Blue Fire Review | Ein schwieriger Balanceakt

ROBI Studios Blue Fire stellt mit kniffligen Hüpfereien und schnellen Schwertkämpfen eure Geduld und euer Können auf die Probe!

Ein kleiner Ninja mit großem Kopf und riesigen Schwertern hüpft durch dunkle Gemäuer, rennt an Wänden lang, bewegt sich unfassbar schnell und fegt durch mächtig aussehende Gegner. Klingt doch großartig, oder nicht? Das dachte ich mir auch, weswegen ich mit vielen Schmetterlingen im Bauch die Installation startete und Blue Fire begann. Aber irgendwie wollte es nicht so werden, wie ich es mir erhofft hatte. Eigentlich hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt. Die Falter im Bauch wollten sich nicht so wirklich in einen Gefühlsorkan verwandeln und auf Dauer könnte das Probleme geben. Was mache ich denn jetzt? Ich habe mir so viel Mühe gegeben, Blue Fire endlich kennenzulernen und dann sowas. Ich glaube, es geht kein Weg drumherum. Ich muss es ansprechen. Kommunikation ist der einzige Weg, diese missliche Lage zu lösen. Also nehme ich allen Mut zusammen, räuspere mich… und los geht’s!

Es ist kompliziert

Blue Fire, wir müssen reden. So geht es nicht weiter. Als ich dich das erste Mal sah, da fand ich dich wirklich aufregend, spannend, süß sogar. Du hast die richtigen Knöpfe bei mir gedrückt, ich war hin und weg. Diese düstere Atmosphäre, die du ausstrahlst, zusammen mit dem knuffigen Charakter, der im Zentrum steht. Deine Vorliebe für knifflige Sprünge und große Herausforderungen, deine Vielzahl an möglichen Talenten und kryptischen Erzählungen – das alles hat mich wirklich neugierig gemacht. Ich wollte dich unbedingt kennenlernen, Zeit mit dir verbringen, dich wirklich von Grund auf kennenlernen und dir näherkommen. Aber nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass dieser Funke einfach nicht überspringen will. Versteh mich nicht falsch, deine Vorzüge sind definitiv vorhanden, du bist sicher kein schlechtes Spiel. Aber ich weiß nicht so ganz, ob du das richtige für mich bist! Es liegt also nicht nur an dir, nur ein bisschen!

Weißt du, an allen Ecken und Enden deutest du an, was sich tief in dir versteckt. Du lässt mich Einzelheiten erahnen, nur um sie mir dann direkt wieder unter der Nase wegzuziehen. Ich sei noch nicht bereit dafür, sagst du mir. Und das ist okay, ich muss nicht alles auf dem Silbertablett serviert bekommen. Aber du überforderst mich. In den Tiefen deiner Dungeons stoße ich auf “Voids”, alleinstehende Geschicklichkeitsprüfungen, die meine Geduld wirklich auf die Probe stellen. Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, in einer dreidimensionalen Welt so genau zu hüpfen? Klar, du gibst mir einen Dash und die Möglichkeit, mich an Ecken festzuhalten, aber manchmal ist es fast unmöglich, ein genaues Gefühl für die Tiefe zu bekommen und schon falle ich in den bodenlosen Abgrund. Und wofür das alles? Ein läppisches Extraherzchen gibst du mir danach, vielleicht finde ich noch eine Scherbe, die ich verkaufen kann. Das war’s.

Blue Fire, ich brauche eine Pause!

Ich glaube, es ist besser, wenn wir erstmal keinen direkten Kontakt mehr miteinander haben. Ja, du hast Recht, die Kämpfe und das Erkunden der großen Verliese und Tempel machen Spaß. Aber das ist es nicht wert, mich immer wieder in so tiefen Frust zu stoßen, oder? Es tut mir leid, Blue Fire, aber ich muss auf mich selbst achten. Wenn ich deine dunklen Gemäuer erforsche, Geheimnisse und Rätsel lüfte und Gegner in flotten Kämpfen weghaue, schmeißt du mir kurz darauf eine Passage in den Weg, die mich verzweifeln lässt. Ich fühle mich nicht so, als würden wir uns gemeinsam entwickeln, verstehst du? Es wirkt vielmehr, als würdest du mir immer wieder einen großen Stein in den Weg legen wollen, weil es dir so große Freude bereitet, mich stolpern zu sehen. Dabei versteckst du den Stein so gut, dass ich nicht das Gefühl habe, etwas am Sturz ändern zu können.

Außerdem verstehe ich wirklich nicht was du mir dauernd erzählen willst. Ständig stellst du mir neue Personen vor oder wirfst mir Pergamentrollen vor die Füße, die wahrscheinlich etwas erklären sollen, aber nur für große Fragezeichen sorgen. Blue Fire, was willst du von mir? Ich weiß nur, dass ich jetzt fünf Tempel aufsuchen muss, um dort die fünf großen Geister zu befreien. Warum nochmal? Ich rette die Welt damit? Aber wovor jetzt genau? Vor den Schatten? Aber die hat doch jeder, oder nicht? Nein, komm mir jetzt nicht mit diesen süßen Emotes, die ich kaufen kann, um deinen kleinen Schwertkämpfer damit tanzen zu lassen! Ja, ich weiß, dass ich damit an manchen Stellen mit dem richtigen Emote besondere Schätze freischalten kann. Aber du lenkst schon wieder vom Kernproblem ab! Wie soll das so mit uns weitergehen? Es ist wirklich besser, wenn ich mich erstmal zurückziehe.

Einige Zeit später

Hey, Blue Fire, wie geht es dir? Weißt du noch, als du meintest, dass du auch jede_n andere_n haben kannst? Dass es genug andere Menschen gibt, die deine Schönheit zu schätzen wissen? Ich glaube, ich verstehe es jetzt etwas besser. Ich brauchte einfach selbst meine Zeit, um unser Kennenlernen zu verarbeiten. Die Pause hat mir geholfen, dich auch mal aus der Distanz zu beobachten. Nein, nicht auf die unangenehme Art, wie du jetzt denkst. Ich habe einfach gemerkt, zu was du in der Lage bist. Wenn deine Stärken alle zusammenkommen, dann bist du einfach großartig. Deine ganzen Probleme muss ich doch gar nicht sofort konfrontieren. Wenn ich merke, dass eine Eigenschaft von dir gerade zu viel für mich ist, hast du genug andere Seiten, die das doch wieder ausgleichen können. Da muss ich mich nicht durch frustrierende Voids hüpfen, wenn um die Ecke doch ein spannender Dungeon liegt.

Ich habe es jetzt verstanden. Wir brauchen einfach Zeit. Du deutest an, was du mir alles geben kannst, aber ich muss die Zeit und Geduld aufbringen, um mir das auch wirklich zu verdienen. Umso schöner ist es, wenn ich diesen Punkt endlich erreiche. Weißt du, Menschen vergleichen deine Struktur mit einem Legend of Zelda, deine Kämpfe und Welt mit Hollow Knight, aber das ist mir zu einfach gedacht. Ich glaube, diese Menschen suchen nach schnellen Vergleichen, um deine Gestalt irgendwie verständlich zu machen. Aber das wird dir nicht gerecht. Vielleicht war es sogar genau diese Erwartungshaltung, die uns überhaupt erst zu Beginn in diese Bredouille gebracht hat. Aber das wird mir nicht noch einmal passieren. Ich weiß jetzt zu schätzen, was ich an dir habe! Es tut mir leid, dass ich das nicht schon zu Beginn sehen konnte. Ich habe einfach zu schnell aufgegeben und das hast du nicht verdient!

Können wir nochmal von vorne anfangen, Blue Fire?

Ich weiß, nach so einer Pause wieder gemeinsam weiterzugehen als wäre nichts gewesen fühlt sich oft seltsam an. Aber vielleicht können wir ja so tun, als wäre alles neu für uns und nähern uns so aneinander an? Ich glaube, wenn ich auch an den Punkt komme, wo ich neue Fertigkeiten entdecke oder kaufen kann, wo ich stärkere Ausrüstungen finde und kleine Geister, die ich für weitere Effekte ausrüsten kann, dann hält uns beide nichts mehr auf! Dann stürmen wir gemeinsam zum Ziel, egal wie lange es auch dauern mag.

Auch wenn es mir schwerfallen wird, vielleicht nicht jede Ecke deiner Persönlichkeit zu ergründen, jedes Geheimnis zu lüften, werden wir eine gute Zeit haben! Wäre das hier ein klassischer Liebesbrief, würde ich wohl noch so etwas schreiben wie: “Unsere Beziehung ist wie ein guter Wein, der erst mit der Zeit zu voller Blüte reifen kann.” – aber so schmalzig bin ich nicht. Ich bin einfach nur froh, dass ich endlich erkennen konnte, was sich wirklich unter deiner harten Schale verbirgt. Ich freue mich sehr auf die weitere gemeinsame Zeit mit dir, Blue Fire!

7/10 ⚔️

Developer: ROBI Studios
Publisher: Graffiti Games
Genre: 3D-Action Adventure/Platformer
Team: Gabriel Rosa, Santiago Rosa (Game Directors), Paul Laulhe (Level & Game Design), Conrado Laje (Sound Design), Gonzalo Furnier (Rigging & Animation), Mariano Sosa (Programming)
Musik: Ariel Contreras-Esquivel
Veröffentlichung: 4. Februar 2021 (Steam, PS4, Xbox One, Switch)

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Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

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