ScourgeBringer Review | Völlig losgelöst wird geschnetzelt

ScourgeBringer lässt euch blitzschnell durch unzählige Gegner fegen, wenn ihr denn die nötige Übung mitbringt!

Was macht ein Rougelike eigentlich so besonders? Im Endeffekt spiele ich wie früher ein Spiel immer wieder von Anfang an. Durch die zufallsgenerierten Gegenstände und Karten kann es sogar unfair bis unmöglich werden Erfolg zu haben und trotzdem dauert es nicht lange, bis der nächste Run gestartet wird. Der Reiz liegt für mich vor allem darin, dass ich spürbar besser werde. Denn unabhängig von Items und Levelaufbau lerne ich die auftauchenden Gegner kennen. Ich verstehe, wie sie sich bewegen, entwickle unterschiedliche Strategien und setze sie immer besser um. So ist es unerheblich, was das Spiel mir entgegenwirft und selbst bei unglücklichen Konstellationen schaffe ich plötzlich die ersten Abschnitte ohne Probleme. ScourgeBringer der Flying Oak Games zeigt mir das auf unerbittlichste Art und Weise. Hier liegt der Fokus deutlich stärker auf meinem Können als bei anderen Genrevertretern. Das macht den Anfang zwar unerträglich, steigert aber das Erfolgsgefühl in riesige Höhen.

Schwert, Dash und Munition, mehr brauch ich nicht!

Die Geschichte ist schnell erzählt. Aus dem Nichts erscheint der sogenannte ScourgeBringer. Eine alte und riesige Maschine, die die Welt zerstört. Immer wieder betraten Menschen dieses Bauwerk, kamen aber nie zurück. Die Heldin Khyra ist die letzte Chance der Menschheit und begibt sich dafür unter meine Kontrolle. Nun kann ich sie einen Doppelsprung vollführen lassen, an den ich einen Dash anfüge, um danach mit diversen Schwerthieben weiter in der Luft zu bleiben. Zusätzlich habe ich noch eine Waffe, mit der ich bei Bedarf um mich schießen kann. Mehr benötigt es nicht. Allerdings ist die Kombination dieser Spielelemente auch absolut ausreichend, um perfekt eingesetzt einen kompletten Raum von Gegnern zu räumen, ohne auch nur ein einziges Mal den Boden zu berühren. Natürlich klappt das nicht sofort. Anfangs dashe ich wiederholt versehentlich in Feinde, schlucke unnötigen Schaden und übersehe – völlig fokussiert auf meine Attacken – gegnerische Angriffe von der anderen Seite des Raumes.

Der Dungeon ist deutlich größer als erwartet und so habe ich kaum noch Lebensenergie, als ich beim ersten Miniboss lande. Der Drops ist also schnell gelutscht und alles geht von vorne los. Bereits beim zweiten Anlauf besiege ich dieses erste Hindernis allerdings und erhalte einen Kristall, den ich später zwischen meinen Runs in Upgrades investieren kann. Auf diese Art steigere ich meine Lebensenergie, schalte eine Schnellreisefunktion für die Dungeons frei oder lerne neue Attacken. So lange ich dieses erweiterte Arsenal jedoch nicht meistere, fühle ich mich eher überfordert. ScourgeBringer stellt mir immer wieder eine große Mauer vors Gesicht, nachdem ich eine kleinere mühsam erklommen habe. Normalerweise würde ich an diesem Punkt sofort alles stehen und liegen lassen. Doch allein das Wissen, welches Potential in meinen Möglichkeiten steckt, sobald ich sie beherrsche, hält mich weiter am Ball. So schnell wollte ich mich nicht von diesem Roguelike brechen lassen!

Der hinterhältige ScourgeBringer

So schön ich den Pixellook auch finden mag, ist sein minimalistischer Stil auch ein kleines Hindernis. Es fällt mir gerade zu Beginn schwer die Räume zu lesen, Fallen zu identifizieren oder Upgrades innerhalb des Dungeons richtig einzuordnen. Das führt öfter dazu, dass Stacheln, die aus dem Boden schießen, mein schlimmster Feind wurden, während ich dem Kugelhagel der Feinde ausweiche. Da hilft es dann auch nicht, dass immer wieder neue und stärkere Gegner auftauchen, nachdem ich einen Raum vermeintlich gesäubert habe. Zwar ist das Gegnerdesign nicht gerade vielseitig und originell, doch immerhin unterstützt mich das beim Identifizieren der zu erwartenden Angriffe. Jeder besiegte Feind hinterlässt dann kleine rote Kugeln, die ich als Währung nutzen kann. Irgendwo in jedem Level befindet sich nämlich genretypisch ein kleiner Shop, der mich entweder meine Waffe austauschen lässt, mich heilt oder andere mehr oder weniger nützliche Sachen bereithält.

Ein weiterer Raum pro Etage lässt mich einen von drei Perks wählen, die ich für diesen Durchgang nutzen kann. Auch hier ist nicht sofort ersichtlich, was sich hinter den Symbolen verbirgt. Ich muss immer aufmerksam die Beschreibung lesen, um eventuelle Synergien meiner Upgrades zu finden, die mir weiterhelfen könnten. Der ScourgeBringer ist also auch auf dieser Ebene nicht besonders einstiegsfreundlich. Aber was habe ich erwartet? Unzählige Personen sind in diesem Gemäuer verloren gegangen. Das wäre sicher nicht passiert, wenn jedes Item gesagt hätte: „Hier, nimm mich, ich bin die beste Wahl, vor allem wenn du mich mit diesem Dash-Angriff kombinierst. Und vergiss nicht das Upgrade deiner Munition, damit die sich automatisch nach einigen Feinden auflädt!”, erwartet also keine Hilfe. Es bleibt nichts anderes übrig, als zu üben, zu üben und zu üben, während die unterschiedlichen Perks und Upgrades ausprobiert werden, was weiteres Üben benötigt.

Anpassungsfähiger Masochismus

Bevor ich gänzlich verzweifle, bietet der ScourgeBringer mir ein paar Optionen an, das Erlebnis zugänglicher zu machen. Das Tempo kann reduziert werden oder ein Knopfdruck für automatische Angriffe ausreichen. Das macht das Spiel nicht zu leicht, aber kann bei einigen Einschränkungen durchaus helfen. Ich persönlich bevorzuge das hohe Tempo sowie das stetige Scheitern. Glaubt mir, der erste Spielabschnitt wird euch irgendwann zum Halse heraushängen. Und trotzdem schaffen es der Fähigkeitenbaum zwischen den einzelnen Versuchen sowie die merkliche Verbesserung der eigenen Fertigkeiten, die Motivation hoch zu halten. Vielleicht dauert es einige Sprünge, bis ich mich an der neuen Wand halten und sie erklimmen kann. Vielleicht falle ich sogar ein paar Wände weiter nach unten. Aber irgendwann erreiche ich einen neuen Höhepunkt meiner Leistungen und freue mich unermesslich, nur um dann im nächsten Level erneut aufs Härteste meine Grenzen aufgezeigt zu bekommen.

Nun bin ich natürlich auch ein riesiger Fan des Genres. Wer das nicht ist, dem helfen auch ein toller Soundtrack und diese schöne Pixeloptik nicht, sich so durch diese Niederschläge zu quälen. Ich liebe das gesamte Genre aus den genannten Gründen und habe hier aktuell meinen persönlichen Endgegner gefunden, den ich irgendwann zu Fall bringen möchte. Vielleicht wird das noch einige Wochen dauern. Vielleicht brauche ich auch Monate, Jahre oder ich schaffe es nie. Aber bis dahin werde ich freudig vor Frust schreien, das Gamepad in die Ecke pfeffern, es sofort wieder aufsammeln und einen neuen Versuch starten, der mich zu neuen Erkenntnissen bringen wird. Denn genau das macht ein Rougelike für mich aus.

9/10 😭

Developer: Flying Oak Games
Publisher: Dear Villagers
Genre: Roguelike, Jump’n’Run
Team: Thomas Altenburger, Florian Hurtaut (Game Design); Joonas Turner (Sound Design); Pia Jacqmart (Narrative Design)
Musik: Joonas Turner (Composer)
Auszeichnungen: The Mix gamescom Selection 2019 (Gamescom 2019), Indie Arena Selection 2019 (gamescom 2019), Jury Award (Stunfest 2019), Best Indie Game (Indie Summit 2019), Audience Award (Strasbourg European Fantastic Film Festival), Honorable Mention (Indie X 2019)
Veröffentlichung: 21. Oktober 2020 (Steam, Xbox One, Switch)

Redakteur | + posts

Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

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