Fly Punch Boom! Review | Immer mitten in die Fresse rein!

Übertriebene Prügeleien lassen in Fly Punch Boom! ganze Planeten explodieren und Städte zusammenstürzen.

Als Kind und Jugendlicher habe ich vor allem diverse Anime geschaut, weil ich die langen und effektvollen Kämpfe sehen wollte. Auch heute üben diese phänomenalen Schlägereien noch eine gewisse Faszination auf mich aus. Selbst als Son Goku sich gegen Freezer die längste Auseinandersetzung der Anime-Geschichte lieferte und insgesamt vier Stunden und dreizehn Minuten auf Namek kämpfte, wovon bestimmt über eine Stunde lang die Information kam, dass der Planet in den nächsten 5 Minuten explodieren würde, fand ich das großartig. Solche Kämpfe lassen sich natürlich wunderbar in Videospiele packen. Diverse Dragonball- und Naruto-Versoftungen protzen mit spektakulären Effekten, wenn die Helden dort aufeinandertreffen. Doch insgesamt schaffen es nur wenige Spiele, dabei auch dieses Ausmaß an Zerstörung und Effektgewitter zu vermitteln, die die Vorlagen so besonders machen. An dieser Stelle kommen die Jollypunch Games ins Spiel, die mit Fly Punch Boom! das Maßband der Übertreibung komplett ausfahren wollen.

Nostalgisches Cartoon-Feuerwerk

Wenn ich an all die alten Cartoons zurückdenke, die ich als Kind konsumiert habe, fallen mir vor allem unzählige Songs ein, die die Intros dieser Serien schmückten. Wenn ich mir Medleys solcher Kompositionen anschaue, ist es mir selbst schon unheimlich, wie viel ich davon auf der Stelle mitsingen kann. Habe ich als Kind eigentlich irgendetwas anderes gemacht als vor der Glotze zu hocken? Nüchtern betrachtet wahrscheinlich nicht. Und schaut mich an, es ist trotzdem etwas aus mir geworden. Ich darf meine Gedanken zu Fly Punch Boom! aufschreiben und veröffentlichen. Das freut mich vor allem, weil auch hier der Soundtrack nach nur wenigen Runden fest in meinen Kopf gebrannt ist. Fetzige Gitarrenriffs in Verbindung mit einem ständigen Reinschreien des Titels reichen schon aus, um den Teil in mir zu wecken, der jedes Mal laut bei diesen Songs mitgrölen möchte. Ob es jetzt die Thundercats, He-Man oder eben Fly Punch Boom! ist.

Die dadurch entstehende Atmosphäre macht allein schon viel aus. Geschenkt, dass ich im Song immer ein „Fight punch burn“ verstehe. Fetzige Musik von Giorgiost komponiert, während auf dem Bildschirm vor mir alles explodiert, reicht aus, um mich glücklich zu machen. Wenn ihr nur einen Funken von Schwäche für diese Art der Unterhaltung habt, könnt ihr im Prinzip direkt euren Rechner oder die Switch anschmeißen und euch dieses Spiel holen. Mir persönlich ist es dabei völlig egal, dass die einzelnen Charaktere keinerlei Hintergrundgeschichte besitzen. Mich stört auch nicht, dass es keine Erzählung gibt. Entweder prügelt ihr im Arcade-Modus die CPU aus dem Bildschirm oder messt euch online mit anderen Personen. Mehr braucht es nicht. Ich habe lieber ein Fighting Game ohne Geschichte als eine Erzählung auf dem Niveau einer He-Man-Folge. Die skurrilen Charaktere, die zu Beginn vorhanden und mit der Zeit freigeschaltet werden können, sind auch ohne Charakterbogen erinnerungswürdig genug.

Schere, Stein, Papier statt Fly Punch Boom!

Egal, welchen Modus ich letztendlich wähle, sei es Arcade, ein Online-Match oder der lokale Multiplayer und auch egal, ob ich mich im 1v1 oder 2v2 prügeln will, die Action ist sehr schnell aufgedreht. Ich lasse die Charaktere durch eine große, rechteckig eingegrenzte Arena fliegen, in der unzählige Hindernisse stehen. Diese Hindernisse kann ich mit einem Knopfdruck in meine Blickrichtung schleudern, um die Gegner zu erwischen. Das Ziel ist es, sie dadurch oder durch meine direkten Angriffe aus der Arena oder in eines der zerstörbaren Objekte zu schleudern. Daraufhin taucht ein Quicktime-Event auf, um dem Tod noch irgendwie zu entgehen. Je häufiger ein Charakter aus der Arena oder in ein Haus geprügelt wird, desto schwieriger ist es, den richtigen Druckpunkt zu erwischen. Schaffe ich das nicht, wird mein Charakter von einem Fisch gefressen, einem Haus zerquetscht, bis zum Erdkern geprügelt, von einer großen Katze gefressen und ausgeschieden oder einfach enthauptet.

Da alles im Spiel wie ein altes Flashgame aus der Anfangszeit des Internets aussieht, sind diese Gewaltorgien gut zu verkraften. Es ist vielmehr ein weiterer Punkt auf der Skurrilitätsskala, der mich am Ball hält. Schließlich will ich wissen, was es sonst noch für Möglichkeiten des Ablebens gibt. Mein Problem bei der Sache ist nur, dass ich oft das Gefühl habe, dass es reines Glück ist, wie die Kämpfe sich entwickeln. Der Hauptangriff besteht darin, auf den Gegner zuzudüsen und mit einem Knopfdruck ein Duell in Form eines Quicktime-Events zu aktivieren. Dann muss ich mich entscheiden, ob ich angreife, kontern oder meinen Gegner durch die Luft schleudern will. Angriffe besiegen Griffe, Griffe kontern Konter und Konter stoppen Angriffe. Drücken beide Kämpfenden das Gleiche, kommt es darauf an, wer den jeweiligen Knopf besser an einer Stelle drückt. Ob meine Angriffe landen, hängt also komplett davon ab, wie gut ich dieses Schere-Stein-Papier-Prinzip meistere.

Glücksspiel kann süchtig machen!

Ein solches Kampfsystem hat natürlich Vor- und Nachteile. Spiele ich lokal gegen andere Menschen, haben alle eine ähnlich gute Chance, den Kampf zu gewinnen. Es kommt vor allem darauf an, wer die andere Person schneller durchschaut und besser einschätzen kann, welche Aktion gewählt wird. Zwar gibt es noch aufladbare Spezialattacken und die Möglichkeit, sich vereinzelt aus einem Angriff zu teleportieren, doch auch diese Mechaniken sind schnell erlernt. Das Miteinander vor einem Bildschirm wird so jedenfalls ein hitziges Duell mit stetig offenem Ende. Auch online funktionieren diese Mind-Games, wenn auch die direkte Interaktion natürlich fehlt. Im Arcade-Modus gegen die CPU hingegen wirkt es wie reines Glück, ob ein Angriff landet oder nicht. Es wäre möglich, mit gottgleichen Reflexen seine Aktion eine Sekunde nach der Aktion des Gegners einzugeben, um immer die Oberhand zu bewahren. Aber sind wir mal ehrlich: In meinem Alter kriege ich die Auge-Hand-Koordination nicht mehr auf übermenschliches Niveau.

Das führt dann dazu, dass der Arcade-Modus, je länger er geht, gerne mal unfair erscheint. Wenn die CPU dann noch wie wild zu den erscheinenden Energiekugeln düst, um jederzeit eine Spezialattacke ausführen zu können, ist es doppelt frustrierend, wenn in den direkten Duellen immer wieder die falsche Aktion ausgewählt wird. Und schon werde ich wie wild durch die knallbunte Stage geprügelt und verstehe nicht, warum ich einfach keinen einzigen Treffer landen kann. Fighting Games funktionieren vor allem durch ihre Präzision und der Möglichkeit, zu durchschauen, warum der Kampf gerade verloren wurde. Fly Punch Boom! hingegen lässt mich verlieren, wenn ich einfach nur Pech habe. Dementsprechend eignet sich Jollypunch Games Titel nur für ein erfrischendes Party-Game oder für vereinzelte Runden im Online-Modus. Da habe ich immer wieder aufs Neue meinen Spaß. Aber einen kompletten Abend allein vor dem Bildschirm verbringe ich dann doch lieber mit einem Re-Run von Dragon Ball Z.

7/10 💪

Developer/Publisher: Jollypunch Games
Genre: Party-, Fighting Game
Team: Gabriele Libera (Designer, Programmer, Artist)
Musik: Giorgiost
Auszeichnungen: GameRome Showcase Award 2018, Indie Prize Selection 2018,  Lucca StartAndUp 2017
Veröffentlichung: 28. Mai 2020 (Steam, Switch)

Redakteur | + posts

Die Couchkartoffel von WTLW. Sein Seelentier ist definitiv ein Relaxo! Am liebsten hockt er zu Hause und spielt Videospiele. Seine Nase steckt er dabei in alles mögliche, wagt sich an jedes Genre und hat schon diverse Horrorspiele abgebrochen, weil er nicht der Idiot sein wollte, der jetzt die Treppe herunter zum gruseligen Geräusch geht.

Kommentar verfassen