Pawarumi Review | Shoot’em Up Tricolore

Drei verschiedene Laser haben in Pawarumi, dem Shoot’em Up aus Bordeaux, unterschiedliche Fähigkeiten. Quasi wie taktisches Stein-Schere-Papier.

Du spielst Axo. Die beste Pilotin der Erde und eigentlich dazu abgesandt, ebendiese zu beschützen. Wie fühlt es sich dann wohl an, wenn Du plötzlich hinterrücks alles und jeden auslöschst, der dir eigentlich zur Seite aber offenbar nun im Wege steht?

Das findest Du heraus, während Axo in Pawarumi ihre Geschichte zwischen den Levels in halb-animierten Standbildern erzählt. Ungewöhnlich für ein klassisches Vertikal-Shoot’em Up eine tiefere Story einzubauen. Die Umsetzung in der neo-aztekischen grafischen Inszenierung der Spielwelt ist simpel aber spannend. Ähnlich wie bei Grasshopper Manufacture’s Sine Mora wird die Geschichte besonders bei den einfallsreich designten Bossfights mit Sprechblasen vorangetrieben – und nervt dabei nicht mal. Denn Shoot’em Ups sollten perfekt in die Pick-Up-And-Play-Kategorie fallen (und gefälligst wenig rumlabern).

Pawarumi ist Pick-Up-And-Play. Sogar noch mehr als manch anderer Genre-Vertreter, bei dem im Arcade-Mode unendlich „Continues“ zur Verfügung stehen und mit genug Ausdauer immer gewonnen wird. Wenn Axo stirbt ist das Spiel vorbei. Aber hier greift der geniale Game Design Twist, den die französischen Indie-Entwickler von Manufacture 43 „Trinity Mechanic“ nennen.

Crush – Boost – Drain – Zerstören, heilen und Aufladen. Die Farbkombinationen der Laser und Gegner regen die Gehirnzellen mit anspruchsvollem Gameplay an!

Ursprünglich erschien das Spiel schon am 30. Januar 2018 via Steam. Durch Kickstarter, dem Centre National du Cinéma und Région Nouvelle-Acquitaine wurde das Spiel finanziert und glücklicherweise nun einem breiteren Publikum der Nintendo Switch und Xbox One Käuferschaft zur Verfügung gestellt. Das hat es auch verdient. Denn die schon angesprochene Trinity-Mechanic ist der wohl brillanteste Kniff in einem Shoot’em Up seit langem.

Axo stehen also drei verschiedene Laserwaffen zur Verfügung. Eine rote, eine grüne und eine blaue. Gegner erscheinen passenderweise ebenfalls entweder in roter, grüner oder blauer Optik. Nun gilt es taktisch zu entscheiden welcher Laser wann gegen welchen Gegner eingesetzt wird. Gleiche Farben (roter Laser gegen roten Gegner z.B.) füllen das Schild auf. Unterschiedliche Farben füllen entweder die Smartbomb-Leiste auf (wie beim Super Special in einem Kampfspiel) oder verursachen mehr Schaden. Das Auswendiglernen der Kombinationen und dessen Wirkungsweisen nach der Einführung setzt Pawarumi demnach voraus.

Die Entwickler_innen vergleichen das System mit Stein-Schere-Papier, was ich durchaus als charmant aber nicht als ganz korrekt empfinde. Beim beliebten Entscheidungsspiel bestimmt der Zufall, auch wenn die Kontrahenten eventuell immer dasselbe wählen und so ein psychologischer Vorteil zum Zug kommt. Pawarumi ist weitaus taktischer und geregelter. Anders wäre es auch sehr frustrierend. 

Es dauert eine Weile bis der Kopf die Tasten der Joycons ohne nachzudenken mit den Laserfarben verbindet. Und es dauert noch länger bis die Kombinationen sitzen. Aber dadurch, dass nach bereits einem verlorenen Leben  der „Game Over“ Bildschirm erscheint, muss das Spiel quasi zwangsläufig erlernt werden. Die Farbmuster festigen sich mit jedem Durchlauf.

Das ist gleichermaßen motivierend wie herausfordernd. Zwei Attribute, die bei Shootern der typischen Bullethell-Schublade oft zu kurz kommen; genauso wie die Musik. In Shoot’em Ups bleibt keine Zeit die schön gestalteten Level zu bewundern, wenn Millionen von gegnerischen Projektilen ausgewichen werden muss. Daher bleibt im Soundtrack viel Spielraum zu glänzen.

Spiele wie Thunder Force oder Radilgy vollbringen das ganz vorbildlich. Doch auch die Audio-Abteilung bei Pawarumi muss sich hinter niemandem verstecken. Der vielseitige und melodiöse Metal-Soundtrack entstammt der Feder von Grégory Desmurs.
Der progressive Metal ist immer auf die stilistischen Hintergründe angeglichen. So wirkt zum Beispiel das Stück „Dune Ocean of Cha-Ni“ im Wüstenlevel schön orientalisch und filigran verspielt mit Sitar-Klängen, passenden Percussions und tanzbaren Rhythmen. Prog-Fans müssen zwangsläufig an Dream Theater, Symphony X oder gar Nevermore denken. Sowas gibt es nicht oft in Spielen und die Detailverliebtheit der Musik fügt sich in die Akribie ein, mit der Manufacture 43 Pawarumi erstellt haben.

“No boosts, ammo or extras. We kept what’s essential in a shoot’em up – shooting, dodging, blowing stuff up”

Pawurumi ist von vorne bis hinten durchdacht. Grafisch ansprechend, musikalisch erfrischend und mit süchtig machendem Gameplay ausgestattet. Die Schwierigkeitsstufen stellen hierbei nicht nur das Einsteigerlevel der Gamer dar, sondern warten mit leicht alternierenden Storylines auf. Entwickler Daniel Borges von Manufacture 43 sagt, “Es gibt keine Boosts, Munition, Extras oder dergleichen. Wir haben nur die wesentlichen Elemente des Shoot em Ups behalten – Schießen, Ausweichen und Dinge in die Luft jagen – und stattdessen unsere eigene Trinity-Mechanik hinzugefügt.” Wenn nur jedes so genial simpel in Worte gefasste Gameplay auch so einfach umzusetzen wäre, gäbe es mehr gute Spiele auf der Welt.

Die vorliegende Switch-Variante verfügt sogar über ein exklusives Schiff, die Joyful, deren farbliche Gestaltung sich an die Farben der Joycons anpasst. Ja, das Spiel weiß welche Farbe deine Joycons haben! What a time to be alive! Wenn mir nun die Pistole (oder die grüne Gatling-Laserkanone aus Axos Chukaru) auf die Brust gesetzt würde und ich Fehler aufzählen müsste, dann könnte ich sagen, dass die Animation der Zwischensequenzen leicht hinterherhinken. Und leider ist die Steuerung etwas träge, was ich aber von Shooter-Schwestern wie Border Down gewöhnt bin. Da es sich um kein reines Bullethell-Spiel handelt, ist hier nicht permanent millisekundengenaues Ausweichen erfordert. Gewöhnungsbedürftig ist die Steuerung für ein paar Minuten, ja, aber dann läuft‘s.

Pawarumi ist eine dankbare Bereicherung eines Underground-Genres und bewegt sich kreativ auf einer Ebene mit Ikaruga und optisch auf Cave-Niveau. Was wollen wir denn noch? Heavy Metal Soundtrack? Ach, ist ja auch drin! Geil, worauf warten wir dann! Ab ins Schiff und die Finger auf Dauerfeuer programmiert!

9/10 <3

Developer/Publisher: Manufacture 43
Team: Alexandre Lutz (Graphics and more), Charles Vernier (Graphics and more), Daniel Borges (Programming and more), Grégory Desmurs (Sound Design), Pierre Gilbert (Game Design Support), Alexandre Chamoy (Management and QA Support)
Auszeichnungen: Best Soundtrack (Shmup’Em-All Awards 2018), Most Promising Shoot’Em Up (Shmup’Em-All Awards 2017)
Veröffentlichung: 30. Januar 2018 (Steam), 24. Juli 2019 (Xbox One, Switch)

Autor: Dennis Strillinger
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