Ocean’s Heart Review | Ein Spiel aus dem Zelda-Baukasten

Ocean’s Heart schickt euch auf ein Abenteuer voller Kämpfe gegen Monster und Piraten, alles gebastelt mit dem Solarus-Tool.

Solarus ist ein Tool, mit dem ihr eigenständig Action-RPG’s programmieren könnt, die sehr an die klassischen Zelda-Titel angelehnt sind. Topdown-Perspektive, Dungeons, Items und Upgrades für vielseitigere Möglichkeiten. Alles mit Hilfe vieler vorgegebener Assets und Programmierhilfen in Solarus erstellbar. Max Mraz hat dieses Tool genutzt, um mit dem Publisher Nordcurrent eines der Vorzeigeprojekte dieses Tools zu entwickeln. Nachdem Mraz bereits den From Software-Kracher Bloodborne in ein pixeliges Action-RPG namens Yarntown verwandelte und einiges an Aufmerksamkeit bekam, ist Ocean’s Heart nun sein erstes eigenständiges Projekt. Dabei finden sich trotzdem noch die klassischen Elemente aus Nintendos Spielereihe wieder: Die Herzcontainer nach großen Kämpfen, die euch mehr Lebensenergie geben, der Aufbau der Dungeons voller Rätsel und die Vielzahl an neuen Gegenständen, um diese Rätsel zu lösen. Der sympathische Look des Spiels hat mein Interesse auch direkt geweckt. Ich wollte schließlich wissen, wie gut ein Programmiertool dieses nostalgische Gefühl meiner ersten Videospielerfahrungen einfangen kann.

Du kommst mir irgendwie bekannt vor, hab’ ich dich schon mal bedroht?

Tilia führt ein behütetes Leben auf einem kleinen Inselarchipel. Die Sonne scheint, ihr Vater schickt sie immer mal wieder auf kleinere Botengänge, damit Tilia im Haushalt helfen kann. Doch so idyllisch ist es in dieser Gegend nicht immer, wenn ständig Piraten auf dem Meer unterwegs sind. Ein lautes Krachen, Explosionen und Feuer brechen plötzlich über das Dörfchen herein. Tilias Vater sieht keine andere Möglichkeit, als diese Rechnung mit den Piraten zu begleichen. Er verabschiedet sich von seiner Familie mit der Aussage, nicht länger als eine Woche unterwegs zu sein, um die Seeräuber zu verfolgen. Aber wir alle haben schon genügend Bücher gelesen und Filme gesehen, um zu wissen, dass auf solch eine Aussage meist ein Zeitsprung folgt, der die angepeilte Woche bei weitem übersteigt. Also macht Tilia sich nach langer Zeit selbst auf den Weg, um ihren Vater zu suchen und herauszufinden, was mit ihm und den Piraten geschehen ist.

Tilias Weg führt durch mehrere kleine Dörfer, finstere Ruinen und monsterverseuchte Gebiete, immer auf der Suche nach neuen Informationen. Dialoge mit anderen Menschen geben ihr entweder Hinweise, wo sie mehr über den Verbleib ihres Vaters herausfindet oder schicken sie in eine Nebenquest, an deren Ende Geld, Rohstoffe oder andere Gegenstände warten. Da Tilia keine Piratin ist, kann sie schließlich nicht einfach Reichtümer plündern, sondern muss sich ehrlich um die Moneten für eine stärkere Rüstung oder die Verbesserung ihres Schwertes kümmern. Es lohnt sich in jedem Fall, das Gespräch mit allen Einwohner_innen der Inseln zu suchen, da neben den Hinweisen oft auch charmant geschriebene Dialoge auftauchen und der Welt mehr Substanz geben. So sagt eine Quest, in der ein korrupter Händler die Stadtwache kontrolliert und die Handelsrouten zu einem anderen Dorf abschneidet, durch die Dialoge weitaus mehr über die Welt in Ocean’s Heart, als es eine einfache Infobox tun könnte.

Ocean’s Heart – klar soweit?

Die Geschichte klingt doch, als könnten wir uns in ein großes Abenteuer stürzen, oder? Neue Inseln erkunden, Monster bekämpfen, Menschen helfen und Schätze finden sind allesamt gute Zutaten für eine spannende Reise. Doch leider konnte Max Mraz technisch nicht umsetzen, was erzählerisch versprochen wird. Ocean’s Heart zeigt sehr deutlich, was an alten Zeldatiteln so herausragend war, weil diese Kleinigkeiten hier nicht funktionieren. So ist es üblich, in der Umwelt Büsche mit dem Schwert abzusäbeln oder Töpfe durch die Gegend zu werfen, um den Inhalt zu stibitzen. Hier muss Tilia jedoch genau vor diesen Büschen oder Töpfen platziert werden, damit ihre Aktion funktioniert. Ansonsten schlägt sie mit dem Schwert zwar auf den Topf oder den Büschel, aber nichts passiert. Begleitet wird das Problem von einer eh schon schwammigen Steuerung, wegen der ich immer wieder ins Wasser geplumpst bin. Was das Problem daran ist? Nun, Tilia kann nicht schwimmen.

Sterbe ich nicht durch unglückliche Stürze, reicht oft eine einzige Berührung mit einem Monster, da Tilia nicht lange genug unverwundbar nach einem Treffer bleibt. Sie steckt also in Sekunden so viele Treffer ein, dass ruckzuck alle Herzen aufgebraucht sind. So viele Beeren, Äpfel und Brote zur Heilung kann sie gar nicht futtern. Wenn ich all das überstehe, lande ich plötzlich in Situationen, die mich das Spiel neu starten lassen, weil ich in einen Gegenstand oder einen NPC geglitched bin und nicht mehr weiterlaufen kann. Oder ich möchte einen Dungeon kurz verlassen, die Schalterrätsel lassen sich aber nicht mehr bedienen und sperren mich in einem Raum ein. Ocean’s Heart benötigt eine Generalüberholung, um alle Problemchen glattzubügeln, durch die das Spiel einfach nur zu einer nervigen Tortur wird. Vor allem, wenn die Hinweise zum weiteren Fortschritt so schwammig sind, dass ich ziellos durch die Welt wandere und ständig auf diese Macken stoße.

Nicht jeder Schatz besteht aus Silber und Gold musst du wissen.

Ich möchte Ocean’s Heart jetzt aber nicht als totalen Reinfall darstellen. Was mich trotz allem begeistert, ist die Tatsache, dass es augenscheinlich ein Tool gibt, mit dem ein altbewährtes Genre zugänglich für eine Vielzahl kreativer Köpfe gemacht wird. Die ersten Titel, welche in der RPG-MakerCommunity veröffentlicht wurden, hatten auch ihre Probleme. Wenn eine solche Engine den Weg in die Öffentlichkeit findet, haben die ersten großen Projekte einfach einige Macken, die in späteren Erzeugnissen nicht mehr vorkommen, da der Umgang mit dem Programm geübter geworden ist. Und so sehe ich Ocean’s Heart als charmanten Start für eine Community, die hoffentlich mit der Zeit immer bessere Spiele aus Solarus zaubern kann. Auch Max Mraz wird mit Sicherheit aus den Erfahrungen seines ersten großen Spiels lernen und manche Fehler in Zukunft nicht mehr machen. Darum bin ich trotz aller Schwierigkeiten tatsächlich froh, diese ersten Gehversuche einer neuen Engine miterlebt zu haben.

5/10 🏴‍☠️

Developer: Max Mraz
Publisher: Nordcurrent
Genre: Action-RPG
Musik: Max Mraz
Veröffentlichung: 21. Januar 2021 (Steam)

Redakteur | + posts

Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

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