Ultra Age Review | Wieso schnetzel ich nochmal?

Mit großem Schwert und kleinem Roboter kämpft ihr euch in Ultra Age durch Bosse und Gegnerhorden.

Gutes Storytelling kann motivieren. Es baut Spannung auf, weckt Neugierde und fördert eine emotionale Bindung zu den Charakteren. Es kann Informationen vermitteln und Raum geben, in eine völlig neue Welt einzutauchen. Mit gutem Storytelling bekomme ich gerade genügend Informationen zur richtigen Zeit, um mehr herausfinden zu wollen und bin überrascht über neue Erkenntnisse oder plötzliche Wendungen. Das Erzählen einer guten Geschichte ermöglicht, dass ich sie fest in mein Herz und meine Erinnerung schließe. Demnach kann gutes Storytelling auch dafür sorgen, dass ich ein Videospiel beenden möchte, um alle Elemente dieser digitalen Welt zu erkunden und herauszufinden. Ultra Age macht all das nicht und trotzdem habe ich es immer wieder in die Hand genommen und weitergespielt. Als die Credits liefen, hatte ich keine Ahnung, was da gerade eigentlich passiert ist. Aber keine Sorge, ich wäre ja kein Redakteur für Indie Games, wenn ich das nicht flott nachschauen könnte.

Die Steam-Beschreibung sagt übersetzt:

„In der fernen Zukunft sind die Ressourcen der Erde unzureichend. […] Die Menschheit hat sich in zwei Hälften geteilt: Diejenigen, die die Erde verließen und in einer Weltraumkolonie namens Orbital Arc leben und die, die auf der Erde blieben und eine Einrichtung namens Shelter besiedeln.“ Das war mir bis gerade nicht bewusst. Jetzt verstehe ich, wieso immer mal wieder irgendwelche Leute vom Orbit gefaselt haben und ich ein Raumschiff gesucht habe. Aber ich lese mal weiter: „Als die Menschen des Shelters alle Versorgungen in den Orbit beendeten, beginnt die Menschheit ein mutiges Experiment als letzte Hoffnung für ihr Fortbestehen.“ – Hä? Wieso wurden die Versorgungen denn abgeschnitten? Gab es nichts mehr oder wollten die Leute im Shelter mehr für sich? Ich bin verwirrt. Wurde mir das im Spiel ernsthaft erklärt? Ich bin mir sicher, dass ich jede Cutscene gesehen und jeden Dialog gelesen habe, aber das ist mir alles neu.

„Ein junger Schwertkämpfer namens Age fällt vom Orbit auf die Erde, um dort mit seinem fliegenden Androiden Helvis den unentbehrlichen Schlüssel für das Überleben der Menschheit zu finden.“ – Jetzt verstehe ich das Ende besser. Ich musste Energiequellen finden und das Zeitlimit, was mir ständig um die Ohren gehauen wird, besagte wahrscheinlich, wann die Menschen im Orbit keine Energie mehr haben. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, was Helvis für eine Bedeutung hat. Der Android, mit dem 90% der Dialoge im Spiel stattfinden, wird zu Beginn attackiert und kann sich gerade so in eine kleine Form retten, die Age weiterhin begleitet. Also scheint irgendwas an Helvis selbst auch wichtig zu sein. Ich weiß aber nicht, ob die Leute aus dem Orbit oder von der Erde die Fieslinge sind. Irgendeine Wendung habe ich nicht verstanden, obwohl ich sie gesehen habe. Alles schrie: „PLOTTWIST“, aber ich hab’s nicht kapiert.

Ultra Age quatscht ultra lame

Ich halte fest: Ultra Age ist enorm schlecht darin, zu erzählen, was hier eigentlich los ist. Das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen fehlen dem Spiel die technischen Mittel, mit Cutscenes das Geschehen rund um das Spiel darzustellen. Zwar sieht Ultra Age während des Gameplays wirklich toll aus, weil die Bewegungen wuchtig und flott umgesetzt werden, während überall Funken sprühen und Sachen explodieren, doch sobald es in eine Zwischensequenz geht, fällt auf, wie unfassbar klobig die Bewegungen hier sind. Jegliche Eleganz und Dynamik gehen flöten. Hier fehlte offensichtlich das Budget, um die Qualität zu halten. Das macht es natürlich schwer, dem Leitsatz „show, don’t tell!“ zu folgen. Um die Geschichte zu erzählen, sind also vor allem Expositionsdialoge nötig, die eher zweckmäßig als beeindruckend sind. Diese Dialoge müssen schon enorm gut geschrieben sein, um nicht das Interesse der Spielenden zu verlieren. Und damit kommen wir zum zweiten Grund!

Ja, es gibt diese Expositionsdialoge in Ultra Age. Ja, wenn ich mich zurückerinnere, sind die Schlagworte der Geschichte dort auch alle gefallen. Doch trotzdem blieb nichts davon hängen. Ich weiß nicht, ob das Problem bei den Autor_innen Brain Lee und Kim Nam eun liegt oder die Lokalisation in die Hose ging. Doch anstatt notwendige Informationen auszuführen, liefern Helvis und Age sich immer wieder gewollt lustige Schlagabtäusche, die mich eher unangenehm berührt haben anstatt meine Lachmuskeln zu kitzeln. So wurde es erschwert, die notwendigen Infos herauszufiltern und den schwammigen roten Faden zu finden. Ich wusste nicht, was jetzt wichtig und was witzig sein sollte. Das scheint dem Team selbst auch aufgefallen zu sein, da es am Ende plötzlich einen weiteren Charakter gibt, der alles nochmal aufrollt, dabei aber mit so vielen für diese Welt spezifischen Begriffen um sich wirft, dass ich erst recht nichts mehr kapiert habe.

Weniger quatschen, mehr kloppen

Zum Glück überzeugt Ultra Age im Gameplay. Das ist nämlich wirklich großartig. Von den sechs Waffen, die im Spiel zu erhalten sind, können vier ständig ausgerüstet sein. Mit einer flotten Tastenkombination kann dann auch zwischen den Waffen hin und hergewechselt werden. Jede Waffe hat außerdem ein Energielevel, das mit jeder Attacke sinkt. Kurz bevor sich das dem Ende neigt, kann ein besonders starker Angriff rausgehauen werden, der oft noch zusätzliche Effekte bewirkt. Aus Kristallen in der Umgebung kann für jede Waffe Energie gespeichert werden, um sie selbst nach starken Abschlussattacke weiter nutzen zu können. Das in Kombination mit den Fähigkeiten von Helvis, der euch mit genügend Energie heilen kann oder in Zorn versetzt, um mehr kritische Treffer zu landen, sorgt für ein flottes, abwechslungsreiches Kampfsystem, das riesigen Spaß macht. Vor allem, wenn die Ausweichmanöver sitzen und größte Gegnerhorden keinen Treffer landen, fühlt sich Ultra Age großartig an.

Kämpfe bringen dann auch noch Kristalle, mit denen Waffen aufgerüstet, neue Moves freigeschaltet oder Helvis Fähigkeiten optimiert werden. Die daraus entstehenden Unterschiede sind deutlich spürbar, so dass ich am Ende einen Boss vom Anfang in kürzester Zeit plätten konnte. Angriffe im Sprung oder mit einer elektrischen peitsche, die mich an Gegner zieht oder Gegner zu mir, gingen mit der Zeit in Fleisch und Blut über. Zwar sitzen nicht alle Mechaniken komplett (so kann Helvis die Zeit zwölf Stunden vorspulen, um Kristalle erneut für Energie zu ernten, falls die Schwerter kurz vor dem Kollaps stehen, was das Zeitlimit des Spiels ad absurdum führt), doch im Großen und Ganzen war Ultra Age mehr als kurzweilig und spaßig. Daher konnte ich bei der katastrophalen Story auch ohne Probleme beide Augen zudrücken. Sehenswert waren die Cutscenes sowieso nicht. Und sobald das Geschnetzel wieder losgeht, sind die Augen weit aufgerissen, konzentriert und funkeln begeistert.

8/10🦸‍♂️⚔️🤖

Developer: Next Stage, Visual Dart
Publisher: DANGEN Entertainment
Genre: Character Action Game
Team: Kang Hyun wuu (Lead Designer, Art Design), Lee Mun Su (Game Design, Level Design), Jang Jae Hoon (Story Design, Voice Design), Brain Lee, Kim Nam eun (Writing)
Musik: Lee Suk nam
Veröffentlichung: 9. September 2021 (PS5, PS4, Switch)


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Redakteur | + posts

Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

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