Tohu verzaubert wortlos mit Androidentieren und einer Protagonistin, die sich in einen Roboter verwandeln kann.
Das handgezeichnete Point & Click-Animustrial-Adventure von Fireart aus Polen besticht durch eine bezaubernde Welt mit faszinierendem Detailgrad und starkem Machinarium-Flair. Okay, ich gebe zu: Die Stilbezeichnung „Animustrial“ habe ich gerade erfunden. Klingt aber cool, oder? Animal Industrial? Passt zu der Metallfauna und –flora der Welt. „Mechanimal“? Mechanical Animal? Würde auch funktionieren. Ich glaub ich hab ‘n Lauf! Ey, Duden, komma her…
Nach dem geistigen Verwandten Machinarium von den Tschech_innen bei Amanita Design, arbeiten nun die polnischen Nachbarn von Fireart an Tohu. Es erinnert vom handgezeichneten Grafikstil mit seinen Robotertieren und seiner einzigartigen Welt an das tschechische Robo-Adventure. Da ich großer Fan von Machinarium bin hat mich Tohu sofort in seinen Bann gezogen – und zwar ohne wie ein inoffizieller Nachfolger oder eine Fan-Fortsetzung zu wirken. Das fällt eher in die Kategorie „Für Fans von…“.
The Girl And The Cube
Der polnische Pavillon im Businessbereich der Gamescom 2019 in Köln hatte einige spannende Spiele zu bieten. Tohu war neben Survive the Blackout für mich allerdings das Highlight.
Mit seinen klitzekleinen Details und Feinheiten hat es mir im noch sehr frühen Stadium den Atem geraubt, mich verzaubert und mir ein permanentes Lächeln ins Gesicht gemalt. Als ob ich gerade zum ersten Mal in meinem Leben einen Zeichentrickfilm sehe.
Die Geschichte erschließt sich in der kurzen Demo wie folgt: Bei Tohu wohnen alle auf unterschiedlichen… Fischen. Die Meereskreaturen sind also die Planeten. Nun kommt ein Wesen auf die Welt, das alles zerstören will. Entwickler Dmytro versicherte uns eine spätere Entfaltung der Thematik. Zum Beispiel warum sich die Protagonistin mit den violetten Haaren in einen Roboter verwandeln kann, deren würfelförmiger Kopf magisch in der Luft schwebt und auf allen sechs Seiten einen anderen Gesichtsausdruck zeigt. Hat es etwas mit dem Tofuwürfel zu tun, der ihr wie beim Anglerfisch an einer Art Ast aus dem Kopf hängt? Ist das überhaupt Tofu?
Dr. Strilli kombiniert: es sieht ganz danach aus und da die Japaner in ihrer Aussprache von „tofu“ das „f“ je nach Dialekt und Geschlecht wie ein „h“ aussprechen, deutet alles darauf hin. Die tierfreundliche Redaktion von Welcome To Last Week begrüßt das natürlich und kann es kaum abwarten, die Mysterien des Wunderlebensmittels aus der Sojabohne herauszufinden. Wenn es in dem Spiel denn überhaupt um Tofu geht.
Die stilistische Mischwelt von Tohu
Die Farbpalette von Tohu ist glücklicherweise alles andere als ein blasses Tofugrau. Je nach Bildschirm passt sich die Atmosphäre der Umgebung an. Generell ist alles in Erd- und Metalltönen gehalten, mit Spritzern von Violett und Flieder in den Figuren oder Herbstlaubrot auf den Dächern. Ich klinge wie ein Musterkatalog im Stoffhandel! Aber es ist alles so schön aufeinander abgestimmt.
Hintergründe verschwinden unbemerkt, obwohl sie viele liebevolle Überraschungen bereithalten. Im Vordergrund kann jedoch alles durch perfekte Kolorierung auseinandergehalten und zugeordnet werden.
Die traumhaft detailverliebte Welt wird von Tierwesen bewohnt, deren Körper zum Teil durch Metallteile ersetzt wurden. So gibt es Vögel, deren Schnäbel Scheren sind oder Insekten, deren Hinterteile aus Glühbirnen bestehen. All diese Lebewesen, die sich im Hintergrund tummeln oder gar verstecken, können angeklickt werden und dadurch eine Sammelkarte mit einem Konterfei der Kreatur gesammelt werden.
Das Hauptcharaktermädchen lächelt fröhlich und tippelt auf der Stelle, wenn sich die Spielerpartei mit der nächsten Handlung etwas Zeit lässt. In ihrer Idle-Animation scheint sie eine Art interaktives Gerät hervorzuholen, mit dem sie spielt. Dieses Utensil sieht auffällig wie eine Nintendo Switch aus. Aber diese Verschwörungstheorie behalten wir besser für uns. Pssst! Die Zeichnungen im naturbelassenen Stil und die verspielt geschmückten Charaktere erinnern eher an The Inner World als an den Kohle- und Bleistiftstil von Machinarium – eine stilistische Mischung von der ich nicht wusste, dass ich sie mir herbeisehne, bis ich Tohu selbst gespielt hatte.
Da soll noch mal jemand sagen, Spiele seien keine Kunst.
Wie in jedem Point & Click Adventure können Gegenstände aufgesammelt und benutzt oder mit anderen Dingen kombiniert werden. Das Leveldesign verbirgt viele Geheimnisse.
Die Rätsel beschränken sich nicht auf Dialoge, da das Spiel ohne Sprache auskommt, sondern spielen mit der Umgebung und mit den liebenswürdigen Gesten und der Mimik von Lila-Tofugirl und ihrem Robo-Alterego.
Ich erfinde hier alle möglichen Namen und Begrifflichkeiten, gibt es im Netz doch nicht einmal einen Trailer zu Tohu anzuschauen (Anmerkung der Redaktion: aber immerhin nun einen kurzen Teaser). So muss Lila (geben wir dem Kind doch einfach einen Namen) in einem Fluggerät zu einem anderen Planeten fliegen, weil sie dort den bösen Zerstörer vermutet. Dieser Insektokopter wird von vier Fluginsekten getragen, welche sich allerdings im Bildschirm verstreut haben und auf Bäumen oder in ihren Verstecken entspannen. Nun muss eine Kanonenstatue mobilisiert und die Libellen aufmerksam gemacht werden, damit sie sich an die Arbeit machen, das Geflüg samt Mädchen aus der Demo herauszufliegen.
Tohu soll 2020 für PC und Mac erscheinen und ist bereits auf Steam gelistet. Packt es Euch auf die Wunschliste und folgt dem Titel, damit ihr (neben einer pünktlichen Ankündigung hier bei uns) schnell genug Bescheid wisst, wann das Spiel denn exakt erscheinen wird. Die Liebenswürdigkeit und die zauberhafte Kreativität will und muss gespielt werden.
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