Rise of the Third Power Review | Die Ruhe vor dem Sturm 

Erneut haben Stegosoft Games und DANGEN Entertainment zusammengearbeitet, um nach Ara Fell mit Rise of the Third Power das nächste JRPG zu veröffentlichen. 

Es sind seltsame Zeiten. Der große Krieg ist beendet und Frieden zwischen allen beteiligten Nationen geschlossen. Ein großes Abkommen wurde von den drei Großmächten unterzeichnet und neue Allianzen aufgebaut. Und trotzdem ist das Vertrauen untereinander nicht da. Das Land Tariqq als einzige neue Demokratie beäugt argwöhnisch, wie Cirinthias König seine Tochter mit dem Prinzen Arkadyas vermählen möchte, um ein Symbol des Zusammenhalts dieser einst verfeindeten Nationen zu zeigen. Und auch in der Bevölkerung gibt es unterschiedliche Positionen. Manche wollen den Krieg hinter sich lassen oder haben ihn nie erlebt. Anderen fällt es deutlich schwerer, unbefangen auf die neuen Verbündeten zu blicken. Es gibt sogar Gruppen, die fest davon ausgehen, dass ein zweiter Krieg unmittelbar bevorsteht. Die geplante Eheschließung sei nur ein Vorwand, um aus dem Hinterhalt neue Konflikte heraufzubeschwören. Das sind keine guten Vorzeichen für die kommenden Jahre in Rise of the Third Power

Wer gehört zum Widerstand? 

Der ehemalige Pirat Rowan und seine geschickte Begleiterin Corinna entführen daher kurzerhand die Prinzessin, um besagte Hochzeit aufzuhalten. Die Auftraggeberin der beiden hat wichtige Informationen, die auf den nächsten Krieg hinweisen. Demzufolge wird die Königstochter Arielle entführt, um ihr diese Beweise zu zeigen und die Hochzeit wie auch die militärischen Auseinandersetzungen zu verhindern. Ohne wirkliche Alternative ergibt sich Arielle ihrem Schicksal und unterstützt die beiden Kidnapper_innen in ihren Kämpfen. Die laufen rundenbasiert ab gegen Feinde, denen ich auf der Karte ebenso ausweichen kann. Während Rowan ein klassischer Tank ist, viel aushält und Angriffe auf sich ziehen kann, versucht Corinna, die Gegner mit starken Angriffen so schnell wie möglich zu erledigen. Arielle hat kurzerhand eine Schiffskanone auf der Schulter und kann großflächig alle Feinde auf einmal attackieren, solange die Munition reicht. Im Laufe der Reise schließen sich weitere Charaktere an, sodass ich entscheiden muss, welche drei Partymitglieder eine Auseinandersetzung bestreiten. 

Jedoch ist es möglich, eine Figur mitten im Kampf auszutauschen. Anhand einer Leiste am oberen Rand lässt sich erkennen, wer wann im Kampf an der Reihe ist. Jeder Angriff, jeder Wechsel und jeder Einsatz von Items sollte taktisch überlegt sein. Gerade gegen größere Bosse oder auf höheren Schwierigkeitsgraden ist das unvermeidbar. Nur Kämpfe gegen herkömmliche Gegner können trotz vieler Komfortfunktionen schnell eintönig werden. Aber darum soll es gar nicht gehen. Wir wollen einen Krieg verhindern. Da sind solche Kämpfe zwar ein großer Teil der Mission, doch wichtiger ist es, die Revolutionstruppen zu finden, um sicher ans Ziel zu kommen. Im Laufe der über 20 Stunden Spielzeit bereisen Rowan, Corinna und Arielle große Teile der Welt, besuchen die unterschiedlichsten Städte und Nationen. Sie vermitteln mir dadurch, für was ich hier eigentlich kämpfe! Die lange Spielzeit hilft dabei, dass mir die Welt und ihre Bevölkerung ans Herz wächst! 

Rise of the Third Power oder Rise of the Third Reich? 

Stegosoft Games und DANGEN Entertainment sagen, dass all diese Ereignisse lose auf dem Europa der frühen 1930er Jahre beruhen. Und auf den ersten Blick passt das auch. Der erste große Krieg ist vorbei, der zweite steht vor der Tür. Allianzen und Bündnisse sind brüchig und Arkadyas Wunsch, die Welt zu übernehmen, lassen schnell erkennen, wer hier stellvertretend für die Nationalsozialisten steht. Rise of the Third Power setzt mit dieser Beschreibung jedoch Erwartungen und Ansprüche, die es an anderer Stelle nicht erfüllen kann. Zwar stößt die Gruppe immer wieder auf Situationen, in denen Charaktere aufgrund ihrer Herkunft anders behandelt werden, ein Äquivalent für den präsenten Antisemitismus in Europa gibt es jedoch nicht. Die nur lose vorhandenen Zusammenhänge lassen elementare Teile der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg außenvor. Das JRPG stellt die damalige Weltlage deutlich vereinfacht dar, wodurch elementare Probleme der damaligen Gesellschaft völlig fehlen. 

Rise of the Third Power tut sich mit diesem Vergleich in meinen Augen keinen Gefallen. Die Nennung der Ideengrundlage führt dazu, dass diese explizite Erwähnung eher falsche Erwartungen weckt. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, diese Inspiration nicht zu nennen, sondern es den Spieler_innen zu überlassen, Zusammenhänge zu erkennen. Für sich stehend ist Rise of the Third Power nämlich eine tolle Geschichte mit wundervollen Charakteren, die auch deutlich vielfältiger sind, als es die 1930er in Europa vermuten lassen würden. Die eigene Party besteht aus queeren Charakteren, aus Figuren unterschiedlichster Herkunft, sozial wie auch geografisch, es wird nach Pronomen gefragt und der asexuelle Charakter der Truppe ist mein absoluter Liebling geworden. All die Eigenschaften werden nicht großartig hervorgehoben, sondern von der Umwelt als gegeben und alltäglich hingenommen. Abgesehen vom drohenden Krieg scheint die Welt namens Rin demnach sogar progressiver zu sein als die Erde in 2022, von den frühen 1930ern ganz zu schweigen. 

Aufstieg der Stegosoft Games 

Ich möchte nicht, dass Rise of the Tird Power durch einen Fauxpas im Marketing blöd dasteht. Dafür habe ich zu vieles sehr gemocht. Die Animationen in den Kämpfen sind wunderschön, die Charakterportraits charmant gezeichnet und die Dialoge von rührend bis witzig sehr pointiert. Ich mochte, wie sich die Welt mit der Zeit immer weiter öffnete und ich irgendwann über die große Weltkarte reisen und viele kleine Geheimnisse entdecken konnte. Außerdem habe ich recht spät zu schätzen gelernt, wie simpel das Ausrüstungssystem aufgebaut ist. Während andere RPGs erwarten, dass ich durch Menüs klicke, um die optimale Ausrüstung zusammenzustellen, muss ich in Stegosofts Version die Ausrüstung selbst zusammencraften und anlegen – danach bleibt sie dauerhaft. Kein unnötiges Management. Die Zeit lässt sich nutzen, Talentpunkte auf die Fertigkeiten der bis zu acht Partymitglieder aufzuteilen. 

So konnte ich mir meine Truppe ohne großen Aufwand anpassen. Selbst ödeste Kämpfe wurden somit plötzlich abwechslungsreich. Ich habe schließlich nicht umsonst lange Zeit in Rin verbracht, ohne dass mir das Spiel zum Hals raus hing. Stegosoft Games haben großspurig ankündigen lassen, dass sie ihr vorheriges Spiel Ara Fell in jeder Hinsicht übertreffen werden. Glücklicherweise ist das eine Aussage, der sich Rise of the Third Power ohne weiteres stellen kann. Für mich ist das nämlich definitiv zutreffend! Eine Pause brauche ich jetzt trotzdem. Einen Krieg aufzuhalten ist anstrengender als gedacht! 

8/10  🏳️‍🌈🏴‍☠️🏳️

Developer: Stegosoft Games
Publisher: DANGEN Entertainment
Genre: JRPG
Team: Evelyn Rose Hall (Project Lead, Writing), Joey Frost Peters (Programming),
Musik: Jacob McNatt, Michael Donner, Louise Heaney
Veröffentlichung: 10. Februar 2022 (Steam, Epic Games Store, GOG, PS5, PS4, Xbox Series X|S, Xbox One, Switch)


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Redakteur | + posts

Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

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