In Moving Out packen wir dein Leben in unseren Truck… Keine Angst: Wir sind versichert!
Herzlichen Glückwunsch! Ich arbeite jetzt bei Smooth Moves, den Furniture Removalists. Im jobvorbereitenden Training lerne ich zerbrechliche Kisten nicht zu werfen, anderes Umzugsgut durchaus zu werfen und Ohrfeigen zu verteilen (dazu später). Nach Abschluss darf ich mich stolz Furniture Arrangement & Relocation Technician – kurz F.A.R.T. – nennen. Ein ehrenvoller Titel. Am besten arbeitet es sich im Umzugsgewerbe mindestens zu zweit, idealerweise zu viert. Also ab in den Truck und losgezogen.
In Packmore wird viel umgezogen. Laufen, greifen, springen, Umzugskisten und Möbel in den Truck zerren, gemeinsam tragen oder werfen. Darum geht es in Moving Out.
Der Boss guckt auf die Uhr. Klirr! Fernseher kaputt? Macht nichts – Smooth Moves ist schließlich versichert, mein Glück. Außer Zerbrechliches, das muss ich heile in die Karre schaffen. Außerdem ist so ein Wagen ja nicht unendlich groß – geschickt packen also. Und die Retrokonsolen nicht vergessen – die stehen gar nicht auf meiner Checkliste.
Unser pappkartonköpfiger Boss gibt mir Trinkgeld in Form von Münzen, wenn ich Sonderaufgaben erledige, die erst nach dem Umzug auf dem Abschlussbericht stehen. Also entweder erledige ich das instinktiv oder… äh, ziehe einfach noch mal um und mache es besser. Die Münzen können in der Arcade eingesetzt werden, dort wo ich virtuelles Umziehen spielen kann. Ganz schön schwierig. Das spare ich mir. Unser täglicher Job ist spaßig genug.
Moving Out ist Mehrspieler-Gold. Eine Offenbarung in der aktuellen Zeit.
Und knuffig ist die Stadt, in der das Umzugsspiel Moving Out spielt, auch. Packmore ist so bunt wie Nickelodeon. Es scheint genau wie das SMG Studio der Entwickler_innen in Australien zu liegen (es gibt viele Schafe im Spiel!). Außerdem atmet es die 1990er: Es gibt eine Videothek (wer kennt sie noch?) und die Möbel, die eingepackt werden sollen, sehen fast alle aus wie aus Kevin Allein Zu Haus und Ferris Macht Blau.
Eingangs wähle ich einen Umzugspacki aus – meine Wahl war die Katze mit Schleife um den Hals und Ananas auf dem Kopf. Das darf individuell geändert werden. Eingangs stehen noch Blumenpottkopp, Chamäleon und ein Fuchs zur Verfügung. Später werden neue Umzugshelfer_innen freigeschaltet – wie das Einhorn Däzzlehoof zum Beispiel.
Die Wortspiele in Moving Out sind eine wahre Wonne. Nicht nur ist alles herrlich dusselig benannt, die Dialoge der F.A.R.T.s vor und nach einem Level sind grandios naiv und vorzüglich treudoof. „Heute ist mein Geburtstag“, „Du musst an deinem Geburtstag arbeiten?“, „Ich darf Möbel tragen. Das ist doch das größte Geschenk von allen!“. Wir lieben unseren Job bei Smooth Moves.
Umzugshelfer: Spanend aber schnell eintönig?
Moving Out bietet mir leichte Taktik, Slapstickhumor durch die Spielphysik der Möbelstücke, das Gefühl sich tatsächlich mit den Mitspieler_innen austauschen zu müssen, wie es bei einem realen Umzug auch der Fall wäre, motivierende Musik und schöne Grafik. Der alberne Charakter der Figuren und die Hintergrundgeschichte passt zum ungewöhnlichen Gedanken, dass ein Spiel zum Thema Umzug Spaß machen könnte. Die Naivität der Spielcharaktere ist charmant und witzig. Lediglich das Leveldesign hätte von den Herausforderungen her spannender gestaltet werden können. Die ersten 15 Level haben unterschiedliche Umgebungen, bieten spielerisch aber kaum Abwechslung: Zu Beginn fährt eine Kamera langsam im Kreis über das Level, welches im isometrischen Blickwinkel gespielt wird. Das hilft durchaus dabei sich vorab grob zu orientieren.
Dann geht’s los, erst die großen Möbel in den Truck, dann die kleineren und am Ende die Kisten oben drauf.
Der Wille zur Abwechslung ist eigentlich da: Es geht von Privathaushalten, über die Hühnerfarm, einen Bürokomplex bis zur Villa des Profimusikers. Dort blitzen goldene Schallplatten und Trophäen auf, Instrumente stehen herum. Das Bett sieht aus wie eine Kassette, cool, und ein Keyboard darf auch mit. Aber die Couches, der Kühlschrank, der Küchentisch und die Sessel sind genau dieselben wie in den anderen Leveln auch. Immerhin gibt es auf der Farm hauptsächlich Heuballen und Hühner und im Büro Drucker und Wasserspender zu schleppen. Letztere mit Goldfisch im Tank.
Moving Out integriert Grusellevel, in denen Geister durch ein verlassenes Gebäude oder ein Anwesen huschen. Die muss ich ohrfeigen, um sie kurz außer Gefecht zu setzen. Wären die Geister durch eine Mechanik, die das Spiel ausmacht, zu erledigen, würde sich das insgesamt spielerisch besser in das Spielerlebnis einfügen. Klar, ich kann meinem Coop-Umzugsheinzel eine kleben, das bringt aber niemandem etwas außer einen einmaligen Lacher. So vergesse ich die Klatsch-Taste danach schnell wieder.
MÜV ’N‘ GRÜV – We like to move it move it!
Während der Boss im Urlaub ist, kriegen wir mysteriöse Anrufe für zweifelhafte Jobs unter der Hand. Hier müssen Möbel und Kisten aus alten Warenhäusern auf Fließbänder verladen werden – ohne sie im Truck platzieren zu müssen. Eine Herausforderung des Spiels fällt hier also weg. Dafür gibt es andere Fallen und Hindernisse, wie in den Labor- und Weltraumleveln gegen Ende, welche aber das Möbelpacken unnötig schwer machen, statt es taktisch anspruchsvoller zu gestalten.
Ich hätte es interessanter gefunden der Videothek beim Umzug zu helfen und Filmkisten nach Genre zu sortieren oder einer WG, die sich auflöst, unter die Arme zu greifen und die Klamotten jede_r Mitbewohner_in in den passenden von drei gekennzeichneten Umzugswagen unterzubringen. Einfach mal die Herangehensweise auflockern. Es gibt Gimmicks wie Schalter, die Türen öffnen oder Ventilatoren bewegen, die bringen mich aber nur kurz zum Grübeln und stellen keine Abwechslung oder Herausforderung dar.
Das Beste an Moving Out ist eindeutig der Soundtrack. Dieser löst in mir Footloose-, Top Gun- und ganz viele „Straight Up“-Vibes von Paula Abdul aus. Das ist so 90er wie seit den 90ern nichts mehr! Ich sehe förmlich die sechseckigen Drums und Keytars vor meinem inneren Auge, obwohl ich nur Umzugskisten erkenne. Und schwarzweiße Videos von in Ballonhosen tanzenden Menschen mit Turmfrisuren. Erinnerungswürdig, mit gutgelauntem, gerade richtig dosierten und antreibendem Dudelgrad. So muss die Musik klingen, zu der ich Möbel schleppen will. Die Soundeffekte erledigen ihren Dienst, packen aber keine Preise in den Truck.
Smoothe Moves – You have nothing to lose, except all your stuff!
Ich bin für jede Coop-Erfahrung mehr dankbar. Gerade seitdem das nicht von der Hand zu weisende Vorbild Overcooked die Standards so hoch gesetzt hat. Darin wird gemeinsam gekocht – schnippeln, garen, anrichten, raus damit. Wie in Moving Out ebenfalls auf Zeit, mit freischaltbaren Köch_innen und cleveren Levelaufbauten, die das Erlebnis spannend halten. Aber Overcooked bietet mehr Abwechslung innerhalb des simplen Spielsystems mit neuen Rezepten, der Tatsache Spülen zu müssen, jahreszeitlicher Küche und weiteren innovativen Einfällen. Vom Detailgrad des Umfanges her hätten sich die australischen Entwickler_innen gerne auch von Overcooked inspirieren lassen dürfen. Mit mehreren Spieler_innen macht Moving Out trotzdem eine Menge Laune. Mehr sogar, als den Freund_innen in der Wirklichkeit beim Umzug zu helfen (obwohl ich das tatsächlich gerne mache – aber bitte keine Anfragen per Mail).
Auch wenn ich als großer Overcooked-Fan quasi einen geistigen Nachfolger erwartet habe und enttäuscht wurde, hat Moving Out andere Qualitäten, die mich am Packen halten. Und auch wenn ich ein wenig am Leveldesign zu meckern hatte, werde ich das Coop-Umzugschaos von SMG Studio, DevM Games und Team17 definitiv mal wieder mit drei Freund_innen auf der heimischen Couch gemeinsam spielen. Wenn wir uns wieder besuchen gehen dürfen – und das kann ich kaum abwarten: das Besuchengehen aber auch Moving Out zu viert zu spielen. Und immer dran denken: Hebt mit dem Rücken. Sagt jedenfalls der Boss.
7/10 📦
Developer: SMG Studio, DevM Games
Publisher: Team17
Genre: Coop-Umzugschaos
Musik: Lenny Mac, Greg Evigan, Rick Bell
Veröffentlichung: 28. April 2020 (Steam, PS4, Xbox One, Switch)