Unfrozen bieten euch mit Iratus: Lord of the Dead die Möglichkeit über unzählige untote Truppen zu herrschen.
Immer wieder gibt es Diskussionen über den Schwierigkeitsgrad von Videospielen. Wie flexibel sollte er sein? Muss jedes Spiel zugänglich für alle gemacht werden? Braucht es immer einen einstiegsfreundlichen Schwierigkeitsgrad? Ist es okay, wenn Spiele einem das Leben schwer machen wollen? – Ich könnte ewig weitere Fragen stellen. Nur was bringt mir das?
Ich sehe das sehr pragmatisch. Es ist schön, wenn ein Spiel mir die Option bietet, entspannt die Geschichte zu erleben, wenn mir das Gameplay nicht passt. Wenn das Team hinter dem Spiel aber mit ihrem Werk die pure Verzweiflung aus einem Menschen kitzeln will, erlaubt die künstlerische Freiheit auch genau das und nichts anderes zu tun. Das kann ich doof finden, mich darüber aufregen und das Spiel verfluchen. Aber ich muss die allgemeine Entscheidung dahinter respektieren und vielleicht einsehen, dass dieses Spiel nichts für mich ist. So wird es auch vielen Menschen bei Iratus: Lord of the Dead gehen!
Ist es zu hart, bist du zu schwach!
Ich persönlich besitze immer eine gewisse Motivation mich durch knifflige Herausforderungen durchzubeißen. Wenn ich eine Stelle in einem Videospiel nicht packe, schaue ich grimmig auf den Bildschirm und denke: „Dir zeig ich es noch! Nächstes Mal wische ich den Boden mit dir!“ und versuche es erneut. Das endet meist in drei möglichen Ausgängen. Entweder scheitere ich immer weiter, bis ich am Boden zerstört bin; ich rege mich so sehr auf, dass ich mein Gamepad durch das Zimmer fliegen lasse (Ja, Siegfried in Pokémon Stadium, ich rede von dir und deinen nervigen Drachen!) oder ich packe die Stelle und werde von Erleichterung und Glücksgefühlen überschwemmt. Und so niederschmetternd die ersten beiden Alternativen sind, umso belohnender fühlen sich diese Siege an. Iratus hat das auch geschafft. Während ich regelmäßig vor Wut schnaubend fester die Maustasten geklickt habe, als ob es was bringen würde, standen dem gegenüber triumphale Schlachten, die ich gemeistert habe.
Scheitern gehört hier zum Spielkonzept, so funktionieren Rougelikes. Denn mit jeder Niederlage verbessern sich die Startbedingungen für den nächsten Durchlauf ein bisschen. Erfahrungspunkte verbessern meine Fertigkeiten und Handlungsalternativen, die ich im nächsten Versuch dann schon zu Beginn nutzen kann. In Iratus: Lord of the Dead kann ich dadurch stärkere Zauber wirken oder bessere Truppen erschaffen. Ich spiele hier einen Nekromanten, der Geister, Zombies und andere Kreaturen in die Schlacht gegen die Menschheit schickt. In rundenbasierten Kämpfen nutzt meine Truppe aus vier Kreaturen Angriffe, Statusveränderungen und die Positionierung im Kampf, um der Masse an Gegnern Herr zu werden. Je besser ich die Statistiken und Fähigkeiten meiner Kreaturen überblicke, desto besser kann ich meine Taktik anpassen und erfolgreich agieren. So sollte ich meinen Schrecken verbreitenden Geist besser hinten platzieren, wohingegen mein Skelett mit seinem Schwert vorne die besten Kampfperspektiven hat. Mit jedem Sieg erhalte ich dann Erfahrungspunkte und Rohstoffe für neue Kreaturen.
Entschuldigung, aber kennen wir uns nicht?
Während ich also meine Truppen erstelle, Gegner beseitige und immer wieder verliere, keimt in mir ein Gedanke. Irgendwoher kenne ich das doch? Dabei ist es offensichtlich, sobald der erste Kampf beginnt. Iratus: Lord of the Dead zieht enorm viel Inspiration aus Darkest Dungeon der Red Hook Studios. Die Unterschiede wirken erst marginal. Im Gegensatz zur Inspirationsquelle sind die Karten hier beispielsweise deutlich größer. Das Artdesign wirkt etwas generischer. Die Erklärung der Mechaniken scheinen unübersichtlicher und weniger zugänglich. Alles in allem fühlt sich Iratus: Lord of the Dead daher einen Tick härter an.
So muss ich mich zum Beispiel, wenn ich meine Gruft ausbauen will, für jeden Ausbau von einer meiner Kreaturen verabschieden, was sich als Nachteil in den Kämpfen zeigt. Das plagt besonders dann, wenn ich diese Kreatur vielleicht besonders gut verstärkt habe oder sie perfekt in meine Taktik passt. Da hilft es nicht, sie einfach neu zu erschaffen.
Wenn ich doch endlich mal die Taktik einer Figur durchschaut, die Angaben und Informationen krampfhaft durchgearbeitet und verstanden habe und sie dann von einem fiesen Gegner abgeschlachtet wird, tut es tatsächlich weh.
Gerade zu Beginn dachte ich daher oft, wie unfassbar unfair Iratus: Lord of the Dead doch ist. Das lag vor allem daran, dass ich hier viel länger gebraucht habe, überhaupt zu verstehen, was ich tun muss. Ein hoher Schwierigkeitsgrad ist gerade dann verkraftbar, wenn ich sehe, wo mein Fehler liegt und merke, dass ich einfach besser werden muss. Habe ich keine Ahnung, wieso etwas nicht funktioniert, fühle ich mich gefrustet statt trotzig und lasse das Spiel liegen. Hier blieb ich nur am Ball, weil ich wusste, dass ich etwas übersehe. Ich wusste dank meiner Vorerfahrungen, dass hier etwas zu durchblicken ist. Also nahm ich mir die Zeit, studierte jedes Interface, jeden Text und wurde dafür doch noch belohnt.
Iratus: Lord of the Dead oder Darkest Dungeon?
Normalerweise verzichte ich darauf, Spiele zu sehr in einen Vergleich zueinander zu setzen. Die Werke sollen für sich stehen und überzeugen können. Wenn Unfrozen allerdings so viele Mechaniken und Designentscheidungen in ihrem ersten eigens entwickelten Spiel übernimmt, komme ich doch nicht ganz drum herum. Hätte ich Darkest Dungeon nicht vorher gespielt, hätte ich Iratus: Lord of the Dead wahrscheinlich viel früher liegen lassen wollen. So wusste ich jedoch, dass hier genau das zu finden ist, was mir zusagt. Ich wollte mich durchbeißen, weil ich wusste, wie gut sich dieses Erfolgserlebnis anfühlen kann. Darkest Dungeon gibt diese ersten Häppchen an Motivation gerade anfangs schneller heraus. Das hat mich damals am Ball gehalten und mich vorbereitet, die spätere Zerstörung meiner Truppe zu verkraften. Dieses Gefühl fehlte mir hier. Die Geschichte rund um meinen Nekromanten war etwas zu kryptisch, die interessanten Elemente nicht wirklich greifbar. Ich fühlte mich zu Beginn fast schon verloren.
Auch später fand ich die einzelnen Spielabschnitte zu groß und manche Optionen habe ich wahrscheinlich noch immer nicht durchblickt. Und trotzdem wagte ich mich an immer knackigere Schwierigkeitsgrade, weil die Spielmechanik und das düstere Setting an sich erneut seine Sogwirkung auf mich ausüben konnte.
Den Kampf mache ich noch. Die Fähigkeit schalte ich noch frei. Das Monster probiere ich noch in meiner Truppe. Iratus: Lord of the Dead funktioniert fast ausschließlich über sein tiefgehendes, komplexes und knüppelhartes Gameplay. Ich wollte eine Herausforderung und habe sie bekommen. Ich bin noch weit davon entfernt, sie gänzlich zu meistern. Aber ich bin motiviert, das irgendwann zu schaffen. Vor allem jedoch, weil ich diese Erfahrung schon gemacht habe und einschätzen kann, welche Hürden ich noch überwinden muss. Andernfalls wäre ich wahrscheinlich bereits kurz nach Spielbeginn ein gebrochenes Häufchen Elend unter der Arbeitsplatte meines Schreibtisches gewesen.
Wertung 8/10 😈
Developer: Unfrozen
Publisher: Daedalic Entertainment
Genre: Rougelike-RPG
Team: Denis Fedorov (Producer), Slava Vasilenko (Project Manager), Alexander Khuramshin (Art Director), Ilya Frolov (Lead Programmer), Petr Belozerov (Animator), Leonid Parmenov (Game Designer), Alexander Gonchar (Lead Writer), Alexander Dmitriev (Sound Design)
Musik: Rouslan Kalinnikov
Veröffentlichung: 23. April 2020 (Steam), seit 24. Juli 2019 im Early Access fertiggestellt
Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.