auch im weiteren Verlauf komme ich aus dem halb bewundernden, halb genervten Stöhnen nicht mehr heraus. Die Dialoge sind gewollt edgy mit originalen Tiergeräuschen statt echter Stimmen (miau -rööööhr -meooow). Die Mischung aus einem puppenartigen Set und hineingesetzten maskierten Schauspieler_innen funktioniert. Aber in jedem Satz, den Albert sagt, steckt irgendeine Noir-eske, kleinkriminelle oder machohafte Anspielung. Der Humor ist teilweise so infantil, dass ich mich veralbert fühle. Das schadet der spannend klingenden, dystopisch angehauchten Sci-Fi-Noir-Story. Obwohl das Setting schick, die Beleuchtung wirklich gelungen, die Musik stilvoll und die Synchro… na ja… vorhanden ist, klickt Albert Wilde: Quantum P.I. noch nicht mit mir.


Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit

Tag of Joy / Thunderful Publishing (Q2 2022 | Steam, Xbox One)

Ich fürchte, es war kein guter Auftakt, schon am allerersten Puzzle zu scheitern. Es lag nicht einmal an mir – die Aufgabenstellung war uneindeutig. Also habe ich mir beholfen und im Forum nachgeschaut, um nicht direkt abbrechen zu müssen. Immerhin kann ich sagen: Danach wurde es besser. Was folgte, entsprach eher dem klassischen Point-and-Click-Schema. Suche die Umgebung ab, sammele Sachen ein, kombiniere und repariere sie und setze sie dann sinnvoll ein. Das hat bis zu dem Punkt geklappt, an dem ich nicht mehr wusste, was ich eigentlich tun soll. Dabei sieht Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit hübsch aus. Die Hintergründe sind handgezeichnet und Milda bewegt sich als animierte Figur durch sie hindurch. Die Animationen wirken zwar etwas unbeholfen, aber das stört nicht weiter. Die Abwechslung vom üblichen Pixelpüree ist erfrischend.

Die Demo schafft es allerdings nicht, mir die Story schmackhaft zu machen. Es geht darum, so wird mir auf einem einleitenden Bildschirm erzählt, dass Milda ein verschollenes Relikt sucht, das auf den nie gekrönten König von Litauen zurückgeht. Mysteriöse Schätze, Orte in ganz Europa, eine Schnitzeljagd nach einem Erbe – all das klingt verheißungsvoll. Zumal das Rätselabenteuer voll synchronisiert ist und die Sprecherin von Milda sehr authentisch klingt. Doch einen Hauch von James Bond und Indiana Jones bekomme ich nur, als ein Typ auf einem Walkie-Talkie anruft, just, als ich durchs Fenster steige. Sonst greift das Adventure im Rahmen der Demo vor allem auf Erkundung und Puzzles zurück. Noch ist mein Ersteindruck von Crowns and Pawns: Kingdom of Deceit nicht ganz widerlegt.


A Little To The Left

Max Inferno / Secret Mode (August 2022 | Steam, Switch, Android, iOS)

Wie zufriedenstellend es ist, Dinge an ihren Platz zu packen, zeigte bereits Unpacking. A Little To The Left geht noch einen Schritt weiter und lässt mich an den kleinsten Details arbeiten, die wahre Perfektion ausmachen. Hier werden Sachen aufgeräumt, Bilder geradegerückt und kleinere Gegenstände sortiert. All das passiert mit kleinen Soundeffekten, die in mir Glücksgefühle auslösen. Wäre Aufräumen in echt doch auch so schön! Der Zeichenstil ist wie mit Buntstiften und Malkreide skizziert, zarte Pastelltöne ergänzen den harmonischen Bildaufbau. Hier soll sich entspannt werden bei einer Tätigkeit, die wie der Goldene Schnitt ein Bedürfnis nach Ordnung und Symmetrie in mir befriedigt.

Ab und zu kommt eine Katzenpfote ins Bild und stört meine Arbeit. Doch ich bin Zen und bleibe geduldig. Wenn ich einen Haufen Papier sehe, fange ich unbewusst an, ihn herumzuschieben, bis es plötzlich pling macht: Da gehört der Zettel hin! Schwupps, findet alles seinen vorherbestimmten Platz. Wo Chaos war, schaffe ich Ordnung. Ich fühle mich, als würde ich Gottes Werk verrichten. Nur diese Katze… sie ist der Gegner, der Bösewicht in diesem Spiel. Die Schlange, die mich vom rechten Pfad abbringt. Kaum wischt sie aufmerksamkeitsheischend mit einer Pfote über meinen Tisch, gerät mein Qi ins Wanken. Laut Steam-Page warten im finalen Spiel über 75 kleine Level auf mich, in denen ich gründlich aufräumen darf. Ich kann es kaum erwarten.


Finders, Keepers

Alex Francois / Brainchild (2022 | Steam)

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr ein Spiel beginnt und es schlägt ein wie ein Stein? Ihr seid sofort da, sofort begeistert, sofort neugierig? Willkommen in meiner Erfahrung mit Finders, Keepers. Als das Spiel startet, sehe ich einen schmalen Bildausschnitt. Schwarz-weiß, irgendein Bit-Style. Ich schaue von oben auf mein Handy herab und sehe Dating-Profile. Und wie bei den einschlägigen Apps beginne ich zu swipen. Links, rechts, die Gesichter und kecken Beschreibungen ziehen an mir vorbei. Dann eine Stimme. Und plötzlich sehe ich Waldboden im Hintergrund vorbeiziehen. Ich wandere mit meiner Begleitung durch den Wald und die Dating-App ist eigentlich ein Netzwerk für Wanderer. fyndr/keepr vernetzt mich mit Hikern in der Umgebung und zeigt mir auch Sehenswürdigkeiten an. So landen wir beim nahe gelegenen Teufelstisch (Eine Felsformation, die ich tatsächlich schon einmal besucht habe. Sie liegt im Dahner Felsenland) und lesen die Kommentare anderer User_innen.

Ich erlebe meine Umgebung über meine App und die begrenzten Bildausschnitte, die mir angezeigt werden. Das fühlt sich so real an, dass mein Kopf beginnt zu glauben, ich würde mich tatsächlich bewegen. Das sorgt im ersten Moment für Übelkeit, im zweiten bin ich darüber hinweg und nur noch furchtbar neugierig. Denn schnell stoße ich auf ein Profil, das sich nur wenige Meter entfernt befindet. Doch dort warten keine einsamen Wanderer, sondern nur ein seltsames Fundstück. Finders Keepers erzählt seine Geschichte über den Blick auf das Smartphone und im beinahe WhatsApp-artigen Zwiegespräch. Der Look, die Musik, das ungewöhnliche Gameplay und die mich zerfressende Neugier machen das Mystery-Abenteuer zu meiner Überraschung des Monats.

Finders Keepers
Der Teufelstisch. Eigener Screenshot

Trash Panda

Jason Leaver / JLeaver Presentations (2022 | Steam)

Trash Panda ist die Mischung aus Untitled Goose Game und Donut County, nach der niemand gefragt hat. Und trotzdem erwische ich mich, wie ich zu viel Zeit in dem Spiel verbringe, das aktuell noch keinen nennenswerten Inhalt besitzt. Der Name ist Programm: Als Trash Panda werden Waschbären deswegen bezeichnet, weil sie zwar eine gewisse Ähnlichkeit zu ihren fernen Bärenverwandten haben (die Augenringe, es sind diese Augenringe), aber statt Bambus zu futtern lieber im Müll herumwühlen. Menschliche Abfälle haben es den kleinen Viechern angetan (die übrigens zur Familie der Kleinbären und zur Überfamilie der Marderverwandten gehören – mehr solche Quälgeister). Den Namen haben die Tiere von ihrer Eigenschaft, Essen unter Wasser zu tauchen, was sie aber nur in Gefangenschaft tun. Es ist ein Relikt ihrer Nahrungssuche in Uferzonen.

Tja, und Trash Panda ist nun ein Spiel, benannt nach einem Meme, in dem ich mit einem Waschbären Mülltonnen umwerfe und so meinen Highscore verbessere. Fresse ich die Essensreste aus der Schweinerei, die ich auf dem Bürgersteig angerichtet habe, bekomme ich weitere Punkte. Eine nette Nebenbeschäftigung ist das Wettrennen gegen einen anderen Waschbären: Wer auf einer Straße mehr Punkte sammelt, gewinnt. Aber das war’s dann auch. Die sehr schwammige Steuerung und die austauschbare Low-Poly-Optik sind ausbaufähig. Ein Müllauto mit einer Nachricht verspricht aber deutlich mehr Inhalt in der Zukunft: So soll das Müllauto auch tatsächlich fahren (bisher bewegt sich nur der Waschbär), die Nachbarschaft soll an echte Ortschaften von Toronto angelehnt gestaltet werden und einiges mehr. Ob das tatsächlich Potential hat? Es ist zu früh, um das zu sagen.


Mindhack

VODKAdemo? (2022 | Steam)

Was wäre, wenn in allen Straftäter_innen und Bösewichten dieser Welt ein Keim stecken würde, der für ihre Taten und ihr Denken verantwortlich ist? Ein Fehler, der für Expert_innen einfach auszumerzen wäre? Diesem Gedanken nimmt sich Mindhack an. Das Spiel des japanischen Studios VODKAdemo? betrachtet das Bewusstsein eines Menschen als Programm, das fehlerbehaftet sein kann. In Einklang mit der herangezogenen Analogie heißen diese Fehler Bugs, und sie lassen sich behandeln. Sogenannte Mindhacker sind Spezialist_innen, die in das Gehirn ihres Gegenübers eindringen und dort den Bug suchen. Haben sie ihn gefunden, neutralisieren sie ihn und verwandeln das Böse in eine friedliche Blumenwiese. Egal, ob Mafiaboss oder Folterknecht: Danach sind die Übeltäter_innen lammfromm, frohgemut und positiv gestimmt.

Ich kann mich gar nicht entscheiden, ob ich das schön oder schrecklich finde. Einerseits bin ich froh, meine erste Behandlung erfolgreich abgeschlossen zu haben: Undid, ein humanoid angehauchter Seestern, hängt nun nicht weiter den Schatten der eigenen Kindheit nach, sondern blickt positiv ins Jetzt. Andererseits pfusche ich mit meinen weiß behandschuhten Händen im persönlichen Innersten anderer Lebewesen herum. Und das nach einem Unfall, dessen blutiges Trauma mir immer noch nachhängt. Mindhack beeindruckt mit einem Soundtrack, der ins Ohr geht, bunten Farben und vielfältigen Charakteren. Fordernd ist die Erzählung auch nicht, dann kann ich mich voll auf die Geschichte konzentrieren. Hoffentlich ist das Spiel beim Launch nicht wie angedroht nur auf Japanisch verfügbar. Die Demo ist jedenfalls auf Englisch spielbar.


Gibbon: Beyond the Trees

Broken Rules (2022 | Steam, Switch, Apple Aracde)

Benja hat bereits über Gibbon: Beyond the Trees berichtet. Diese Mischung aus Spider-Man und Parcours ist ein Abenteuer, das über die Mechanik des An-Lianen-Herumschwingens hinausgeht. Versteht mich nicht falsch, das macht unfassbar viel Spaß! Aber Gibbon hat noch mehr zu erzählen. Es erzählt von Menschen, die den Affen die Lebensräume zerstören und von bedrohten Tieren, die Opfer eines menschengemachten Problems werden. Davon ist in der Demo nur eine leise Ahnung zu vernehmen. Aber eine Einblendung zu Beginn macht unmissverständlich klar: Dies ist eine Fallstudie eines Problems, das auf der ganzen Welt existiert. Es sind Expert_innen beteiligt, um eine korrekte Darstellung aller Aspekte zu gewährleisten. In Gibbon steckt ein Herz, das für unsere schützenswerte Natur schlägt.

Die Mechanik ist denkbar simpel, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass sie mit Controller noch besser zu genießen wäre. Laufen und schwingen sind die Fortbewegungsoptionen, mit denen ich mich durch das tropische Blätterdach bewege. Beim Schwingen nehme ich Schwung auf, um auch Abgründe zu überwinden. Dafür muss ich im richtigen Moment loslassen, gar nicht so einfach, wenn ich so verzaubert auf die Umgebung schaue. Nicht nur mein Gibbon sieht fantastisch aus, auch der Regenwald ist wunderschön gestaltet und wandelt sein Aussehen je nach Tageslicht. Es ist eine bittersüße Freude, denn tief in mir drin weiß ich: All das könnte schon bald Vergangenheit sein.


Little Orpheus

The Chinese Room / Secret Mode (1. März 2022 | Steam, PS4, Xbox Series X | S, Xbox One, Switch)

Schon Jules Verne hat über eine hohle Erde fantasiert. Dabei war er durchaus geologisch bewandert, seine Beschreibungen von Gesteinen in Die Reise zum Mittelpunkt der Erde sind akkurat. Und doch schuf er eine Welt unter der Welt, eine uralte Welt, in der die Zeit stehengeblieben scheint. Und Little Orpheus knüpft daran an und denkt sich: Warum eigentlich nicht? Wir schicken einfach einen sowjetischen Soldaten in einem riesigen Raumschiff durch einen erloschenen Vulkan geradewegs in den Bauch der Erde. Und dort bleibt er drei Jahre, bevor er wieder auftaucht und von seinem General verhört werden kann. Wo er denn gewesen sei? Also erzählt Ivan Ivanovich von seiner irren Reise, von den riesigen Insekten und den gefährlichen Dinosauriern. Doch natürlich glaubt ihm der General kein Wort, immerhin –

Moment, sagte ich Saurier? JA! In dem Puzzle-Platformer spiele ich Ivans Geschichte nach und begegne dabei den Wesen aus seiner Erzählung. Und die sind fantastisch, bildschirmfüllend und wie frisch geklont! Ich fühle mich direkt an die rasanten Passagen aus Ice Age 3 und den armen Dino Rudy erinnert. Ivan muss auf seiner Suche nach Little Orpheus (eine Erkundungskapsel) ständig auf der Hut sein, um nicht gefressen zu werden. Er ist aber auch klein angesichts des riesigen Mauls eines Tyrannosaurus Rex! Der cineastische Platformer hat aber nicht nur Urzeitreptilien zu bieten, sondern auch eine schicke Grafik und eine flotte Musik. Ich frage mich nur, was Ivan mit seinem ständigen Schnaufen und Grunzen bezweckt. Ich würde jedenfalls nicht vor mich hin kichern, wenn gerade ein Dinosaurier nach mir sucht!

https://youtu.be/Tdn2fU9oVQw

Das Steam Next Fest Februar 2022 läuft noch bis zum 28. Februar 2022 auf Steam. Aktuelle Übertragungen und die angebotenen Demos des Events findest du hier.


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Redakteurin | + posts

Die Naturwissenschaftlerin von WLTW. Sie recherchiert alles, was im Entferntesten nach Informationen riecht. Weil ihre Kreativität im Studium zu kurz kommt, hat sie Indie Games für sich entdeckt, am liebsten Point-and-Clicks. Aber im Prinzip kann man sie für alle Puzzler, RPGs oder Lebenssimulationen begeistern.

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