Mit Ritter Blechdose veröffentlichen Winterworks ein interaktives Bilderbuch für Kinder auf der Switch. Mit viel Liebe zum Detail.
Jörg Winterstein ist mit seiner Spieleschmiede Winterworks schon ein paar Jahre im Geschäft und möglicherweise am ehesten durch Bloo Kid bekannt, ein Jump and Run, welches dem Amiga entsprungen sein könnte zu Zeiten von Rick Dangerous oder Commander Keen. Ritter Blechdose ist eine freundliche und ansprechend gestaltete App für Kinder mit reiner Touch-Steuerung, welche er nun auf die Nintendo Switch portiert hat.
Was macht so ein Ritter Blechdose den ganzen Tag?
Eigentlich hat Ritter Blechdose weder eine solche an, noch ist er ein Blechmann wie aus dem Zauberer von Oz. Aber der Name ist knuffig, genau wie der Rest des Spiels, und daher passend gewählt. Die Levelkarte führt vom Schlosseingang durch den Innenhof bis zur anderen Seite der Burg. Unser Ritter ist hier heimisch, daher hat er von Anfang an Zugang zu allen Level. Diese kommen ohne Punkte, Verluste oder Zeitlimits aus.
In klassischer Bilderbuchmanier animieren die gut erkennbaren Elemente der Szenerie die kleinen Spieler_innen zum Interagieren. Mein Sohn (16 Monate) steht zum Beispiel auf Bücher mit Knöpfen, die Musik oder Töne auslösen oder solche, deren Seiten unterschiedliche Materialien vereinen, um unterschiedliche Oberflächen fühlbar zu machen. Interaktivität und das händische Erkunden ist gefragt. Haptik gibt es auf der Switch bzw. auf dem Smartphone nur durch Fingerstreichbewegung, aber manchmal vibriert etwas und das auditive Feedback ist ebenfalls spannend gestaltet.
Mäuse fangen, Rüstung anziehen und Pferd striegeln – so ein Ritterleben scheint ganz entspannt zu sein
Unser Ritter Blechdose erlebt einen typischen Tag im Königreich. In einer Szene muss das Pferd gesäubert, gefüttert und der Stall gemacht werden. Ein anderes Mal fängt der Tag gerade erst an und der Ritter will vernünftig angezogen werden. Oder er möchte der Prinzessin mit einer Harfe die Minne singen. Turm reparieren, Mäuse fangen oder Mittagessen verteilen – alles funktioniert per Drag and Drop, also einen Gegenstand zur Lösung des Puzzles antippen, zum Zielort ziehen und loslassen.
Das ist nicht tiefgründig, muss es aber auch nicht sein. Mein Sohn war begeistert von der Levelkarte und hat diese von links nach rechts gezogen. Im Pferdelevel hat er nur zugeschaut, wie ich die Äpfel in den Eimer geschippt und dem Gaul das Fell gebürstet habe. Beim Anziehen hat er dem Ritter immerhin den Harnisch übergezogen. Das reichte dann aber auch an Garderobe für den Tag. Dann war wieder etwas anderes spannend.
Ich bin mit meinem Sohn also eher (noch) nicht die Zielgruppe, aber hey, Ritter sind cool. Irgendwann sieht meiner das womöglich auch so und dann packe ich die Switch sicherlich noch mal aus, womöglich mit 3 Jahren.
Und ich hatte auch 20 Minuten Spaß mit dem Spiel, in denen ich die Puzzles natürlich schnell durchschaute – aber das ist auch okay. Ritter Blechdose ist schließlich für Kinder und dafür macht die App alles richtig. Ermutigende Soundeffekte, klare nicht überladene Grafik, die nach aus Pappe ausgeschnittenen Hampelmännern aussieht und nette friedliche Szenerien.
Ja, klar, einmal kloppt Ritter Blechdose sich mit einem anderen Krieger. Das sieht aber eher nach Training aus und ist weit weg von Gewalt. Kleine Spielereien, wie Detailgegenstände im Hintergrund anzutippen, die kleine Animationen auslösen, ließen mich ein paar Mal wohlig schmunzeln.
Familienkonsole Switch? – mit Apps wie Ritter Blechdose auf jeden Fall
Die Switch dürfte als Familienkonsole gerne mehr kinderfreundliche Apps hervorbringen. Ich versuche meinem Sohn zwar noch so gut wie gar keine Bildschirme vor die Nase zu halten und ihn eher mit Büchern, Bauklötzen und Toben zu unterhalten, aber seien wir mal ehrlich: Ganz wegbleiben nützt ja auch nichts. Früher oder später kommt er mit Medien in Kontakt und wenn dem so ist, möchte ich, dass er eher Ritter Blechdose spielt, als wahllos sinnlosen Mist auf Youtube schaut oder Apps ohne kognitive und motorische Herausforderung konsumiert.
Was leider etwas zu wünschen übrig lässt, ist Diversität der Charaktere. Klar, bei einem Mittelaltersetting liegen die Stereotypen nahe, aber es gibt ein paar Klischees, die nicht hätten sein müssen. Zum Beispiel muss in einem Level das richtige Essen der richtigen Person zugewiesen werden. Ritter Blechdose kriegt einen Hühnerschenkel, der namenlose aber weitaus fülligere Ritter zu Blechdose’s Linken direkt das ganze Hähnchen und die Prinzessin ganz rechts… einen Teller mit Obst.
Das muss ich meinem Kind nicht vermitteln. Prinzessinnen können sich doch auch nen halben Hahn reinziehen und vielleicht täte es dem anderen Ritter mal gut, nur Trauben zu futtern.
Immerhin muss die Prinzessin nicht gerettet, aber natürlich minnebesungen werden. Solche Kleinigkeiten hätten etwas weniger angestaubt gestaltet werden können. Auch wäre doch eine Charakterwahl mit einer Ritterin Blechdose zu Anfang des Spiels wünschenswert gewesen. So scheint das Spiel eher nur auf Jungs abzuzielen. Das nur mal so als Anregungen für Ritter Blechdose 2. Es wird Zeit, dass auch und besonders in digitalen Medien Diversität beachtet und Klischees abgelegt werden.
Kindgerechter Einstieg in den Umgang mit digitalen Medien
Von Winterworks gibt es übrigens noch eine klassische Puzzle-App, in der Tier-, Farm- und Autoszenen mit mal mehr, mal weniger Puzzleteilen zusammenzusetzen sind. Für die Kleinen sicherlich auch ein Spaß. Winterworks ist wahrlich Indie und macht fast alles selbst, bis auf die grafische Komponente für die Winterstein sich von Jan Rathje und Peer Dräger Unterstützung geholt hat.
Ritter Blechdose ist für die jungen Wilden, die auch mal an die Switch dürfen/wollen empfehlenswert. Eine Wertung gibt es in dem Sinne nicht, da ich die Entwickler über zwei Ecken kenne und daher voreingenommen bin etwas Positives zu schreiben. Aber meine Worte sind aufrichtig, ebenso wie die Reaktionen meines Sohnes. Für knappe vier Euro könnt ihr da nicht viel falsch machen.
https://www.youtube.com/watch?v=q11P3Y6pQxE
Developer/Publisher: Winterworks
Genre: Interaktives Bilderbuch
Team: Jörg Winterstein (Concept, Idee, Sound und Musik), Jan Rathje, Peer Dräger (Grafik)
Veröffentlichung: 2017 (iOS, Android), 3. April 2020 (Switch)