Valfaris Review | Schwermetall ist schwer

Metal + Blut + Geballer + Space = Neo Retro Hit. Stimmt die Rechnung für Valfaris?

„So it’s basically a Heavy Metal Space Jump’n’Shoot“, wurde uns beim Pressetermin auf der Gamescom 2018 erklärt. Mein Kommentar am Ende der Demo war „This will be a day-one-purchase for me“, weil Valfaris alles bedient was mir Spaß macht: Metal, Sidescrolling-2D-Action und Weltraum. Valfaris kann zudem auch detaillierte Retro-Pixelgrafik im Anfang 90er PC-Look und viel Blut. Während mich heutzutage auch wenig Gewalt zufriedenstellt, erscheint mir Grafik als eher nebensächlich, solange eben das Gameplay passt. Aber irgendwas stimmt hier nicht…

„This should satisfy my appetite… for carnage.“

In Valfaris spielen wir Therion, der seinen Vater Vroll sucht. Die Reise geht auf deren einst verschollenen Planeten Valfaris, der nun wieder aufgetaucht ist, aber von Viren und Aliens heimgesucht wird. Das Empfangskomitee wehrt sich jedoch vehement gegen den Besuch des langhaarigen Space-Marines. Egal. Machen wir halt alles platt.

Die Testosterontonne bekämpft Aliens, Würmer und Soldaten mit verschiedenen Pistolentypen, Hiebwaffen und schweren Spezialwaffen, deren Nutzung Energie verschlingt. Je eine pro Typ kann immer mit sich geführt und an Speicherschreinen ausgetauscht oder aufgerüstet werden.
Das dafür nötige Blood Metal ist leider sehr spärlich gesät. Aber es soll ja auch nicht zu leicht sein. Schade, dass der einzige Effekt beim Aufleveln der Waffen fast immer nur Increased Power ist. Sehr einfallslos, wünsche ich mir doch so oft Dauerfeuer, weniger Energieverbrauch, mehr Projektile oder höhere Reichweite. Es gäbe so viele taktische Möglichkeiten, die Waffen interessant zu erweitern und die Gegnermuster daran anzugleichen.

Valfaris: „Taste my plasma discharge, pityful son of the betrayer”

Die erhöhte Power fällt zudem häufig auch nicht wirklich ins Gewicht. Wenn ich denke, „Nach dem letzten Update sollte ich diesen Gegnertyp ja wohl mit einem Treffer ausradieren“ passiert merklich nicht viel mehr als vorher. Das führt letztendlich auch dazu, dass die für mich einzige funktionierende Kombination die Standard-Pistole (kann mit einem praktischen Spreadshot ausgestattet werden), das Standard-Schwert (welches den Gegnern nach Auslöschung nützliche Waffenenergie entzieht) und der Homing-Raketenwerfer ist. Ich probiere natürlich alle neuen Wummen aus, komme aber immer wieder zu diesem Setup zurück. Verschenktes Potenzial, aber ich bin ja zufrieden mit der Ausrüstung. Immerhin gibt es eine nette Headbanging-Animation von Therion, wenn er eine neue Waffe findet.

Was ich gar nicht verstehe: die Energieleiste kann nicht vergrößert werden. Ich würde mit Vergnügen mein Blood Metal oder die Speicherkristalle gegen mehr Lebensenergie eintauschen. Das geht aber leider nicht.

Das Leveldesign wurde schlauchig-linear angelegt. Bei dieser Art Actiongeballer empfinde ich das als positiv. Besser als bei so manchem 90er Plattformer (besonders denen, die nicht aus Japan kamen), in denen die Levelgestaltung auch in die Höhe geht und nie klar ist, in welcher Richtung das Ziel liegt. Von daher macht mir diese Art von Design mehr Spaß. Es hat etwas von Metal-Slug.
Der außerirdische Planet des Run & Gun Platformers wirkt in seinen reichhaltigen Farben dann auch dementsprechend cool. Manchmal erscheint die Grafik fast zu detailliert in ihrer Pixel-Art. Vor dem organischen Glibbertentakel- und Wabbel-Membranen-Wirrwarr verschwimmen Projektile oder Gegner zum Teil. Seine Wirkung verliert dies dennoch nie.

„Rust in peace, metal man.“

Warum das Spektakel trotz all der richtigen Variablen leider kein zufriedenstellendes Ergebnis liefert? Der Schwierigkeitsgrad!
Ich komme schon vorwärts aber ich muss so viele frustrierende Tode sterben, dass ich den Spaß daran verliere. Es ist ein sehr feiner Grat, auf dem sich Entwickler bewegen, wenn sie eine knüppelharte Herausforderung für Hardcore-Gamer kreieren möchten. Denn die Frustresistenz, die sich bei diesen Spielen einstellt, weil Motivation gefördert und Belohnung Anreiz schafft, ist durch den hohen Schwierigkeitsgrad nicht automatisch gegeben.

Die Spieler_innen müssen verstehen, warum sie scheitern. Der Fehler muss eindeutig bei ihnen selbst gefunden werden können. „Hier war ich zu übermütig“, „Hier war ich unvorsichtig“. Alles legitim, weitermachen und noch einmal probieren. Aber bei Valfaris sind Kollisionsabfragen der Projektile oder die Angriffs- und Bewegungsmuster der Gegner so ungenau, dass antrainiertes Ausweichen zum Teil unmöglich wird. Der Fortschritt bringt einen hier auch nicht weiter. Er lässt die Stärke des Charakters offensichtlich kaum anwachsen. In dieser Sorte Videospiel muss klipp und klar vermittelt werden, was geht und was nicht geht.

Welche Funktionen besitze ich? Diese möchte ich gezielt einsetzen. Welche Regeln gibt mir das Spiel vor? Solange ich trainiere und mich an die Begebenheiten der Welt halte, komme ich voran. Es wird ein harter Weg aber es wird gut. Genau das macht Spaß, weil das Meistern dieser Aufgabe anspornt.

„He blacked out. For good!“

Nicht immer müssen all diese Kriterien gleichzeitig in Kraft treten. Allein einzelne exakt ausgearbeitete Pfeiler können dem positiven Spielerlebnis eine Hilfe sein wie exaktes Level-Design, plausibles Aufleveln, oder nachvollziehbare Kollisionsabfragen. Bei Valfaris hingegen bringen mir meine Waffen keinen Vorteil. Mein Schild, der auch Energie verbraucht, ist bei einigen Gegnern nutzlos. Oftmals bewegt sich Therion so behäbig, dass ich nicht schnell genug reagieren kann. Vor Allem, wenn viele schnelle Gegner auf einmal attackieren. Und in manchen Situationen mutet das Level Design gar zu dunkel an oder die Gegnermuster scheinen zu willkürlich.

Leute, macht doch eure Hausaufgaben! Das wirkt so als würde deine kleine Metalband auf einmal mit Judas Priest auf Tour gehen, ihr jedoch vergesst eure Gitarren zu stimmen und zu allem Überfluss in Jogginghosen und Anzügen auf der Bühne erscheint. Das macht den Vorbildern keine Ehre.

Apropos Metal. Ist der nicht Ansporn genug? Steel Mantis (klingt ohnehin schon wie eine Metalband. Deren Logo sieht ebenfalls so aus) konnten Ex-Celtic Frost Gitarrist Curt Victor Bryant für den Soundtrack verpflichten. Schon bei ihrem ersten Spiel Slain: Back From Hell gab es dessen tiefgestimmten Metal zu hören. Dieser ist inzwischen mit dem Grafikstil der Pixelschlachten verknüpft und hat dem Entwickler eine Identität verschafft, die ihre Zielgruppe direkt ansprechen dürfte. Als eingeschworener Metalfan müsste ich bei dieser Art Soundtrack Luftsprünge machen.

Leider finde ich auch hier etwas zu meckern. Die einfallslosen, eintönigen Riffs von Bryant sind leider auf Dauer extrem monoton und tragen zur Atmosphäre des Spiels nicht mehr bei. Metal kann, entgegen einiger Meinungen, sehr vielseitig sein. Aber der Valfaris-Soundtrack klingt ehrlich gesagt wie eine herunterstimme SG auf der versucht wird Rammstein zu imitieren.

„You will find nothing here but death“

Dabei funktioniert Metal in Games so verdammt gut! Ich habe die Musik von Valfaris mit Ausnahme der Soundeffekte aus Neugier mal runtergedreht und im Hintergrund den Guilty Gear XX Soundtrack dazu laufen lassen. Das Spiel macht doppelt soviel Spaß. Zudem spornt es mich viel mehr an, es noch ein paar Mal mehr zu versuchen. Ich hätte sogar fast den Boss erledigt, bei dem ich aktuell hänge. Motivation kann eben auch durch die perfekte musikalische Unterlegung beeinflusst werden.

Doch genau dann sind wir auch wieder beim Schwierigkeitsgrad. Ich habe aufgehört Valfaris zu spielen. Ich hatte mir fest vorgenommen, es für diesen Artikel durchzuzocken. Aber es macht mich wahnsinnig. Ich hätte schon fast die Switch durch die Bahn geworfen; macht sich natürlich nicht gut, wenn ein gestörter Gamer im ICE ausrastet und seinen Nintendo auf dem Boden zerschmettert. Habe ich also gelassen. (Anmerkung der Redaktion: „Gestörter Gamer rastet im ICE aus und zerschmettert seinen Nintendo auf dem Boden“ ist derzeit in Arbeit.) Ich mag es nicht, wenn Spiele so etwas in mir hervorrufen.

Valfaris ist den Spieler_innen immer einen Schritt voraus. Es scheint hämisch sagen zu wollen: „Ätschbätsch! Dieser neue Gegner kann dich sogar mit nur einem Schlag umhauen, egal wie weit deine Waffe aufgerüstet ist. Ätschbätsch! Die Gaswolke dieses Bosses ist vollkommen konturlos und du weißt nicht, wann Du getroffen wirst, haha!“
Ich fühle mich regelrecht getadelt. Aber nicht aus gutem Grund, sondern einfach um mich zu ärgern. Und das ärgert mich!

Steel Mantis: Wenn ihr schon ein paar Grundregeln im Game Design nicht umsetzen wollt, dann bietet uns wenigstens unterschiedliche Schwierigkeitsgrade an. Die gibt es nämlich nicht. Weniger Energie für Gegner, höhere Droprate für Health- und Energie-Items, mehr Blood Metal… Kinderleicht könntet ihr so eure Zielgruppe verdoppeln.

„Enough talk. I’m pulling the plug.“

Also, ist Valfaris nun gut oder schlecht? Das ist definitiv subjektiv. Ich bin vielleicht einfach zu alt für so harten Scheiß! Ich sollte vielleicht nur noch Animal Crossing und Point And Click Adventures spielen. Aber das Kind in mir wird jedes Mal getriggert, wenn Spiele aussehen wie auf dem Super Nintendo und das Gameplay auch noch so wirkt wie bei Probotector, Metal Slug oder ähnlichem.

Aber es gibt diese Neo Retro Spiele, die sauschwer sind und trotzdem fair. Shovel Knight zum Beispiel. Oder das erst kürzlich veröffentlichte und vom Gameplay am ehesten mit Valfaris zu vergleichende Blazing Chrome.
Im Endeffekt ist es eine Fallentscheidung. Und ich dachte bei Mathe gäbe es keine subjektive Betrachtung sondern nur richtig und falsch. Naja, ist halt eher Metal als Mathe. Also unbedingt eine eigene Meinung bilden. Der Strilli ist ja auch nicht allwissend.

6/10 <3

Entwickler: Steel Mantis
Publisher: Big Sugar
Veröffentlichung: 10. Oktober 2019 (Steam, Switch), 6. November 2019 (PS4), 15. November 2019 (Xbox One)

Autor: Dennis Strillinger
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