Untitled Goose Game Review | HONK!

Es ist ein wunderschöner Morgen im Untitled Goose Game Dorf. Zeit für eine Gans, alles auf den Kopf zu stellen.

Wer schon mal in der Lüneburger Heide Urlaub gemacht hat oder auf dem Land aufgewachsen ist, weiß wie dort die Zeit stehen bleiben kann. Da wird in der Dorfzeitung schon mal groß mit Foto berichtet, wenn bei Familie Schulzens ein Gartenzwerg aus dem Vorgarten entwendet wurde (sic). Da wäre es geradezu eine Jahrhundertschlagzeile, wenn eine verrückte Gans die Bewohner terrorisiert und sich dabei ins Schnäbelchen honkt.

Und so geschieht es in Untitled Goose Game:

Spiele eine Gans und treibe Unfug. Die Prämisse des Spiels und der vorausgeschickte wahnwitzig lächerliche Trailer haben mich sofort in ihren Bann gezogen; seit der Ankündigung wartete ich gespannt auf die Veröffentlichung.

Ja, echt wahr, hier ist eine Gans der Protagonist. Oder die Protagonistin, das ist nicht gewiss, aber auch egal. Die Gans treibt fabelhaften Blödsinn und ärgert die Anwohner. Auf extrem charmante Art und Weise – systematisch noch dazu! Der gefiederte Ganove hat eine To-Do Liste unter seinen Fittichen, auf der äußerst schelmische Vorhaben notiert wurden: „Mach den Gärtner nass“, „Bringe den Jungen dazu, die falsche Brille zu tragen“ oder „Klau ein Glas und wirf es in den Kanal“.

Untitled Goose Game erlaubt, nein, verlangt! alles was unsittlich ist, sich nicht gehört, aber keinen großen Schaden anrichtet. Und genau das verbreitet einen Heidenspaß. Friedlich Unruhe stiften.
Stibitze Dinge mit dem Schnabel, schlage wild mit den Flügeln oder Honke was das Zeug hält. Die völlige Zufriedenheit entfaltet sich, wenn das vollzogene Werk in Form der aberwitzigen und dämlichen Reaktionen der Dörfler_innen beobachtet werden darf.

Metal Goose Solid

Mit der pastellfarbenen Low-Poly-Grafik wird alles auf das wesentliche reduziert. Herausragend, mit welch simplen und unaufdringlichen Elementen Entwickler House House eine Gans erkennbar dargestellt: weiße Silhouette, orangefarbener Schnabel und schwarze Punkte als Augen. Keine Konturen und doch so klar wie der einfarbig blaue Fluss im Dorf.

Genauso reduziert und einfach wurde auch die Umwelt des Entenvogels gestaltet. Die Bewohner_innen besitzen keine Gesichtszüge, keine Mimik. Nur Nasen. Und dennoch scheint nichts unkenntlich. Im Gegenteil, die Expressionen der Gelackmeierten lassen sich köstlich allein von der Gestik ablesen.

Wie beim örtlichen Gärtner, der gerade noch genügsam in der Erde buddelt, danach seine Handschaufel auf den Stuhl legt und sich nach getaner Arbeit zufrieden die Hände ausschlägt. Und dann erdreistet sich diese Gans seine Idylle zu stören und ihm die Schippe zu klauen.
„Huch, wo ist meine Schaufel“, denkt der Mann im Overall. Wie bei Metal Gear Solid schreckt er auf, als er das Tier mit dem Werkzeug im Schnabel sieht und die Verfolgung aufnimmt. Pure Situationskomik, herrlich!

Goose Friendly Violent Fun

In diesem Zusammenhang zeigt sich zudem die kongeniale Musikuntermalung von Untitled Goose Game. Komponist, Kritiker und Universitätsprofessor Dan Golding interpretierte Claude Debussy‘s „Minstrels“ sehr originalgetreu nach und kreierte den ultimativ subtilen Audio-Slapstick.

Besonders in der speziellen Art wann Töne angespielt werden. Die Klaviertöne bleiben still bis in der dargestellten Szenerie etwas Neues geschieht, die Gans ein neues Areal betritt, vom Menschen vergebens verscheucht wird oder erfolgreich eine der verschmitzten Aufgaben abschließt.
Danach verstummen die Töne abrupt. Jedoch wirkt die Komposition nicht abgehackt. Es unterstreicht die kommende Spannungskurve. Es stachelt mich dazu an, mehr Schabernack zu treiben, damit die Musik weitergeht.

Press Y to honk!

Die überaus sympathischen australischen Entwickler House House erfanden vor Untitled Goose Game das vier-Spieler Party-Ringen Push Me, Pull You. Beide Spiele haben nicht nur die pastellfarbene Low-Poly Grafik gemein, sondern auch, dass mit ganz schlichten Mitteln etwas gänslich Neues geschaffen wurde. Das zeigt sich in beiden Fällen im unerwartet großen Spaß.
Die Tatsache, dass House House in dieses absurde Konzept sogar eine kleine Story mit genialem Ende eingebaut haben scheint dabei fast unglaublich. Ich habe während des Spielens schon lange nicht mehr so gelacht. Die Liebe zum Detail ist mehr als spürbar.

Das Hauptspiel ist schnell geschafft. Danach gibt es neue To-Do Listen und Zeit-Challenges. Der Umfang ist perfekt. Untitled Goose Game wird nicht langweilig, es wiederholt sich nicht. Wer mehr will, bekommt mehr. Die Steuerung ist ausgetüftelt, Musik und Grafik schmeicheln der Grundidee. Hier passt einfach alles. Bisher mein (Indie-) Game Of The Year! HONK!

10/10 <3

Developer/Publisher: House House (in Kooperation mit Panic)
Team: Michael McMaster, Stuart Gillespie-Cook, Jacob Strasser, Nico Disseldorp
Veröffentlichung: 20. September 2019 (Epic Games Store, Switch), 16. Dezember 2019 (PS4, Xbox One)

Autor: Dennis Strillinger
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