Pumpkin Jack Review | Kürbis im Winter

Der 3D-Platformer Pumpkin Jack kitzelt nostalgische Erinnerungen. Im Christmas Update sogar mit blinkendem Weihnachtsmannmantel.

Weihnachten ist vorbei? Ach und das sollte mich jetzt wo genau jucken? Pumpkin Jack interessiert es doch auch nicht ob Halloween bereits rum ist. Genau wie Namensvetter Jack aus Nightmare before Christmas, hat er es satt immer mit Halloween in Verbindung gebracht zu werden. Drum zwängt er sich in ein blinkendes Weihnachtskostüm, zieht diverse Schneeflocken auf sich und verwandelt seine rabenschwarze Welt kurzerhand in ein buntes Weihnachtszauberland. Naja, zumindest teilweise. Und da wir in unseren westlichen Gefilden eh vergeblich auf Schnee warten, ist Pumpkin Jack im passenderweise vor Weihnachten erschienenen Christmas Update genau die richtige Beschäftigung, um nicht verzweifelt, vor lauter Warterei auf Schneeflocken, vor dem Fenster zu versauern. Zu meiner Entschuldigung sei dann aber doch gesagt, dass ich den 3D-Platformer vom 21. Dezember bis zum 30. Dezember 2020 durchgespielt habe. Noch passender geht es wohl kaum.

Pumpkin Jack: „Stupid plot contrivancies… Fine I‘ll fetch the stupid mushrooms.”

In meiner langen Zeit als Journalistin habe ich tatsächlich mal zu Halloween an einem Spezial zum Kürbis gearbeitet. Unvorhergesehene Ereignisse sorgten dann dafür, dass mein Essay über die Panzerbeere niemals veröffentlicht wurde. Wahrscheinlich müsste ich zusätzlich noch einen Kurs im digitalen Dokumentetauchen belegen, um das illustre Stück wieder auszugraben. Warum ich das jetzt in einer Review über einen Protagonisten mit brennendem Kürbiskopf erzähle? Abgesehen von der sehr offensichtlichen Gemeinsamkeit des Kürbisseins ist mir genau ein Fakt im Kopf geblieben. Kürbisse halten sehr lange. Vorausgesetzt der Stiel ist noch immer unbeschadet an der Beere verankert und das Gesamtkunstwerk des natürlichen Schaffensvorgangs wurde korrekt gelagert. Und jetzt pass auf, Wahnsinnsüberleitung innerhalb der nächsten Zeilen: Sehr lange gehalten haben muss auch der Kürbislord Jack höchstpersönlich. Was meiner Vermutung nach natürlich nur an dem intakten Stiel auf dem Kopf liegen kann. Denn wohl temperiert scheint die Hölle nicht zu sein.  

Genau von dort wurde Jack nämlich entsandt, um den guten Zauberer entgegenzutreten. Dem Teufel ist es beim Ansehen von Boredom Kingdom tatsächlich etwas zu langweilig geworden, weswegen er das Land aus seinem Friede, Freude, Eierkuchen Status befreit und seine düsteren Schergen rauf auf die Oberfläche geschickt hat. Um Spaß zu verbreiten, so sagt er. Oder Vernichtung? So genau nehmen wir das hier nicht. Jedenfalls gefällt das dem guten Zauberer nicht so wirklich, weswegen er all seine Verbündeten zusammentrommelt, um die wildgewordenen, entlaufenen Monster wieder in die Hölle zu schicken. Damit der Spaß aber nicht aufhört, ist eben jener brennende Kürbiskopf Jack auf der Erde. Wer will bitte schon Langeweile? Und so geschah es, dass du dich in diesem 3D-Platformer auf die Seite der Bösen gesellst, die zunehmend zur Plage werden. Denn schnöde Monster kennen den Unterschied zwischen Boredom Kingdom Bewohner_innen und Pumpkin Jack nicht. Drum darf geschnetzelt werden, was vor die Panzerbeere kommt.

„Hooray, we killed Santa Claus! … OH NO, WE KILLED SANTA CLAUS!”

Pumpkin Jack lässt sich von der Grafik der PS2 inspirieren, bügelt dessen Kanten flach und zwängt alles in eine farbenfrohe, absurde und sehr asymmetrische Comicwelt. Im Christmas Update zusätzlich mit Geschenken und Schneepersonen. Verbunden mit dem skurrilen Humor und der stilvollen Musik von Yohan Jager hat sich bei mir schnell ein nostalgisch wärmendes Wohlgefühl eingestellt. Unweigerlich werden Erinnerungen wach, die mich vor dem Fernseher auf dem Boden hockend zeigen. Die Zunge im schmunzelnden Mundwinkel. Hier ist alles vorbereitet: eine wahnwitzige Story, verschrobene Charaktere und bekloppter Humor. Lange habe ich nicht mehr so viele Screenshots von Konversationen gemacht. Wenn du dann noch weißt, dass hier genau ein Mensch an diesem Projekt gearbeitet hat, fragst du dich, warum die damals so viele Leute brauchten. Und wenn du bis zum Abspann durchhältst, präsentiert dir Developer und Künstler Nicolas Meyssonnier stolz die Entwicklung seines Pumpkin Jack.

Doch was die Welt so schnell in mir auszulösen hatte, das konnte vor allem das Gameplay nicht halten. Schon zur gamescom Demo 2020 stellte sich ein leicht unpräzises Gefühl ein, mit der Vermutung, da würde sicher noch dran gearbeitet werden. Denn was ein Platformer benötigt, um dessen Protagonist_innen schadlos durch die Welt zu steuern, ist vor allem Präzision. Und genau diese wundervoll von Nicolas gestalteten Welten treiben mich gerade in den Parts des Levels, die akkurates Vorgehen benötigen, in den Wahnsinn. Vielleicht auch eine Ebene, die dich in den Zustand des zunehmend genervten Pumpkin Jack versetzt. Und das Spiel spielt (haha) zudem sehr offensichtlich mit deiner Unfähigkeit, zählt jeden Misserfolg als einen von Jacks Toden. Und am Ende stehen bei mir auch – zumindest wenn ich mich recht erinnere – über 100 zu Buche. Nur, vermutlich über Zweidrittel davon sind nicht einmal meine Schuld.

Pumpkin Jack: „You are a sick sadistic maniac. If we’d met when I was alive, you might’ve been my best friend.”

Der Kürbislord bewegt sich nicht äußerst filigran, wie es für einen Plattformkünstler möglicherweise angenehm wäre. Jack ist eher einer von der groben Sorte. Das mag zum Spielkonzept passen, hilft aber beim vorwiegenden Hüpfen auf Holzkisten nur bedingt weiter. Immer wieder reagiert der Kürbiskopf viel zu hektisch, Flugbahnen lassen sich nicht einschätzen, Phasen des Balancierens mutieren zum Todesrun. Der Herr kann einfach nicht ruhig und präzise. Schwammig und Vollgas sind seine Devise. So werden die oft verteilten Hüpf und Rennparts zur Tortur. Und genau das ist das eigentlich tragische an Pumpkin Jack. Platformer tragen dich durch ihre Spielwelt weil sie dich mit immer neuen Aufgaben im Bekannten konfrontieren. Fähigkeiten zusammen erlernen und im weiteren Verlauf auf immer neue Herausforderungen anwenden. Im besten Fall weißt du was du falsch gemacht hast, kannst es abstellen. In Pumpkin Jack ist das leider niemals möglich. Denn das Unpräzise lebt vor allem von einem: Dem Zufall.

Aber genau das ist so unglaublich schade. Eigentlich hatte ich eine gute Zeit mit Jack. Das Leveldesign ist super schön, clever und abwechslungsreich. Neben den Hüpfparts gibt es Rätselpassagen, in denen nur Jacks Kopf gesteuert wird. Zwischen Kämpfen gibt es immer wieder Achterbahnfahrten, Rennen, Bootsfahrten und Torwandschießen gegen den Weihnachtsmann. Da ist er wieder, der Winterzusammenhang. Doch all das hilft nichts, wenn du nicht nur in den Welten, sondern auch bei den Bosskämpfen niemals auf dein Können vertrauen kannst. Immer von etwaigem Glück abhängig bist, doch noch gerade eben so die nächste Plattform zu erreichen oder dem Gegenschlag des Bosses ausgewichen zu sein. Wenn du all das aber weißt und genau mit diesem Wissen reingehst, mit der laxsen „gucken wa ma!“ Höllenattitüde, dann kann dir Pumpkin Jack, gerade im blinkenden Weihnachtsmann Mantel, doch noch eine gute Zeit bescheren. Aber sei dir sicher, du wirst dich aufregen. Sehr oft sogar.  

6/10 🎃

Developer: Nicolas Meyssonier
Publisher: Headup Games
Genre: 3D-Platformer
Musik: Yohan Jager
Veröffentlichung: 23. Oktober 2020 (Steam, Epic Games Store, GOG, Xbox One, Switch), Christmas Update: 17. Dezember 2020 (Steam, Epic Games Store, GOG, Xbox One, Switch) (Ist im Spiel mit Ablauf der Weihnachtszeit leider nicht mehr erhältlich. 🙁 )

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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