Netflix setzt Sense 8 und The Get Down ab | Ein Kommentar

Sense8Lange ging es bei Netflix immer und immer weiter mit der Flut der Eigenproduktionen. Nun scheint sich der Trend umzukehren. Zwei große Dinger wurden innerhalb von einer Woche abgesetzt. Weitere Staffeln wird es nicht geben. 

Dabei waren schon kurz vorher Marco Polo und Bloodline abgesetzt worden. Nun hat es die teuersten Produktionen erwischt. Die komplette erste Staffel von The Get Down hat Netflix 120 Millionen Euro gekostet. Sense 8’s zweite Staffel verursachte Produktionskosten in Höhe von 100 Millionen Euro. Nun wurden beide abgesetzt.

Die Konzepte der Serie waren zudem sehr erfrischend. So konntest du mit Sense 8 eine unglaublich bildgewaltige Serie erleben, die tiefgründig, gesellschaftskritisch und mit äußerst durchdachter Komplexität deine Aufmerksamkeit forderte. Acht Menschen, die telepathisch miteinander verbunden sind und über die ganze Welt verteilt wohnen, werden von einer Organisation gejagt, die liebend gerne Test mit ihnen durchführen würde und sie danach aus der Welt schaffen will. Vielfältig und anders. So wurden verschiedene Brennpunkte der Erde, Homo- und Transsexualität. thematisiert. Ein großes Ganzes entstand, das Emotionen, Gefühle, Sichtbarkeit und Hilflosigkeit unmittelbar übertrug, aber auch die Wichtigkeit menschlicher Beziehungen gekonnt betonte. Fernsehen, das du nicht jeden Tag erleben kannst und somit einzigartig erscheint, hat es generell schwer. Die Serie der Wachowski-Schwestern schien jedoch sowohl in der Kritik, als auch in Fankreisen, die nun mit Abo-Kündigungen und Petitionen kontern, äußerst beliebt zu sein. Wieso also dieser Schritt? War die Serie am Ende für einen seichten, berieselnden Fernsehabend doch zu komplex? Waren die Kosten an den vielen verschiedenen original Schauplätzen am Ende zu hoch? Schade für ein großartiges Projekt. Bleibt die Hoffnung, dass sich eine andere Produktionsfirma finden lässt, um die offene Geschichte zu beenden, falls dies Rechte mäßig machbar erscheint.

Und The Get Down? Ebenfalls hoch gelobt. Vor allem wegen der Sichtbarkeit nicht-weißer Schauspieler_innen und Menschen. Die verworrene Geschichte der Disco und Hip Hop-Bewegung mit der Integrierung originaler Bilder. Die Mischung aus Musical und Drama, Korruption und Poesie. Ist es gar die Vielfalt, die Netflix in Zeiten des Hasses zurückrudern lässt und vornehmlich weiße Serien-Formate pusht? Der Spiegel hat da so eine Vermutung? Eigentlich zeichneten sich Netflix-Serien immer durch Vielfalt und Multikulti in der Besetzung der Rollen und der Produzent_innen aus. Netflix-CEO Reed Hastings sagt, sie haben eine zu hohe Anzahl an Hits. Die Produzent_innen sollten mehr wagen. Die Anzahl der Streichungen sollte viel höher liegen. Ich sage, seid froh, dass ihr mit vielfältigen Serien-Konzepten eine so hohe Hit-Dichte erschafft und damit kaum etwas streichen müsst. Die Wagnisse scheinen ja zu funktionieren mit Konzepten, wie Sense 8, The OA, Black Mirror, The Get Down, 13 Reasons Why? und Bojack Horseman. Allesamt anders, komplex, hintergründig und gesellschaftskritisch. Warum bitte sollte so etwas abgeschafft werden, wenn es zudem noch erfolgreich erscheint?

Und nun sitzt du hier mit einem drastischen Cliffhanger und deinen 70er Jahre Rap Ohrwürmern und bekommst einfach keinen Nachschub. Wie eigentlich immer, wenn du etwas richtig magst und es nach ein paar Wochen wieder einmal unvollendet der popkulturellen Geschichte übergeben musst. Es bleibt der Einheitsbrei.

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Die Allround-Tante von WTLW. Trägt Kamera, trinkt Oatly Kakao und spielt alle narrativen Games mit gebrochenen Wesen und kaputten Persönlichkeiten. Gerne minimalistisch und völlig entsättigt. Hauptsache irgendwie eigen, mit dem nötigen Wahnwitz im Konzept. Außerdem fährt sie mit Leidenschaft im Kreis.

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